Verbot irreführender Fertigpackungen

Nach § 43 Abs. 2 MessEG ist es verboten, Fertigpackungen herzustellen, herstellen zu lassen, in den Geltungsbereich dieses Gesetzes zu verbringen, in Verkehr zu bringen oder sonst auf dem Markt bereitzustellen, wenn sie ihrer Gestaltung und Befüllung nach eine größere Füllmenge vortäuschen, als in ihnen enthalten ist [→ Mogelpackung].1)

Sinn und Zweck des § 43 Abs. 2 MessEG ist der Schutz des Verkehrs vor Fehlannahmen über die relative Füllmenge einer Fertigpackung.2)

Dabei handelt es sich nicht um ein abstraktes, sondern um ein konkretes Gefährdungsdelikt. Bei einem abstrakten Gefährdungstatbestand ist das Gefahrenpotential zwar Anlass, nicht aber Voraussetzung für das Verbot.3). Anders liegt es bei § 43 Abs. 2 MessEG. Hier muss das Vortäuschen einer größeren Füllmenge als objektives Tatbestandsmerkmal stets im Einzelfall festgestellt werden.4)

Das in § 43 Abs. 2 MessEG geregelte Verbot sogenannter Mogelpackungen ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG.5)

Bei der Auslegung des Irreführungstatbestands des § 43 Abs. 2 MessEG können die für § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG geltenden Grundsätze zur Irreführung herangezogen werden.6)

Maßgeblich ist, welche Vorstellungen der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, der dem Produkt die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt, über den Inhalt der jeweiligen Verpackung auf Grund deren äußerer Gestaltung entwickelt, und ob diese Vorstellung vom tatsächlichen Inhalt der Verpackung abweicht.7)

Wenn eine Divergenz zwischen der Verbrauchererwartung und dem tatsächlichen Inhalt der Packung festzustellen ist, ist zu überprüfen, ob diese Divergenz rechtserheblich oder aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen notwendig ist.8)

Die Vorschrift des § 43 Abs. 2 MessEG, die dem Schutz des Verkehrs vor Fehlannahmen über die relative Füllmenge einer Fertigpackung („Mogelpackung“) dient, fällt, soweit Handlungen von Unternehmen gegenüber Verbrauchern betroffen sind, in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 der in diesem Verhältnis eine Vollharmonisierung bewirkenden Richtlinie 2005/29/EG [→ Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken]. Damit ist, weil insoweit die in den übrigen Absätzen des Art. 3 der Richtlinie 2005/29/EG vorgesehenen Ausnahmen nicht betroffen sind, für die lauterkeitsrechtliche Anwendung der Vorschrift des § 43 Abs. 2 MessEG als Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG kein Raum, soweit sie Tatbestandsmerkmale - hier: das Merkmal der Bereitstellung auf dem Markt - vorsieht, die dem Tatbestand des Art. 6 der Richtlinie 2005/29/EG beziehungsweise des diese Vorschrift umsetzenden § 5 UWG fremd sind. Die Beurteilung der Irreführung über die relative Füllmenge einer Fertigpackung hat dann allein nach § 5 UWG zu erfolgen.9)

Eine wettbewerblich relevante Irreführung über die relative Füllmenge einer Fertigpackung („Mogelpackung“) nach § 5 UWG liegt unabhängig von dem konkret beanstandeten Werbemedium10) vor, wenn die Verpackung eines Produkts nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der darin enthaltenen Füllmenge steht. Dies ist in der Regel der Fall, wenn die Fertigpackung nur zu zwei Dritteln gefüllt ist, sofern nicht die Aufmachung der Verpackung das Vortäuschen einer größeren Füllmenge zuverlässig verhindert oder die gegebene Füllmenge auf technischen Erfordernissen beruht.11)

siehe auch

§ 5 UWG → Irreführende geschäftliche Handlungen
Irreführende geschäftliche Handlungen, die den Verbraucher zu einer Entscheidung verleiten, die er sonst nicht getroffen hätte, sind unzulässig.

1) , 11)
BGH, Urteil vom 29. Mai 2024 - I ZR 43/23 - Hydra Energy
2)
BGH, Urteil vom 29. Mai 2024 - I ZR 43/23 - Hydra Energy; m.V.a. KG, LRE 41, 124 [juris Rn. 5]; OVG Berlin, GewArch 2004, 221 [juris Rn. 30]; OLG Karlsruhe, WRP 2013, 216 [juris Rn. 26], LG Bremen, WRP 2016, 778 [juris Rn. 19]; Häberle in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 250. Ergänzungslieferung Dezember 2023, § 43 MessEG Rn. 6; Wüstenberg, AbfallR 2020, 180, 181 und 184; vgl. auch die - nicht umgesetzte - Verordnungsermächtigung in § 44 Abs. 1 Nr. 11 MessEG, die den Erlass von Vorschriften über die Gestaltung und Befüllung von Fertigpackungen unter anderem zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher ermöglicht
3)
BGH, Urteil vom 29. Mai 2024 - I ZR 43/23 - Hydra Energy; zu § 9 HWG vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 2021 - I ZR 146/20, GRUR 2022, 399 [juris Rn. 41] = WRP 2022, 426 - Werbung für Fernbehandlung
4)
BGH, Urteil vom 29. Mai 2024 - I ZR 43/23 - Hydra Energy; m.V.a. Strecker/Fincke/Trapp, FPV, § 24 unter 2. zu § 35 Abs. 1 Nr. 1 EichG aF
5)
BGH, Urteil vom 29. Mai 2024 - I ZR 43/23 - Hydra Energy; m.V.a. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2017 - I ZR 78/16, GRUR 2018, 431 [juris Rn. 41] = WRP 2018, 413 - Tiegelgröße; OLG Frankfurt, ZLR 2009, 618 [juris Rn. 15]; OLG Karlsruhe, WRP 2013, 216 [juris Rn. 25]; WRP 2015, 774 [juris Rn. 12]; Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl., § 5 Rn. 2.238; Wolf/Psallidaki, WRP 2021, 447 Rn. 16
6)
BGH, Urteil vom 29. Mai 2024 - I ZR 43/23 - Hydra Energy; m.V.a. BGH, GRUR 2018, 431 [juris Rn. 36, 41] - Tiegelgröße; zur inhaltsgleichen Vorgängerregelung in § 17a EichG aF vgl. bereits BGH, Urteil vom 30. Oktober 1981 - I ZR 156/79, BGHZ 82, 138 [juris Rn. 17] - Kippdeckeldose; vgl. auch MünchKomm.UWG/Busche, 3. Aufl., § 5 Rn. 423
7)
BGH, Urteil vom 29. Mai 2024 - I ZR 43/23 - Hydra Energy; m.V.a. OLG Karlsruhe, WRP 2013, 216 [juris Rn. 27], LG Bremen, WRP 2016, 778 [juris Rn. 20]; Oechsle, WRP 2015, 826 Rn. 13
8)
BGH, Urteil vom 29. Mai 2024 - I ZR 43/23 - Hydra Energy; m.V.a. OVG Berlin, GewArch 2004, 221 [juris Rn. 30]; OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 263 [juris Rn. 11]; Rathke in Sosnitza/Meisterernst, Lebensmittelrecht, 188. Ergänzungslieferung November 2023, § 43 MessEG Rn. 32, 46 bis 50
9)
BGH, Urteil vom 29. Mai 2024 - I ZR 43/23 - Hydra Energy; Klarstellung zu BGH, Urteil vom 11. Oktober 2017 - I ZR 78/16, GRUR 2018, 431 [juris Rn. 41] = WRP 2018, 413 - Tiegelgröße
10)
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