Unerwünschte Werbung mit Anrufmaschinen, Telefax oder elektronischer Post

§ 7 (2) Nr. 2 UWG

Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen bei Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt

Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist die Verwendung einer elektronischen Post für die Zwecke der Direktwerbung nur bei vorheriger ausdrücklicher Einwilligung der Teilnehmer gestattet.1)

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung unzulässig, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist eine unzumutbare Belästigung stets, das heißt ohne dass es einer Interessenabwägung im Einzelfall bedarf2), anzunehmen bei einer Werbung unter Verwendung einer automatisierten Anrufmaschine, eines Faxgeräts oder elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt. Die Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG steht mit Nr. 26 Anhang I der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im Einklang und setzt Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) in deutsches Recht um. Sie ist mithin im Lichte des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG unionsrechtskonform auszulegen.3)

Nach Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG darf die Verwendung von automatischen Anrufsystemen ohne menschlichen Eingriff (automatische Anrufmaschinen), Faxgeräten oder elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung nur bei vorheriger Einwilligung der Teilnehmer oder Nutzer gestattet werden. Gemäß Art. 2 Satz 2 Buchst. h der Richtlinie 2002/58/EG ist „elektronische Post“ jede über ein öffentliches Kommunikationsnetz verschickte Text-, Sprach-, Ton- oder Bildnachricht, die im Netz oder im Endgerät des Empfängers gespeichert werden kann, bis sie von diesem abgerufen wird. Für die Anwendung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG ist erstens zu prüfen, ob die Art der Kommunikation, die für die Zwecke der Direktwerbung verwendet wird, zu den von dieser Bestimmung erfassten gehört (dazu B I 2 b), zweitens, ob diese Kommunikation die Direktwerbung bezweckt (dazu B I 2 c), und drittens, ob das Erfordernis einer vorherigen Einwilligung des Nutzers beachtet wurde.4)

Die in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG aufgeführte Liste der unter diese Bestimmung fallenden elektronischen Kommunikationsmittel ist nicht abschließend, sondern aus technologischer Sicht entwicklungsfähig und mit Blick auf das Regelungsziel, dass den Nutzern der öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienste der gleiche Grad des Schutzes personenbezogener Daten und der Privatsphäre geboten werden soll, weit auszulegen.5)

Welche Anforderungen die Einwilligung gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG erfüllen muss, ist durch eine unionsrechtskonforme Auslegung zu ermitteln. Der hier relevante unionsrechtliche Begriff der Einwilligung hat sich seit dem Zeitpunkt des beanstandeten Verhaltens der Beklagten im Dezember 2016 bzw. Januar 2017 geändert. Eine für die Beurteilung des Unterlassungsanspruchs erhebliche Änderung der Rechtslage ist dadurch nicht eingetreten.6)

Gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. f der Richtlinie 2002/58/EG ist unter „Einwilligung“ eines Nutzers oder Teilnehmers die Einwilligung der betroffenen Person im Sinne der Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr zu verstehen. Nach Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46/EG ist eine „Einwilligung der betroffenen Person“ jede Willensbekundung, die ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgt und mit der die betroffene Person akzeptiert, dass personenbezogene Daten, die sie betreffen, verarbeitet werden.7)

Die Richtlinie 95/46/EG ist gemäß Art. 94 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, DSGVO) mit Wirkung vom 25. Mai 2018 aufgehoben worden. Gemäß Art. 94 Abs. 2 DSGVO gelten nunmehr Verweise auf die aufgehobene Richtlinie als Verweise auf die Datenschutz-Grundverordnung. Nach Art. 4 Nr. 11 DSGVO bezeichnet der Ausdruck „Einwilligung“ der betroffenen Person jede freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist.8)

Für das Einwilligungserfordernis gemäß Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG ergeben sich aus dieser Rechtsänderung in der Sache keine unterschiedlichen Anforderungen.9)

Der Umstand, dass die Nutzer, die die unentgeltliche, durch Werbung finanzierte Variante des T-O. -E-Mail-Dienstes gewählt haben, sich allgemein damit einverstanden erklärt haben, Werbeeinblendungen zu erhalten, um kein Entgelt für die Nutzung des E-Mail-Dienstes zahlen zu müssen10), erfüllt die Voraussetzungen einer Einwilligung nicht. Es ist vielmehr maßgeblich, ob der betroffene Nutzer, der sich für die unentgeltliche Variante des E-MailDienstes T-O. entschieden hat, ordnungsgemäß über die genauen Modalitäten der Verbreitung einer solchen Werbung informiert wurde und tatsächlich darin einwilligte, Werbenachrichten, wie sie im Streitfall in Rede stehen, zu erhalten. Insbesondere muss der Nutzer klar und präzise unter anderem darüber informiert worden sein, dass Werbenachrichten in der Liste der empfangenen privaten E-Mails angezeigt werden. Außerdem ist erforderlich, dass der Nutzer seine Einwilligung, solche Werbenachrichten zu erhalten, für den konkreten Fall und in voller Kenntnis der Sachlage bekundet hat.11)

