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Dr. Martin Meggle-Freund

eu:ansprueche_bei_flugannullierung

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Ansprüche bei Flugannullierung

Artikel 5 (1)

Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen

a) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 angeboten,

b) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 angeboten und im Fall einer anderweitigen Beförderung, wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit des neuen Fluges erst am Tag nach der planmäßigen Abflugzeit des annullierten Fluges liegt, Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b) und c) angeboten und

c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,

i) sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder

ii) sie werden über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder

iii) sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.

Art. 5 Abs. 1 FluggastrechteVO : Ausgleichszahlung wegen verspäteter Ankunft

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei dem Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 FluggastrechteVO um einen gesetzlichen, die Mindestrechte des Fluggastes betreffenden Anspruch gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen auf vertraglicher Grundlage. Damit ist für die Kläger der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 Abs. 1 ZPO) eröffnet.1) Dies steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union.2)

Der Fluggast darf grundsätzlich die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe zur außergerichtlichen Geltendmachung seines Ausgleichsanspruchs für erforderlich halten, wenn das Luftverkehrsunternehmen ihn nicht vollständig und klar darüber unterrichtet hat, unter welchen Voraussetzungen, in welcher Höhe und gegen welches Unternehmen er einen solchen Anspruch geltend machen kann.3)

Soll der endgültige Zielort des Fluggastes nach der zugrunde liegenden einheitlichen Buchung von einem Flughafen im Unionsgebiet aus mit direkten Anschlussflügen über Drittstaaten erreicht werden und trifft er dort infolge einer Verspätung des ersten Fluges von unter drei Stunden mit großer Verspätung ein, steht dem Fluggast ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen des Ausgangsfluges zu.4)

Der Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 FluggastrechteVO wegen verspäteter Ankunft (vgl. Erwägungsgrund 15 FluggastrechteVO) ist im Ausgangspunkt daran geknüpft, dass der betroffene Fluggast an seinem endgültigen Zielort (Art. 2 Buchst. h FluggastrechteVO) mit einer großen Verspätung von drei Stunden oder mehr eintrifft.5)

Wird dieser Zielort nicht mit einem Direktflug erreicht, sondern über direkte Anschlussflüge (Art. 2 Buchst. h FluggastrechteVO), setzt die Verpflichtung des ausführenden Luftfahrtunternehmens zur Leistung einer Ausgleichszahlung wegen großer Verspätung nicht voraus, dass eine Abflugverspätung in der in Art. 6 FluggastrechteVO vorgesehenen Größenordnung zu verzeichnen war; vielmehr ist allein darauf abzustellen, ob der Zielort des letzten Fluges mit einer Verspätung gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit von drei Stunden oder mehr erreicht worden ist.6)

Wird ein solcher Anspruch aus Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 FluggastrechteVO darauf gestützt, dass bei einem Flug mit direktem Anschlussflug auf der Grundlage einer bestätigten Buchung der endgültige Zielort (Art. 2 Buchst. h FluggastrechteVO) mit großer Verspätung erreicht wurde, ist Erfüllungsort i. S. v. § 29 ZPO jedenfalls auch der Abflugort des ersten (Teil-)Fluges.7)

Dies gilt nach dem Rechtsgedanken des Art. 7 Nr. 1 Buchst. b, 2. Spiegelstrich Brüssel-Ia-VO, die in Deutschland unmittelbare Geltung hat (Art. 288 Abs. 2 AEUV), unabhängig davon, ob der Beförderungsvertrag zwischen den Klägern und der Beklagten gemäß dem deutschen internationalen Privatrecht nach dem Recht der Republik Serbien, wo die Beklagte ihren Sitz hat, zu beurteilen sein sollte.8)

Der für den Fall der Annullierung eines Fluges in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Art. 8 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO wahlweise vorgesehene Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten steht dem jeweiligen Fluggast auch dann zu, wenn er nicht Vertragspartner des Luftbeförderungsvertrags ist.9)

Der aufgrund einer Annullierung bestehende Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 8 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO umfasst sowohl die Kosten des Hinflugs als auch die Kosten des Rückflugs, wenn Hin- und Rückflug Gegenstand einer einheitlichen Buchung sind, über die ein einziger Flugschein ausgestellt worden ist. Dies gilt unabhängig davon, von welchem Ort aus der Rückflug vorgesehen war.10)

Eine Unterrichtung über die Annullierung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Nr. i FluggastrechteVO setzt ein zielgerichtetes Tätigwerden des Luftfahrtunternehmens voraus.11)

Eine Information über geänderte Flugzeiten, die dem Fluggast auf andere Weise oder von dritter Seite zugeht, kann allenfalls dann ausreichen, wenn sie hinreichend deutlich erkennen lässt, dass sie vom ausführenden Luftfahrtunternehmen stammt und dass dieses den gebuchten Flug nicht wie vorgesehen durchführen will.12)

Die Vorverlegung eines Fluges um mehr als eine Stunde ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union als Annullierung im Sinne der Verordnung anzusehen.13)

