Erlöschen eines Schuldverhältnisses

§ 362 (1) BGB

Das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.

Ein Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger - endgültig - bewirkt worden ist.1)

Hieran fehlt es, wenn der Schuldner ohne Anerkennung seiner Schuld unter Vorbehalt einer Rückforderung ohne Veränderung der den Gläubiger treffenden Beweislast seine Leistung erbringt.2).

Ein solcher Vorbehalt ist in aller Regel anzunehmen, wenn die Zahlung des Schuldners an den Gläubiger aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung erfolgt.3)

Das gilt auch dann, wenn die Zahlung vor Einlegung des Rechtsmittels erfolgt; denn der Schuldner muss bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft grundsätzlich davon ausgehen, dass der Gläubiger das vorläufig vollstreckbare Urteil nicht als abschließende Regelung des Streitverhältnisses hinnehmen will, sondern lediglich zahlt, um eine Vollstreckung des Titels auszuschließen.4)

Wird aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil, einem Arrestbefehl oder einer einstweiligen Verfügung vollstreckt, tritt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Erfüllung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB und damit auch keine Erledigung ein. Dasselbe gilt für Leistungen, die erkennbar zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel erbracht werden. In beiden Fällen wird unter dem Vorbehalt des Rechtskrafteintritts geleistet, sofern der Schuldner nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt.5) Die Partei, gegen die ein Versäumnisurteil ergangen ist, kann sich dabei auch ohne Androhung einer Zwangsvollstreckung aus dem ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Versäumnisurteil veranlasst sehen, den ausgeurteilten Betrag nebst Zinsen zu begleichen, um zum Beispiel ein weiteres Auflaufen von Zinsen zu verhindern.6) Ob nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlt wird oder der Klageanspruch (endgültig) erfüllt werden soll, richtet sich nach den dem Zahlungsempfänger erkennbaren Umständen des Einzelfalls.7)

§ 362 (2) BGB

Wird an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung geleistet, so finden die Vorschriften des § 185 Anwendung.

siehe auch

1)
BGH, Urt. v. 19. November 2008 - X ZR 39/08
2)
BGH, Urt. v. 19. November 2008 - X ZR 39/08; m.V.a. BGHZ 86, 267, 269; BGHZ 139, 357, 368
3)
BGH, Urt. v. 19. November 2008 - X ZR 39/08; m.V.a. BGHZ 86, 267, 269; BGH, Urt. v. 24.6.1981 - IVa ZR 104/80, NJW 1981, 2244; Urt. v. 24.11.2006 - LwZR 6/05, NJW 2007, 1269, 1270
4)
BGH, Urt. v. 19. November 2008 - X ZR 39/08; m.V.a. BGH, Beschl. v. 25.5.1976 - III ZB 4/76, WM 1976, 1069 f.
5)
BGH, Urteil vom 27. Januar 2022 - I ZR 7/21; m.V.a. BGH, Urteil vom 14. März 2014 - V ZR 115/13, NJW 2014, 2199 Rn. 8 mwN; Urteil vom 19. November 2014 - VIII ZR 191/13, BGHZ 203, 256 Rn. 19
6)
BGH, Urteil vom 27. Januar 2022 - I ZR 7/21; zu der in der Berufungsinstanz unterlegenen Partei vgl. BGH, Urteil vom 16. November 1993 - X ZR 7/92, NJW 1994, 942, 943 [juris Rn. 13]; zum Wegfall des Anspruchs auf Verzugs- und Prozesszinsen auch durch eine nicht zur Erfüllung führende Leistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1981 - IVa ZR 104/80, NJW 1981, 2244 [juris Rn. 27 bis 29]; Urteil vom 15. März 2012 - IX ZR 35/11, NJW 2012, 1717 Rn. 11 mwN; Staudinger/ Olzen, BGB [2016], § 362 Rn. 36; MünchKomm.BGB/Ernst, 8. Aufl., § 286 Rn. 103; Krüger, NJW 1990, 1208, 1211 bis 1213
7)
BGH, Urteil vom 27. Januar 2022 - I ZR 7/21; m.V.a. BGH, NJW 1994, 942, 943 [juris Rn. 12]; Krüger, NJW 1990, 1208, 1210