Eine per Telefax unaufgefordert übermittelte Werbung gegenüber Gewerbetreibenden grundsätzlich als wettbewerbswidrig anzusehen.12)

Mit der Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG hat der deutsche Gesetzgeber die in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation enthaltenen Vorgaben zum Schutz der Privatsphäre des Betroffenen vor unverlangt auf elektronischem Wege zugesandter Werbung umgesetzt.13) Die in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG getroffene Regelung ist von dieser Richtlinienvorschrift abgedeckt und steht auch in Einklang mit Nr. 26 Anhang I der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, der die Anwendung der Vorschriften der Datenschutzrichtlinie ausdrücklich unberührt lässt.14)

An einer belästigenden Werbung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 3 UWG kann es allerdings fehlen, wenn bei einer durch einen Dritten ausgesprochenen Empfehlung der private Charakter der Mitteilung im Vordergrund steht, so dass die Mitteilung letztlich als positive Äußerung über das Unternehmen oder die von ihm angebotenen Waren und Dienstleistungen, nicht jedoch als werbende Äußerung des Unternehmens selbst anzusehen ist15). Hiervon ist nach der Rechtsprechung des Senats jedoch regelmäßig nicht auszugehen, wenn der Versand der Mitteilung mithilfe einer vom Unternehmer auf der eigenen Internetseite oder Plattform bereitgestellten Empfehlungsfunktion erfolgt. Eine derartige Funktion hat erfahrungsgemäß den Zweck, Dritte auf die eigene Leistung aufmerksam zu machen, so dass der werbliche Charakter einer mit ihrer Hilfe versandten Empfehlungs-E-Mail nicht anders zu beurteilen ist als eine WerbeE-Mail, die das Unternehmen dem Adressaten selbst übermittelt hat.16)

Opt-in-Erklärung

Sie ist nur zulässig, wenn der Adressat ausdrücklich oder konkludent eingewilligt hat oder wenn der Absender das Einverständnis aufgrund konkreter Umstände vermuten durfte.17)

Eine Einwilligung in eine Werbung unter Verwendung von elektronischer Post (E-Mail und SMS) erfordert nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG eine gesonderte, nur auf die Einwilligung in eine solche Werbung bezogene Zustimmungserklärung des Betroffenen („Opt-in“- Erklärung).18)

Eine Einwilligung, die in Textpassagen enthalten ist, die auch andere Erklärungen oder Hinweise enthalten, wird diesen Anforderungen nicht gerecht.19)

Für die Einwilligung in eine Werbung mit einem Telefonanruf nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 UWG gilt insoweit dasselbe. Auch eine solche Einwilligung setzt eine gesonderte - nur auf die Einwilligung in die Werbung mit einem Telefonanruf bezogene - Zustimmungserklärung des Betroffenen voraus.20)

Konkludente Einwilligung

Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG 2004 erfordert die Zulässigkeit einer E-Mail-Werbung gegenüber Gewerbetreibenden zumindest eine konkludente Einwilligung des Adressaten der Werbung. Die bloß mutmaßliche Einwilligung des Beworbenen reichte für die Zulässigkeit einer Werbung per E-Mail dagegen nicht aus.21)

Auch gegenüber einem Gewerbetreibenden ist die Werbung durch elektronische Post (E-Mails) unlauter, wenn nicht (wenigstens) konkrete Anhaltspunkte die Annahme einer! mutmaßlichen Einwilligung des Empfängers rechtfertigen. Allein aus der gewerblichen Tätigkeit kann eine solche mutmaßliche Einwilligung nicht abgeleitet werden.22)

Der Umstand, dass Telefaxsendungen immer häufiger unmittelbar auf einen PC geleitet und nicht mit einem herkömmlichen Faxgerät ausgedruckt werden, ändert nichts daran, dass eine per Telefax unaufgefordert übermittelte Werbung auch gegenüber Gewerbetreibenden grundsätzlich als wettbewerbswidrig anzusehen ist.23)

gewerbliche Anfragen

Auch gewerbliche Anfragen nach Waren oder Dienstleistungen sind „Werbung“ im Sinne dieser Vorschrift. Für das Schutzbedürfnis des Inhabers eines Telefax- oder E-Mail-Anschlusses ist es unerheblich, ob er unaufgefordert Kaufangebote für Waren oder Dienstleistungen erhält oder ihm Anfragen zugehen, in denen etwa Immobilien oder Antiquitäten nachgefragt werden. Der Bezug von Waren und Dienstleistungen, die ein Unternehmen für seine Geschäftstätigkeit auf dem Markt benötigt, dient mittelbar der Förderung seines Absatzes.24)

Wettbewerbsrelevanz

Eine unzumutbare Belästigung i.S. des § 7 Abs. 2 UWG 2004 ist zugleich geeignet, die Interessen der Marktteilnehmer i.S. des § 3 UWG 2004 erheblich zu beeinträchtigen.25)

siehe auch

§ 7 (2) UWG → Unerwünschte Werbung
Definiert spezifische Fälle, in denen Werbung als unzumutbare Belästigung gilt.

