Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr

Nach der Regelung in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 RVG VV wird die wegen desselben Gegenstands entstandene Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet, bei Wertgebühren jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75. Bei einer wertabhängigen Gebühr erfolgt nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 5 die Anrechnung nach dem Wert des Gegenstands, der auch Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist.1)

Nach dem Inkrafttreten des § 15a RVG, der in seinem Absatz 2 bestimmt, dass sich ein Dritter nur unter bestimmten Voraussetzungen auf die Anrechnung berufen kann, haben die mit dieser Vorschrift befassten Senate des Bundesgerichtshofs den Standpunkt eingenommen, dass die Regelung in § 15a RVG die bisherige Rechtslage nicht geändert, sondern diese lediglich klargestellt hat.2)

Fällt die Geschäftsgebühr für die vorgerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts mehrfach an und werden die vorgerichtlich geltend gemachten Ansprüche im Wege objektiver Klagehäufung in einem einzigen gerichtlichen Verfahren verfolgt, so dass die Verfahrensgebühr nur einmal anfällt, sind alle entstandenen Geschäftsgebühren in der tatsächlichen Höhe anteilig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.3)

Die Anrechnung soll ausschließen, dass ein und dieselbe Tätigkeit doppelt - durch die Geschäfts- und zusätzlich durch die Verfahrensgebühr - vergütet wird. Der Umfang der durch das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information veranlassten anwaltlichen Tätigkeit wird entscheidend davon beeinflusst, ob der Anwalt durch eine vorgerichtliche Tätigkeit bereits mit der Angelegenheit befasst war (BGH, Urteil vom 25. September 2008 - IX ZR 133/07, NJW 2008, 364 Rn. 16). Unter der Geltung der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte wurde die Geschäftsgebühr auf die Prozessgebühr gemäß § 31 Nr. 1 BRAGO in vollem Umfang angerechnet (§ 118 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 BRAGO). Demgegenüber soll nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz dem Rechtsanwalt grundsätzlich ein Teil der Geschäftsgebühr verbleiben. Entsteht jedoch wie im Streitfall die Geschäftsgebühr mehrfach, weil der Rechtsanwalt mehrfach vorgerichtlich tätig wird, und fällt im anschließenden gerichtlichen Verfahren die Verfahrensgebühr nur einmal an, kann eine Reduzierung der Verfahrensgebühr oder deren Wegfall infolge der Anrechnung nicht als unbillig angesehen werden, weil sie im Ergebnis der früheren Rechtslage entspricht. Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass die Gefahr eines negativen Saldos (vgl. OLG Koblenz, JurBüro 2009, 304) nicht besteht, weil eine Anrechnung maximal in der Höhe der Gebühr erfolgen kann, auf die angerechnet wird.4)

Es kommt nicht in Betracht, statt einer Anrechnung von jeweils einer 0,65fachen Geschäftsgebühr einen quotalen Anteil der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen, der dem Verhältnis entspricht, den der Gegenstand der vorgerichtlichen Tätigkeit am Gesamtstreitwert des gerichtlichen Verfahrens hat.5)

Für den Fall, dass vorgerichtlich auf Seiten mehrerer Personen gesonderte Geschäftsgebühren angefallen sind, diese Personen jedoch in einem Klageverfahren gemeinschaftlich vertreten werden, wird in der Rechtsprechung allerdings die Auffassung vertreten, dass die vorprozessual für mehrere Gegenstände angefallenen Geschäftsgebühren auf die spätere Verfahrensgebühr entsprechend dem Anteil des jeweiligen Gegenstands am gerichtlichen Verfahren angerechnet werden müssten.6)

siehe auch

Geschäftsgebühr

1) , 3) , 4) , 5)
BGH, Beschluss vom 28. Februar 2017 - I ZB 55/16
2)
BGH, Beschl. v. 3. Februar 2011 - I ZB 47/10; m.w.N.
6)
BGH, Beschluss vom 28. Februar 2017 - I ZB 55/16; m.V.a. OLG Frankfurt, AGS 2009, 569, 570; BayVGH, Beschluss vom 23. Januar 2008 - 6 C 07.238, juris Rn. 6