Zitate in einem selbständigen Sprachwerk

§ 51 Satz 2 UrhG

Zulässig ist dies [→ Zitate] insbesondere, wenn Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden.

§ 51 Satz 1 UrhG → Zitate

§ 51 Satz 2 Nr. 1 UrhG → Zitate in einem selbständigen wissenschaftlichen Werk
§ 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG → Zitate in einem selbständigen Sprachwerk
§ 51 Satz 2 Nr. 3 UrhG → Zitate in einem selbständigen Werk der Musik

Für den Zitatzweck ist es erforderlich, dass eine innere Verbindung zwischen den verwendeten fremden Werken oder Werkteilen und den eigenen Gedanken des Zitierenden hergestellt wird. Zitate sollen als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden der Erleichterung der geistigen Auseinandersetzung dienen. Es genügt daher nicht, wenn die Verwendung des fremden Wer-kes nur zum Ziel hat, dieses dem Endnutzer leichter zugänglich zu machen oder sich selbst eigene Ausführungen zu ersparen.1)

Das Zitatrecht gemäß § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG hat im Hinblick auf Kunstwerke einen weiteren Anwendungsbereich als bei nichtkünstlerischen Sprachwerken. Die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geforderte kunstspezifische Betrachtung verlangt, bei der Auslegung und Anwendung des § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG die innere Verbindung der zitierten Stellen mit den Gedanken und Überlegungen des Zitierenden über die bloße Belegfunktion hinaus auch als Mittel künstlerischen Ausdrucks und künstlerischer Gestaltung anzuerkennen.2))

Für die Annahme eines Kunstwerks ist es nicht ausreichend, dass der Verfasser eines Berichts über sein berufliches Wirken eigene einleitende Betrachtungen und Tagebucheinträge mit Artikeln aus Zeitungen, Urkunden und Lichtbildern kombiniert. Allein der Umstand, dass eine solche Kombination auch als künstlerische Technik, namentlich als literarische Collage oder Montage, in Betracht kommt, reicht nicht zur Annahme eines Kunstwerks im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG [→ Kunstfreiheit] aus. Erforderlich ist vielmehr, dass das Werk auch die der Kunst eigenen materiellen Strukturmerkmale aufweist, also insbesondere Ergebnis freier schöpferischer Gestaltung ist.3)

Ob das urheberrechtlich geschützte Werk Gegenstand und Gestaltungsmittel einer eigenen künstlerischen Aussage ist oder bloß der Anreicherung des Werks durch fremdes geistiges Eigentum dient, ist auf Grund einer umfassenden Würdigung des gesamten Werkes zu ermitteln.4)

Wird durch ein Kunstwerk in mehrere urheberrechtlich geschützte Werke eingegriffen, entbindet die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geforderte kunstspezifische Betrachtung nicht von der konkreten Prüfung der Voraussetzungen des § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG im Hinblick auf jeden einzelnen Eingriff. Denn die Quali-fizierung des zitierenden Sprachwerks im Sinne des § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG als Kunstwerk allein reicht für die Annahme dieser Schutzschranke nicht aus. Zu prüfen bleibt ferner das Erfordernis der inneren Verbindung der zitierten Stellen mit den Gedanken und Überlegungen des Zitierenden. Denn die durch eine verfassungskonforme Auslegung geforderte Erweiterung des Zitatrechts besteht allein darin, dass die für den Zitatzweck erforderliche innere Verbindung nicht auf die Funktion als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden zum Zwecke der Erleichterung der geistigen Auseinandersetzung begrenzt ist, sondern darüber hinaus auch die Eigenschaft als Mittel des künstlerischen Ausdrucks und der künstlerischen Gestaltung anerkannt werden muss.5)

Zitate sollen zur Erleichterung der geistigen Auseinandersetzung Belegfunktion haben.6)

siehe auch

Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG → Kunstfreiheit

1)
BGH, Urteil vom 30. November 2011 I ZR 212/10 - Blühende Landschaften; m.V.a. BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 69/08, BGHZ 185, 291 Rn. 26 - Vorschaubilder I, mwN
2)
BGH, Urteil vom 30. November 2011 I ZR 212/10 - Blühende Landschaften; m.V.a. BGH, Urteil vom 30. November 2011 I ZR 212/10 - Blühende Landschaften; m.V.a. BVerfG, GRUR 2001, 149, 151 Germania 3
3)
BGH, Urteil vom 30. November 2011 I ZR 212/10 - Blühende Landschaften
4)
BGH, Urteil vom 30. November 2011 I ZR 212/10 - Blühende Landschaften; m.V.a. BVerfG, GRUR 2001, 149, 152 - Germania 3
5)
BGH, Urteil vom 30. November 2011 I ZR 212/10; m.V.a. BVerfG, GRUR 2001, 149, 151 - Germania 3
6)
OLG Jena, Urteil v. 27.02.2008 - Az.: 2 U 319/07; m.V.a. BGH GRUR 1986, 59, 60 - Geistchristentum