Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 ApoG dürfen Erlaubnisinhaber und Personal von Apotheken mit Ärzten keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen, die unter anderem eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel, die Zuführung von Patienten oder die Zuweisung von Verschreibungen zum Gegenstand haben.1)
Die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 ApoG soll sicherstellen, dass der Erlaubnisinhaber einer Apotheke sich bei seinem Kontakt zu anderen Gesundheitsberufen wie insbesondere zu Ärzten, die Einfluss auf sein Entscheidungsverhalten haben, nicht von sachfremden und vor allem nicht von finanziellen Erwägungen leiten lässt. Sie soll damit Verhaltensweisen der Apotheker entgegenwirken, die die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln beeinträchtigen können2). Außerdem soll damit das Recht des Patienten auf freie Wahl der Apotheke gewahrt werden3).4)
Der Gesetzgeber hat in § 11 Abs. 2 ApoG für anwendungsfertige Zytostatikazubereitungen eine unmittelbare Abgabe durch die Apotheke an den anwendenden Arzt gestattet, bei der der behandelnde Arzt und nicht der Patient den Apotheker auswählt. Diese Ausnahme vom Verbot der Absprachen zwischen Ärzten und Apothekern hat der Gesetzgeber aus Sicherheitsgründen angeordnet, damit die Zytostatikazubereitungen nicht in die Hände der Patienten gelangen (vgl. Entwurf des Bundesrats eines Gesetzes zur Änderung des Apothekengesetzes, BT-Drucks. 14/756 S. 5). Bei derartigen Arzneimitteln kann es dem behandelnden Arzt nicht zugemutet werden, die Verantwortung für eine Behandlung mit diesen empfindlichen Zubereitungen zu übernehmen, wenn er nicht die vollständige Kontrolle über den Beschaffungsweg, die zwischenzeitlichen Lagerungsbedingungen, einschließlich der Zugriffsmöglichkeiten und des Zeitablaufs hat (vgl. hierzu BSGE 120, 122 Rn. 33).5)
Bei Applikationsarzneimitteln besteht dagegen grundsätzlich keine entsprechende oder auch nur annähernd vergleichbare Notwendigkeit oder Vorteilhaftigkeit einer solchen Verkürzung des Versorgungswegs unter Ausschluss des Patienten (BGH, GRUR 2016, 213 Rn. 23 - Zuweisung von Verschreibungen). Der Inhaber einer Erlaubnis nach § 1 ApoG, der Applikationsarzneimittel wie Medikamente für die Ersteinstellung und Ersteinweisung von Hepatitis-CPatienten direkt an den Arzt gegen Aushändigung des Rezepts abgibt, verstößt deshalb gegen das Verbot der Zuweisung von Verschreibungen in § 11 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 ApoG (BGH, GRUR 2016, 213 Rn. 21 - Zuweisung von Verschreibungen). Für verschreibungspflichtige Applikationsarzneimittel und Intrauterinpessare gilt nichts anderes.6)
Die in § 11 Abs. 1 Satz 1 ApoG geregelten Tatbestände, die Kooperationen zwischen Inhabern von Erlaubnissen nach § 1 Abs. 2, § 14 Abs. 1, § 16 oder § 17 ApoG und dem Personal von Apotheken einerseits und Ärzten verbieten, sind Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG, deren Verletzung geeignet ist, die Interessen der Verbraucher und Mitbewerber spürbar zu beeinträchtigen.7)
Eine entsprechende Anwendung von § 11 ApoG auf in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässige Versandapotheken, die Arzneimittel gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG an Endverbraucher nach Deutschland versenden dürfen, kommt nicht in Betracht. Das Apothekengesetz legt in anderen Vorschriften ausdrücklich fest, wenn Erlaubnisinhaber nach dem Apothekengesetz und Apotheken, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, gleich behandelt werden sollen, so in § 14 Abs. 4 und 5 Satz 2 Nr. 1 ApoG. Eine entsprechende Gleichstellung ist in § 11 ApoG nicht angeordnet.8)
Die Bestimmung des § 11 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 ApoG ist grundsätzlich auch bei Arzneimitteln zu beachten, die in der Arztpraxis am Patienten angewendet werden sollen (sogenannten Applikationsarzneimitteln) und daher zum Zeitpunkt der in Aussicht genommenen Behandlung in der Arztpraxis vorhanden sein müssen, sowie speziell bei Medikamenten, die für die Ersteinstellung und Ersteinweisung von Hepatitis-C-Patienten benötigt werden.9)
Zwar mag es nach dem Sinn und Zweck des in § 11 Abs. 1 ApoG geregelten Abspracheverbots zwischen Ärzten und Apothekern geboten sein, es nicht auf inländische Apotheken zu beschränken und es auf in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässige Versandapotheken zu erstrecken. Ein entsprechender gesetzgeberischer Wille, wenn er denn vorgelegen haben sollte, hat in der Vorschrift jedoch keinen Ausdruck gefunden. Es handelt sich dabei um eine strenge und deshalb als abschließend anzusehende Regelung (BGH, GRUR 2016, 213 Rn. 25 - Zuweisung von Verschreibungen). Eine erweiternde Auslegung von § 11 Abs. 1 ApoG oder eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf die Beklagte scheidet deshalb aus.10)
Das Verbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 ApoG erfasst Rechtsgeschäfte und Absprachen zwischen Apotheken und Ärzten, die Applikationsarzneimittel zum Gegenstand haben.11)
Dem Verbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 ApoG unterliegen nur Inhaber einer Erlaubnis nach dem Apothekengesetz, nicht dagegen Apotheken eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, die über eine Erlaubnis nach ihrem nationalen Recht verfügen.12)
AMPreisV → Arzneimittelpreisverordnung
AMG → Arzneimittelgesetz