1) , 6) , 7) , 8)
BGH, Urteil vom 13. Januar 2022 - I ZR 25/19 - Inbox-Werbung II
2)
vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 - I ZR 65/14, GRUR 2016, 946 [juris Rn. 51] = WRP 2016, 958 - Freunde finden, mwN
3)
BGH, Urteil vom 13. Januar 2022 - I ZR 25/19 - Inbox-Werbung II; m.V.a. BGH GRUR 2020, 420 [juris Rn. 15] - Inbox-Werbung I, mwN
4)
BGH, Urteil vom 13. Januar 2022 - I ZR 25/19 - Inbox-Werbung II; m.V.a. EuGH, GRUR 2022, 87 Rn. 37 - StWL Städtische Werke Lauf a.d. Pegnitz
5)
BGH, Urteil vom 13. Januar 2022 - I ZR 25/19 - Inbox-Werbung II; m.V.a. EuGH, GRUR 2022, 87 Rn. 39 - StWL Städtische Werke Lauf a.d. Pegnitz
9)
BGH, Urteil vom 13. Januar 2022 - I ZR 25/19 - Inbox-Werbung II; m.V:a. EuGH, GRUR 2022, 87 Rn. 55 und 57 - StWL Städtische Werke Lauf a.d. Pegnitz
10)
vgl. dazu EuGH, GRUR 2022, 87 Rn. 58 - StWL Städtische Werke Lauf a.d. Pegnitz
11)
BGH, Urteil vom 13. Januar 2022 - I ZR 25/19 - Inbox-Werbung II; m.V.a. EuGH, GRUR 2022, 87 Rn. 59 - StWL Städtische Werke Lauf a.d. Pegnitz
12)
BGH, Urteil vom 11. März 2010 - I ZR 27/08 - Telefonwerbung nach Unternehmenswechsel; m.w.N.
13)
BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 - I ZR 65/14 - Freunde finden; m.V.a. BGH, Urteil vom 16. Juli 2008 - VIII ZR 348/06, BGHZ 177, 253 Rn. 30 - Payback; Urteil vom 17. Juli 2008 - I ZR 75/06, GRUR 2008, 923 Rn. 10 = WRP 2008, 1328 - Faxanfrage im Autohandel
14)
BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 - I ZR 65/14 - Freunde finden; m.V.a. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 7 Rn. 97 und 182; MünchKomm.UWG/Leible, 2. Aufl., § 7 Rn. 150
15)
vgl. Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl., § 7 Rn. 67; Deßhilles, K&R 2014, 7, 8; Schirmbacher/Schätzle, WRP 2014, 1143, 1144
16)
BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 - I ZR 65/14 - Freunde finden; m.V.a. BGH, GRUR 2013, 1259 Rn. 19 - Empfehlungs-E-Mail
17)
BGH, Urteil vom 11. März 2010 - I ZR 27/08 - Telefonwerbung nach Unternehmenswechsel; BGH GRUR 2008, 925 Tz. 25 - FC Troschenreuth; m.V.a. BGH, Urt. v. 1. Juni 2006 – I ZR 167/03 – Telefax-Werbung II; m.V.a. BGH, Urt. v. 25.10.1995 – I ZR 255/93, GRUR 1996, 208, 209 = WRP 1996, 100 – Telefax-Werbung I; vgl. ferner BGH, Urt. v. 5.2.2004 – I ZR 87/02, GRUR 2004, 520, 521 = WRP 2004, 603 – Telefonwerbung für Zusatzeintrag; Urt. v. 11.3.2004 – I ZR 81/01, GRUR 2004, 517, 518 = WRP 2004, 731 – E-Mail-Werbung; auch BGH, Urteil vom 11. März 2010 - I ZR 27/08 - Telefonwerbung nach Unternehmenswechsel
18) , 19)
BGH, Beschl. v. 14. April 2011 - I ZR 38/10; m.V.a. BGH, Urteil vom 16. Juli 2008 - VIII ZR 348/06, BGHZ 177, 254 Rn. 27-30
20)
BGH, Beschl. v. 14. April 2011 - I ZR 38/10
21)
BGH Urteil vom 11.03.2010 - I ZR 27/08
22)
OLG Bamberg, Urt. v. 27. 9. 2006-3U363/05
23)
BGH, Urt. v. 1. Juni 2006 – I ZR 167/03 – Telefax-Werbung II; im Anschluss an BGH, Urt. v. 25.10.1995 – I ZR 255/93, GRUR 1996, 208 = WRP 1996, 100 – Telefax-Werbung I
24)
BGH; Urteil vom 17. Juli 2008 - I ZR 75/06 - Royal Cars; BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 - I ZR 197/05 - FC Troschenreuth
25)
BGH, Urteil vom 11. März 2010 - I ZR 27/08 - Telefonwerbung nach Unternehmenswechsel; m.V.a. BGH GRUR 2008, 189 Tz. 23 - Suchmaschineneintrag