Schutz technischer Maßnahmen

§ 95a (1) UrhG

Wirksame technische Maßnahmen zum Schutz eines nach diesem Gesetz geschützten Werkes oder eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutzgegenstandes dürfen ohne Zustimmung des Rechtsinhabers nicht umgangen werden, soweit dem Handelnden bekannt ist oder den Umständen nach bekannt sein muss, dass die Umgehung erfolgt, um den Zugang zu einem solchen Werk oder Schutzgegenstand oder deren Nutzung zu ermöglichen.

§ 95a (2) UrhG → Technische Maßnahmen zum Schutz eines nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Werkes
§ 95a (3) UrhG → Verbote zum Schutz technischer Maßnahmen
§ 95a (4) UrhG → Ausnahmen von den Verboten zum Schutz technischer Maßnahmen

Gemäß § 95a Abs. 3 Nr. 3 UrhG sind (unter anderem) die Einfuhr, die Verbreitung, der Verkauf, die Werbung im Hinblick auf den Verkauf und der gewerblichen Zwecken dienende Besitz von Vorrichtungen, Erzeugnissen oder Bestandteilen verboten, die hauptsächlich entworfen oder hergestellt werden, um die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen zu ermöglichen oder zu erleichtern.1)

Die Bestimmung des § 95a Abs. 3 UrhG ist ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Inhaber von Rechten an urheberrechtlich geschützten Werken oder anderen urheberrechtlich geschützten Schutzgegenständen.2)

Wer gegen diese Bestimmung verstößt, kann daher vom Rechtsinhaber gemäß § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden.3)

Da ein Verstoß gegen § 95a Abs. 3 UrhG kein Verschulden des Verletzers voraussetzt.4)

Die Bestimmung des § 95a Abs. 3 UrhG ist auf Viedeospiele anwendbar. Dem steht nicht entgegen, dass die Videospiele nicht nur aus Sprach-, Musik-, Lichtbildund Filmwerken sowie Laufbildern, sondern auch aus Computerprogrammen bestehen und die Vorschriften der §§ 95a bis 95d UrhG gemäß § 69a Abs. 5 UrhG auf Computerprogramme keine Anwendung finden.5)

§ 95a Abs. 3 UrhG setzt Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG nahezu wörtlich ins deutsche Recht um. Beide Bestimmungen regeln den Schutz von Maßnahmen zum Schutz urheberrechtlich geschützter Werke. Für den Schutz von Maßnahmen zum Schutz von Computerprogrammen sehen allerdings die Vorschrift des Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2009/24/EG und die zu ihrer Umsetzung ergangene Bestimmung des § 69f Abs. 2 UrhG eine besondere - weniger weitreichende - Regelung vor. Zudem bestimmt Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG, dass die Richtlinie 2001/29/EG - und damit auch deren Art. 6 Abs. 2 - die bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über den rechtlichen Schutz von Computerprogrammen unberührt lässt. Die zur Umsetzung dieser Vorschrift dienende Regelung des § 69a Abs. 5 UrhG bestimmt unter anderem, dass die Regelung des § 95a Abs. 3 UrhG nicht auf Computerprogramme anwendbar ist. Die von den Klägerinnen vertriebenen Videospiele bestehen nicht nur aus Sprach-, Musik-, Lichtbild- und Filmwerken; vielmehr liegen ihnen auch Computerprogramme zugrunde. Deshalb stellt sich die Frage, ob sich der Schutz von Maßnahmen zum Schutz solcher „hybriden Produkte“ wie insbesondere Videospiele nach den speziell für Computerprogramme oder nach den allgemein für Werke geltenden Bestimmungen richtet oder ob sowohl die einen wie auch die anderen Bestimmungen anwendbar sind. Da diese Frage die Auslegung des Unionsrechts betrifft, hat der BGH sie dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.6)

Die Vorschrift des § 95a UrhG beruht auf Art. 6 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft. Nach Art. 8 Abs. 1 dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten bei Verletzungen der in der Richtlinie festgelegten Rechte und Pflichten angemessene Sanktionen und Rechtsbehelfe vorzusehen und alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um deren Anwendung sicherzustellen. Die betreffenden Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

Bei der Auslegung der Richtlinie sowie des ihrer Umsetzung dienenden nationalen Rechts (§ 95a UrhG) sind nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 EU-Grundrechtecharta die in dieser niedergelegten Grundrechte zu beachten.7) Die Grundrechte auf freie Meinungsäußerung und auf freie Berichterstattung (Art. 11 Abs. 1 und 2 EU-Grundrechtecharta) dürfen nur unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eingeschränkt werden.8)

siehe auch

1)
BGH, Urteil vom 2. März 2017 - I ZR 273/14 - Videospiel-Konsolen III
2)
BGH, Urteil vom 2. März 2017 - I ZR 273/14 - Videospiel-Konsolen III; m.V.a. BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 - I ZR 219/05, GRUR 2008, 996 Rn. 14 bis 16 = WRP 2008, 1149 - Clone-CD
3)
BGH, Urteil vom 2. März 2017 - I ZR 273/14 - Videospiel-Konsolen III; m.V.a. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 - I ZR 124/11, GRUR 2013, 1035 Rn. 11 = WRP 2013, 1355 - Videospiel-Konsolen I
4)
BGH, Urteil vom 2. März 2017 - I ZR 273/14 - Videospiel-Konsolen III; m.V.a. BGH, GRUR 2008, 996 Rn. 24 - Clone-CD), tritt die Ersatzpflicht gemäß § 823 Abs. 2 Satz 2 BGB allerdings nur im Falle des Verschuldens ein
5)
BGH, Urteil vom 2. März 2017 - I ZR 273/14 - Videospiel-Konsolen III; m.V.a. BGH, GRUR 2015, 672 Rn. 40 bis 44 - Videospiel-Konsolen II
6)
BGH, Beschluss vom 6. Februar 2012 - I ZR 124/11 - Videospiel-Konsole
7)
BGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - I ZR 191/08 - AnyDVD; m.V.a. EuGH, Urteil vom 20. Mai 2003 - C-465/00, Slg. 2003, I-4989 = EuGRZ 2003, 232 Rn. 68, 80 - Rechnungshof/Österreichischer Rundfunk u.a.; BVerfK 10, 153 = GRUR 2007, 1064 Rn. 20; Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2010, Art. 51 Rn. 16
8)
BGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - I ZR 191/08 - AnyDVD; m.V.a. Jarass aaO Art. 11 Rn. 19, 42 mwN