→ Geschäftsführerhaftung (Privatrecht)
Der Geschäftsführer haftet [→ Haftung] für einen Wettbewerbsverstoß der von ihm vertretenen Gesellschaft, wenn er die Rechtsverletzung selbst begangen oder in Auftrag gegeben hat.1)
Der Geschäftsführer haftet darüber hinaus allerdings auch dann für Wettbewerbsverstöße der Gesellschaft, wenn er von ihnen Kenntnis hatte und es unterlassen hat, sie zu verhindern.2)
Diese Rechtsprechung, in der nicht daran angeknüpft wird, dass der gesetzliche Vertreter der juristischen Person das wettbewerbswidrige Verhalten selbst veranlasst hat, hat ihre ursprüngliche Grundlage in der Störerhaftung.3)
Der Geschäftsführer haftet für unlautere Wettbewerbshandlungen der von ihm vertretenen Gesellschaft nur dann persönlich, wenn er daran entweder durch positives Tun beteiligt war oder wenn er die Wettbewerbsverstöße aufgrund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hätte verhindern müssen.4)
Ein Unterlassen kann positivem Tun nur gleichgestellt werden, wenn der Täter rechtlich dafür einzustehen hat, dass der tatbestandliche Erfolg nicht eintritt, und das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands durch ein Tun entspricht. Erforderlich ist eine Garantenstellung des Klägers, die ihn verpflichtet, den deliktischen Erfolg abzuwenden5). Eine Garantenstellung kann sich aus vorhergehendem gefährdenden Tun (Ingerenz), Gesetz, Vertrag oder der Inanspruchnahme von Vertrauen ergeben6). Sie muss gegenüber dem außenstehenden Dritten bestehen, der aus der Verletzung der Pflicht zur Erfolgsabwendung Ansprüche herleitet7).8)
Die schlichte Kenntnis des Geschäftsführers von Wettbewerbsverletzungen scheidet als haftungsbegründender Umstand aus. Erforderlich ist vielmehr grundsätzlich, dass der Wettbewerbsverstoß auf einem Verhalten beruht, das nach seinem äußeren Erscheinungsbild und mangels abweichender Feststellungen dem Geschäftsführer anzulasten ist. So liegt es etwa bei der rechtsverletzenden Benutzung einer bestimmten Firmierung und dem allgemeinen Werbeauftritt eines Unternehmens, über die typischerweise auf Geschäftsführungsebene entschieden wird. Dementsprechend hat der Senat ohne weiteres eine Haftung der vertretungsberechtigten Organe einer juristischen Person für das allgemeine Konzept einer Kundenwerbung eines Unternehmens9), für den Inhalt einer Presseerklärung eines Unternehmens, in der der Geschäftsführer selbst zu Wort kam10) und für den allgemeinen Internetauftritt des Unternehmers11) bejaht.12)
Erlangt der Geschäftsführer lediglich Kenntnis davon, dass bei der unter seiner Leitung stehenden Geschäftstätigkeit Wettbewerbsverstöße begangen werden oder ihre Begehung bevorsteht, trifft ihn persönlich regelmäßig auch keine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht im Verhältnis zu außenstehenden Dritten, eine (weitere) Verletzung durch das Wettbewerbsrecht geschützter Interessen von Marktteilnehmern zu verhindern.13)
Der Haftung wegen Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht liegt der Gedanke zugrunde, dass derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, die ihm zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen treffen muss, die zur Abwendung der Dritten daraus drohenden Gefahren notwendig sind14). Im Zusammenhang mit der Haftung von Betreibern von Internethandelsplattformen für rechtsverletzende fremde Inhalte konkretisiert sich die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht als Prüfpflicht15). Die Haftung wegen Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten ist aber nicht auf die Verletzung von Prüfpflichten beschränkt16). Wettbewerbsrechtliche Verkehrspflichten können sich ebenso als Überwachungs- und Eingreifpflichten konkretisieren17).18)
Solche Verkehrspflichten können auch das Organ einer Gesellschaft treffen. Sie stellen sich als Garantenpflicht aus vorangegangenem gefahrbegründenden Verhalten dar19). Verstößt das Organ einer juristischen Person, das in seiner beruflichen Tätigkeit nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG als Un-ternehmer im Sinne des Lauterkeitsrechts behandelt wird, gegenüber Verbrau-chern gegen eine wettbewerbliche Verkehrspflicht, so entspricht sein Handeln nicht den Erfordernissen fachlicher Sorgfalt (§ 3 Abs. 2 UWG). Im Verhältnis zu anderen Marktteilnehmern handelt das Organmitglied unlauter gemäß § 3 Abs. 1 UWG20).21)
Allein die Organstellung und die allgemeine Verantwortlichkeit für den Geschäftsbetrieb begründen aber keine Verpflichtung des Geschäftsführers gegenüber außenstehenden Dritten, Wettbewerbsverstöße der Gesellschaft zu verhindern22). Die nach § 43 Abs. 1 GmbHG und § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG dem Geschäftsführer einer GmbH und den Mitgliedern des Vorstands einer Aktiengesellschaft obliegende Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung umfasst zwar auch die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass Rechtsverletzungen wie etwa Wettbewerbsverstöße unterbleiben. Diese Pflicht besteht aber grundsätzlich nur gegenüber der Gesellschaft und nicht auch im Verhältnis zu außenstehenden Dritten.23) Es kann zudem nicht außer Betracht bleiben, dass dem Geschäftsführer im Fall einer generellen Haftung für Wettbewerbsverstöße ein kaum kalkulierbares Risiko auferlegt würde.24)
Eine Erfolgsabwendungspflicht des Geschäftsführers kann sich in begrenztem Umfang aufgrund besonderer Umstände ergeben.25)
Die Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht im Zusammenhang mit der Organisation der von ihm vertretenen Gesellschaft ist allerdings zu erwägen, wenn der Geschäftsführer sich bewusst der Möglichkeit entzieht, überhaupt Kenntnis von etwaigen Wettbewerbsverstößen in seinem Unternehmen oder von ihm beauftragter Drittunternehmen zu nehmen und dementsprechend Einfluss zu ihrer Verhinderung ausüben zu können. In der Rechtsprechung ist dies angenommen worden, wenn ein Geschäftsführer sich dauerhaft im Ausland aufhält.26)
Der Geschäftsführer haftet allerdings persönlich aufgrund einer eigenen wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht, wenn er ein auf Rechtsverletzungen angelegtes Geschäftsmodell selbst ins Werk gesetzt hat.27)
Eine Garantenstellung und damit die Haftung eines Gesellschaftsorgans kann auch dadurch begründet werden, dass es über seine ihm gegenüber der Gesellschaft obliegenden Pflichten hinaus eine weitere Erfolgsabwendungspflicht Dritten gegenüber persönlich übernommen hat28). Daran wird es indes bei Wettbewerbsverstößen regelmäßig fehlen, da die Parteien im Vorfeld eines Verstoßes vielfach nicht miteinander in Kontakt oder in einer Geschäftsbeziehung stehen, aus der heraus das Organ einer Gesellschaft ein besonderes, unter Umständen haftungsbegründendes Vertrauen erzeugen könnte.29)
→ Haftung