§ 809 BGB → Besichtigungsanspruch
Die Bestimmung des § 142 ZPO n.F. ist wie die materiellrechtliche Norm des § 809 BGB [→ Besichtigungsanspruch] ein Mittel, einem Beweisnotstand des Klägers zu begegnen, wie er sich gerade im Bereich der besonders verletzlichen technischen Schutzrechte in besonderem Maß ergeben kann1).
Im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes kommt einer Bestimmung wie der des § 142 ZPO n.F. nunmehr auch die Funktion zu, die Maßnahmen zu verwirklichen, die nach Art. 6 der bis zum 26. April 2006 in das nationale Recht umzusetzenden Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (berichtigte Fassung ABl. EG L 195/16 vom 2.6.2004, nachfolgend: Durchsetzungsrichtlinie) zur Vorlage von Beweismitteln vorgesehen sind und die etwa das französische Recht in Form der „saisie contrefaçon“ oder das Recht des Vereinigten Königreichs in Form der „search order“ („Anton Piller Order“) kennen2). Gerade die Regelungen im TRIPS-Übereinkommen und in der Durchsetzungsrichtlinie zeigen zudem, dass eine differenzierte Betrachtung und Anwendung von generell formulierten Bestimmungen wie des § 809 BGB und des § 142 ZPO n.F. in verschiedenen Rechtsgebieten, wie etwa im gewerblichen Rechtsschutz insgesamt und insbesondere bei den technischen Schutzrechten, nicht nur angebracht, sondern jedenfalls insoweit auch geboten ist, als eine differenzierte Regelung nicht spezialgesetzlich erfolgt ist3). An derartigen spezialgesetzlichen Regelungen fehlt es bisher, und sie sind nach dem derzeitigen Stand der Gesetzgebungsarbeiten auch nicht vorgesehen.4)
Ansprüche gegen Dritte: § 142 ZPO n.F. bildet die Grundlage für Vorlageansprüche auch gegen Dritte.
Die Reichweite dieser Bestimmung ist in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt.
Nach verbreiteter Meinung soll sie nicht zur Ausforschung des Betroffenen führen dürfen; auch entbinde sie denjenigen, der sich auf die Urkunde bezieht, nach der Gesetzesbegründung nicht von schlüssigem Vortrag.5) Ein Ausforschungsverbot ist dem Wortlaut dieser Bestimmung allerdings nicht zu entnehmen, jedoch ist sie nach ihrem Absatz 2 Dritten gegenüber dadurch begrenzt, dass Zumutbarkeit und ein Zeugnisverweigerungsrecht nach den §§ 383 bis 385 ZPO Schranken für die Vorlageverpflichtung bilden.6)
Bei Rechtsstreitigkeiten über technische Schutzrechte kann eine Vorlegung von Urkunden oder sonstigen Unterlagen nach § 142 ZPO n.F. jedenfalls dann angeordnet werden, wenn diese zur Aufklärung des Sachverhalts geeignet und erforderlich, weiter verhältnismäßig und angemessen, d.h. dem zur Vorlage Verpflichteten bei Berücksichtigung seiner rechtlich geschützten Interessen nach Abwägung der kollidierenden Interessen zumutbar ist.7)
Als Anlass für eine Vorlageanordnung kann es ausreichen, dass eine Benutzung des Gegenstands des Schutzrechts wahrscheinlich ist.8)
Die Literatur hat allerdings überwiegend konkretisierten Tatsachenvortrag desjenigen verlangt, der die Vorlageanordnung nach § 142 ZPO n.F. begehrt, und eine Ausforschung als unzulässig angesehen.9)
In der Instanzrechtsprechung ist die Erforderlichkeit einer Substantiierung - soweit ersichtlich - durchgehend bejaht und ein „globales“ Vorlageverlangen als nicht ausreichend angesehen worden.10)
Diese Rechtsprechung zu § 809 BGB [→ Besichtigungsanspruch] ist bei Anwendung der Bestimmung des § 142 ZPO n.F. entsprechend heranzuziehen.11)
Ansprüche gegen Dritte: Nach der Wertentscheidung des nationalen Gesetzgebers, die Grundsätze, wie sie gegenüber dem Prozessgegner gelten, mit den Einschränkungen des § 142 Abs. 2 ZPO n.F. auch gegenüber Dritten anzuwenden, kann insoweit nichts anderes gelten.12)
Dabei kann für die Abwägung nach Sachlage auch auf die Intensität des Eingriffs in das Schutzrecht und in die rechtlich geschützten Interessen des von der Vorlage Betroffenen abzustellen sein. Das Zumutbarkeitserfordernis ergibt sich gegenüber dem Prozessgegner anders als bei Dritten allerdings nicht ausdrücklich aus dem Wortlaut der maßgeblichen Norm des § 142 ZPO n.F., es ist aber unmittelbar aus verfassungsrechtlichen Vorgaben, etwa in Art. 12 Abs. 1 GG, abzuleiten.13)
Einschaltung eines zur Verschiegenheit Verpflichteten: Die Einschaltung einer zur Verschwiegenheit verpflichteten Person allein wird jedenfalls nicht ohne weiteres in Betracht kommen.14)
Unkenntlichmachung von Teilen der Unterlagen: Belangen des Dritten könnte erforderlichenfalls jedoch dadurch Rechnung getragen werden, dass diesem gestattet wird, die vorzulegenden Unterlagen soweit unkenntlich zu machen, als rechtlich geschützte Interessen des Dritten einer Vorlage entgegenstehen.15)