Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG darf eine Apotheke eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, welche für den Versandhandel nach ihrem nationalen Recht, soweit es dem deutschen Apothekenrecht im Hinblick auf die Vorschriften zum Versandhandel entspricht, oder nach dem deutschen Apothekengesetz befugt ist, entsprechend den deutschen Vorschriften zum Versandhandel oder zum elektronischen Handel Arzneimittel im Wege des Versandhandels an Endverbraucher in Deutschland liefern.1)
Endverbraucher ist bei einem Arzneimittel grundsätzlich der Patient, weil ein Arzneimittel in seinem Körper wirkt und dieser es durch Einnahme oder Anwendung selbst „verbraucht“. Grundsätzlich ist deshalb nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG eine Lieferung von Arzneimitteln im Wege des Versandhandels an Ärzte zur Weitergabe an Patienten nicht gestattet.2)
Bei der Anwendung eines Applikationsarzneimittels durch den Arzt am Patienten handelt es sich nicht um ein Inverkehrbringen oder eine Abgabe, sondern um einen Endverbrauch im Sinne von § 43 Abs. 1 AMG (dazu oben II 2 c ee Rn. 42). Dies ist bei der Auslegung von § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG zu berücksichtigen. Der Umstand, dass der bestimmungsgemäße Einsatz des Arzneimittels bei einem Applikationsarzneimittel ärztlicher Hilfe bedarf, bedeutet zwar entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht, dass der Arzt dadurch zum Endverbraucher wird (aA Hofmann in Kügel/Müller/Hofmannm AMG, 2. Aufl., § 43 Rn. 13). Eine Lieferung eines Applikationsarzneimittels an den anwendenden Arzt stellt sich jedoch als Lieferung an den Patienten als Endverbraucher dar, weil dieser ohne die Hilfe des Arztes das Arzneimittel nicht verwenden und damit nur in den Praxisräumen des Arztes ein Endverbrauch stattfinden kann.3)
§ 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG erfasst Arzneimittel, die von einer Apotheke eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, welche für den Versandhandel nach ihrem nationalen Recht, soweit es dem deutschen Apothekenrecht im Hinblick auf die Vorschriften zum Versandhandel entspricht, oder nach dem deutschen Apothekengesetz befugt ist, entsprechend den deutschen Vorschriften zum Versandhandel oder zum elektronischen Handel versandt werden.4)
Einer Apotheke eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, die nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG Arzneimittel im Wege des Versandhandels an Endverbraucher in Deutschland liefern darf, ist es gestattet, Applikationsarzneimittel an den anwendenden Arzt zu liefern.5)
Die Beschränkungen bei der Abgabe von Arzneimitteln, insbesondere die nationale Apothekenpflicht (§ 43 Abs. 1 Satz 1 AMG) und die Modalitäten eines zulässigen Versands nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG, die eine Versendung unmittelbar von der Apotheke an den Kunden verlangen, der Arzneimittelsicherheit dienen und im Interesse eines hohen Schutzniveaus für den Endverbraucher nach Art. 36 AEUV [→ Warenverkehrsfreiheit] gerechtfertigt sind.6)
Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat entschieden, dass das deutsche Arzneimittelpreisrecht auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel gilt, die Apotheken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Wege des Versandhandels nach Deutschland an Endverbraucher abgeben, und dass seine Anwendung mit dem Primärrecht der Union in Einklang steht.7)
Er hat weiter angenommen, dass ein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit im Sinne des Art. 34 AEUV nicht vorliegt. Die Arzneimittelpreisvorschriften des deutschen Rechts sind, auch wenn sie auf den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach Deutschland anwendbar sind, keine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne dieser Bestimmung.8)
Die Regelung, wonach deutsches Arzneimittelpreisrecht auch für im Wege des Versandhandels nach Deutschland eingeführte Arzneimittel gilt, wäre auch nach Art. 36 AEUV (Art. 30 EGV) zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gerechtfertigt.9)
Sie berühren den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union rechtlich wie tatsächlich gleichermaßen. Allerdings kann die beschränkende Wirkung einer mitgliedstaatlichen Bestimmung für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten ungünstiger sein als für inländische Erzeugnisse, wenn die Einschränkungen sich auf in anderen Mitgliedstaaten ansässige Wirtschaftsteilnehmer stärker auswirken als auf inländische Unternehmen.10)
Ausländische Versandapotheken werden durch den einheitlichen Apothekenabgabepreis jedoch nicht stärker beschränkt als inländische Versandapotheken, die sich - ebenso wie eine inländische stationäre Apotheke - an den einheitlichen Apothekenabgabepreis halten müssen.11)
AMG → Arzneimittelgesetz