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Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (NetzDG)

§ 5 Abs. 1 NetzDG

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 NetzDG haben Anbieter sozialer Netzwerke im Inland einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen und auf ihrer Plattform in leicht erkennbarer und unmittelbar erreichbarer Weise auf ihn aufmerksam zu machen. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG in der bis zum 27. Juni 2021 geltenden Fassung konnten an diese Person Zustellungen in Verfahren nach § 4 NetzDG [Bußgeldverfahren] oder in Gerichtsverfahren vor deutschen Gerichten wegen der Verbreitung rechtswidriger Inhalte bewirkt werden.1)

Mit dem Gesetz zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes vom 3. Juni 2021 (BGBl. I S. 1436) ist die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG ergänzt worden. Nunmehr können an den Zustellungsbevollmächtigten Zustellungen in Bußgeldverfahren und in aufsichtsrechtlichen Verfahren nach den §§ 4 und 4a NetzDG oder in Gerichtsverfahren vor deutschen Gerichten wegen der Verbreitung oder wegen der unbegründeten Annahme der Verbreitung rechtswidriger Inhalte, insbesondere in Fällen, in denen die Wiederherstellung entfernter oder gesperrter Inhalte begehrt wird, bewirkt werden. Das gilt nach der ebenfalls neu gefassten Regelung gemäß 5 Abs. 1 Satz 3 NetzDG auch für die Zustellung von Schriftstücken, die solche Verfahren einleiten, für Zustellungen von gerichtlichen Endentscheidungen sowie für Zustellungen im Vollstreckungs- oder Vollziehungsverfahren. Rechtswidrige Inhalte sind nach § 1 Abs. 3 NetzDG Inhalte im Sinne von § 1 Abs. 1 NetzDG, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 166, 184b, 185 bis 187, 189, 201a, 241 oder 269 des Strafgesetzbuchs erfüllen und nicht gerechtfertigt sind.2)

Die Zustellungsbevollmächtigung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG hat von Beginn an jedenfalls Gerichtsverfahren erfasst, in denen der Anbieter eines sozialen Netzwerks auf Beseitigung oder Unterlassung bestimmter rechtswidriger Inhalte in Anspruch genommen wird. Mit der Ergänzung dieser Vorschrift mit Wirkung zum 28. Juni 2021 wollte der Gesetzgeber Unsicherheiten beseitigen und klarstellen, dass unter die Vorschrift darüber hinaus - spiegelbildlich - auch Klagen auf Wiederherstellung von gelöschten Inhalten oder - mit der Begründung des Vorliegens rechtswidriger Inhalte - gesperrter Accounts wegen - aus Sicht der Kläger - zu Unrecht als rechtswidrig eingestufter Inhalte fallen (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, BT-Drucks. 19/18792, S. 54). Mit der Neufassung von § 5 Abs. 1 Satz 3 NetzDG wurde zudem klargestellt, dass „der Geltungsbereich des Zustellungsbevollmächtigten für Zustellungen in Gerichtsverfahren weit zu verstehen ist“ und zum Beispiel auch für die Zustellung von Terminsladungen und für Zustellungen im Vollstreckungs- oder Vollziehungsverfahren gilt (vgl. BTDrucks. 19/18792, S. 54).3)

Voraussetzung für eine Anwendbarkeit von § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG ist dabei jeweils eine Anknüpfung an rechtswidrige Inhalte im Sinne des § 1 Abs. 3 NetzDG. Eine darüberhinausgehende oder analoge Anwendung der Vorschrift zwecks Erstreckung auf sonstige, nicht rechtswidrige Inhalte kommt mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht. Das ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut, der sich ausschließlich auf rechtswidrige Inhalte bezieht, und dem in der Begründung zum Gesetzesentwurf manifestierten gesetzgeberischen Willen. Der Gesetzgeber wollte mit der Neufassung Wiederherstellungsklagen bei zu Unrecht als rechtswidrig eingestuften Inhalten ermöglichen (sog. Put-back-Verfahren) und die Zuständigkeit des Zustellungsbevollmächtigten insoweit klarstellen (BT-Drucks. 19/18792, S. 17 und 54). Es sollte dagegen keine generelle Zustellungsbevollmächtigung losgelöst von rechtswidrigen Inhalten geschaffen werden. Letzteres war im ursprünglichen Entwurf zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz 2017 noch vorgesehen (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drucks. 18/12356, S. 10 und 27; gleichlautend insoweit der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken, BT-Drucks. 18/12727, S. 9). Hiervon wurde im Gesetzgebungsverfahren jedoch Abstand genommen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drucks. 18/13013, S. 11 und 23). Auf spätere Forderungen, die Zustellungsbevollmächtigung auszuweiten (vgl. zum Beispiel Peukert, MMR 2018, 572, 575 und 578; Höch, NJW 2019, 2625, 2626), ist der Gesetzgeber im Rahmen der Änderung der Vorschrift im Jahr 2020/2021 nicht eingegangen. Der Wortlaut von § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG ist danach auch nach der Neufassung im Jahr 2021 eindeutig und nur auf rechtswidrige Inhalte bezogen. Die Anknüpfung an rechtswidrige Inhalte im Sinne von § 1 Abs. 3 NetzDG, also an Straftatbestände, war eine gesetzgeberische Grundsatzentscheidung. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz befasst sich (allein) mit der Bekämpfung von Hasskriminalität und anderer strafbarer Inhalte (vgl. dazu BT-Drucks. 18/12356, S. 11 und 18; 19/18792, S. 16 und 21), nicht jedoch mit reinen Vertragsverstößen.4)

Für die Frage, ob Zustellungen an den gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 NetzDG benannten Zustellungsbevollmächtigten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG bewirkt werden können, kommt es maßgeblich darauf an, aus welchem Grund vom Anbieter des sozialen Netzwerks die Löschung von Inhalten begehrt wird beziehungsweise aus welchem Grund der Anbieter des sozialen Netzwerks Inhalte gelöscht und/oder Accounts gesperrt hat. Voraussetzung für eine Anwendbarkeit von § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG ist jeweils eine Anknüpfung an rechtswidrige Inhalte im Sinne des § 1 Abs. 3 NetzDG.5)

Der Gläubiger genügt seiner Darlegungslast zur Wirksamkeit einer Zustellung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG, wenn er in der Begründung seines Antrags oder seiner Klage auf Wiederherstellung des entfernten oder gesperrten Inhalts ausreichende Anhaltspunkte dafür darlegt, dass es aus der Sicht eines verständigen Dritten angesichts des konkret entfernten Beitrags sowie der hierauf bezogenen Löschungs- und Sperrmitteilung jedenfalls ernsthaft in Betracht kommt, dass der streitgegenständliche Inhalt von dem Anbieter des sozialen Netzwerks in der Annahme der Verbreitung rechtswidriger Inhalte gelöscht und/oder der Account aus diesem Grund gesperrt worden ist. Der Netzwerkanbieter trägt dann die sekundäre Darlegungslast für seine Behauptung, eine die Zuständigkeit des Zustellungsbevollmächtigten auslösende Annahme der Verbreitung rechtswidriger Inhalte im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 NetzDG sei nicht Gegenstand des Verfahrens.6)

siehe auch

1) , 2) , 3) , 4) , 5) , 6)
BGH, Beschluss vom 10. November 2022 - I ZB 10/22
internetrecht/gesetz_zur_verbesserung_der_rechtsdurchsetzung_in_sozialen_netzwerken.txt · Zuletzt geändert: 2023/07/25 08:23 von 127.0.0.1