Das Luftfahrtunternehmen ist dafür verantwortlich, sicherzustellen, dass die erforderlichen Informationen über eine Annullierung den Fluggast erreichen, auch wenn der Vertrag über einen Dritten abgeschlossen wurde.14)

Eine faktische Kenntnisnahme von geänderten Flugzeiten reicht für die Entlastung des Luftfahrtunternehmens nicht aus. Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Nr. i FluggastrechteVO erfordert ein ziel- und zweckgerichtetes Handeln.15)

Die Beweislast für eine rechtzeitige und ausreichende Information liegt nach Art. 5 Abs. 4 FluggastrechteVO beim Luftfahrtunternehmen.16)

ZPO § 29; Brüssel-I-VO Art. 5 Nr. 1 Buchst. b

Bei der einheitlichen Buchung mehrerer Flüge ohne nennenswerten Aufenthalt nach einer der Teilstrecken ist der Gerichtsstand des Erfüllungsortes für einen Ausgleichsanspruch wegen Annullierung, großer Verspätung oder Beförderungsverweigerung sowohl nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b Brüssel-I-VO als auch nach § 29 ZPO gleichermaßen am Abflugort des ersten Fluges wie am Ankunftsort des letzten Fluges begründet.17)

Dies gilt unabhängig davon, ob der Ausgleichsanspruch gegen den Vertragspartner des Fluggastes geltend gemacht wird oder gegen das ausführende Luftverkehrsunternehmen, das nicht Vertragspartner des Fluggastes ist.18)

siehe auch

§ 557 ZPO → Flugannullierungen
Regelt die Rechte von Fluggästen bei Annullierung eines Fluges und legt die Ansprüche auf Unterstützungsleistungen sowie Ausgleichszahlungen fest. Zudem werden Ausnahmen und Bedingungen für diese Ansprüche beschrieben.

1)
BGH, Urteil vom 18. Januar 2011 - X ZR 71/10, BGHZ 188, 85 Rn. 26 ff.; Beschluss vom 14. Juni 2016 - X ZR 92/15, RRa 2016, 229 Rn. 9 mwN
2)
Urteil vom 7. März 2018 in den verbundenen Rechtssachen C-274/16, C-447/16 und C-448/16, NJW 2018, 2105 ff.
3)
BGH, Urteil vom 12. Februar 2019 - X ZR 24/18
4)
BGH, Urteil vom 16. April 2019 - X ZR 93/18; Bestätigung von BGH, Urteil vom 7. Mai 2013 - X ZR 127/11, RRa 2013, 237
5)
BGH, Beschl. v. 16. April 2019 - X ZR 41/18; m.V.a. EuGH, Urteil vom 19. November 2009 in den verbundenen Rechtssachen C-402/07 und C-432/07, RRa 2009, 282 - Sturgeon u.a.
6)
BGH, Beschl. v. 16. April 2019 - X ZR 41/18; m.V.a. EuGH, Urteil vom 26. Februar 2013 - C-11/11, RRa 2013, 78 Rn. 35 - Folkerts
7)
BGH, Urteil vom 16. April 2019 - X ZR 93/18; m.V.a. EuGH, NJW 2018, 2105 Rn. 71 ff.; BGH, Urteil vom 11. September 2018 - X ZR 80/15, RRa 2019, 432
8)
BGH, Urteil vom 16. April 2019 - X ZR 93/18; m.V.a. BGHZ 188, 85 Rn. 28 ff. [32 f.]
9)
BGH, Urteil vom 27. September 2022 - X ZR 35/22
10)
BGH, Urteil vom 18. April 2023 - X ZR 91/22
11)
BGH, Urteil vom 30. Januar 2024 – X ZR 135/22 – m.V.a. BeckOK-FluggastrechteVO/Schmid, Bearb. 1. Oktober 2023, Art. 5 Rn. 26; Tonner/Bergmann/Blankenburg, Reiserecht, 2. Aufl. 2022, § 4 Rn. 108; AG Nürnberg, Urteil vom 23. Januar 2019 – 19 C 7200/18, RRa 2019, 173, 175.
12) , 14)
BGH, Urteil vom 30. Januar 2024 – X ZR 135/22 – m.V.a. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2021 – C-263/20, RRa 2022, 86 – Airhelp ./. Laudamotion
13)
BGH, Urteil vom 30. Januar 2024 – X ZR 135/22 – m.V.a. EuGH, Urteil vom 9. Dezember 2021 – C-146/20, EuZW 2022, 119 Rn. 87 – Corendon Airline; EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2021 – C-263/20, RRa 2022, 86 Rn. 35 – Airhelp ./. Laudamotion
15)
BGH, Urteil vom 30. Januar 2024 – X ZR 135/22 – m.V.a. EuGH, Urteil vom 9. Dezember 2021 – C-146/20 u.a., EuZW 2022, 119 Rn. 87 – Corendon Airline
16)
BGH, Urteil vom 30. Januar 2024 – X ZR 135/22 – m.V.a. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2021 – C-263/20, RRa 2022, 86 Rn. 42 und 51 – Airhelp ./. Laudamotion
17) , 18)
BGH, Urteil vom 11. September 2018 - X ZR 80/15
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