Für Erfindungen, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde, werden keine Patente erteilt; ein solcher Verstoß kann nicht allein aus der Tatsache hergeleitet werden, dass die Verwendung der Erfindung durch Gesetz oder Verwaltungsvorschrift verboten ist.
§ 2 Abs. 1 PatG entspricht im Wesentlichen dem § 2 Nr. 1 PatG i. d. F vom 27. März 1992.
§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 PatG ist neu eingefügt und enthält beispielhaft eine Reihe besonders wichtiger Fälle, in denen auf jeden Fall ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung vorliegt und ein Patent nicht erteilt werden darf.1)
Insbesondere werden Patente nicht erteilt für Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen;
Insbesondere werden Patente nicht erteilt für Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des menschlichen Lebewesens;
Insbesondere werden Patente nicht erteilt für die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken;
Die Verwendung von menschlichen Embryonen für industrielle oder kommerzielle Zwecke gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PatG unterliegt als spezieller Fall eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten gemäß § 2 Abs. 1 PatG denselben Anforderungen, die für das Patentierungsverbot wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten allgemein im Rahmen des § 2 Abs. 1 PatG gelten. Danach ist eine Erfindung nur dann von der Patentierung ausgeschlossen, wenn sie in jedem Fall ihres bestimmungsgemäßen Gebrauchs, wie er sich aus den Patentansprüchen und der Beschreibung ergibt, zu einer Verletzung elementarer Rechtsgüter führen würde. Die bloße Möglichkeit einer missbräuchlichen Verwertung reicht nicht aus.2)
Eine auf den Gegenstand der Erfindung beschränkte Auslegung des Begriffs der Verwendung von menschlichen Embryonen widerspricht auch dem Sinn und Zweck des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PatG, der gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 PatG von den Grundsätzen des Embryonenschutzgesetzes bestimmt wird.3)
Eine auf den Gesamtinhalt der Erfindung bezogene weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals der „Verwendung von menschlichen Embryonen“ wird ferner gestützt durch die rechtlichen Erwägungen, die dem Gesetz zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen vom 28. Juni 2002 (Stammzellgesetz - StZG) zugrunde liegen.4)
Eine Erfindung fällt insoweit unter das Patentierungsverbot des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PatG, als ihr Gegenstand auch eine solche Ausführungsform - hier: neuronale Nervenzellen aus embryonalen Stammzellen menschlicher Herkunft - betrifft, bei deren gewerblicher Verwertung die Verwendung die Vernichtung menschlicher Embryonen zur Gewinnung von embryonalen Stammzellen unabdingbare Voraussetzung ist.5)
Die Tatsache, dass die Verwendung menschlicher Embryonen im Rahmen der wirtschaftlichen Verwertung eines Patents erfolgt, kann zwar nicht per se als industrieller oder kommerzieller Zweck angesehen werden.6)
Für Erfindungen mit therapeutischer oder diagnostischer Zielrichtung, die dem menschlichen Embryo zu dessen Nutzen dient, soll der Ausschluss von der Patentierbarkeit auf keinen Fall gelten.7)
Das Patentierungsverbot des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PatG wird nicht dadurch ausgeräumt, dass nach dem Stammzellgesetz die Einfuhr und Verwendung solcher menschlicher embryonaler Stammzellen, die im Herkunftsland vor dem 1. Januar 2002 gewonnen wurden, unter sehr strengen Voraussetzungen für hochrangige Forschungszwecke erlaubt ist.8)
Insbesondere werden Patente nicht erteilt für Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren, die geeignet sind, Leiden dieser Tiere ohne wesentlichen medizinischen Nutzen für den Menschen oder das Tier zu verursachen, sowie die mit Hilfe solcher Verfahren erzeugten Tiere.
Bei der Anwendung der Nummern 1 bis 3 sind die entsprechenden Vorschriften des Embryonenschutzgesetzes maßgeblich.
Der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentierbarkeit nach § 2 PatG i. d. F. vom 21. Januar 2005 liegt vor, wenn die Verwertung der Erfindung des Streitpatents jedenfalls nach den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen in dem Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtigkeitsklage gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde.9)
Die Prüfung der Rechtsbeständigkeit eines Patents im Nichtigkeitsverfahren richtet sich zwar grundsätzlich nach dem im Zeitpunkt der Patenterteilung geltenden Recht, das in der Regel dem Recht am Anmelde- oder Prioritätstag entspricht10) Dieser Grundsatz ist in dem Fall des Nichtigkeitsgrundes der mangelnden Patentierbarkeit wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten aber nicht anzuwenden.11)
Auch ein bereits erteiltes Patent darf nicht in seinem Bestand erhalten bleiben, wenn jedenfalls nach den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen in dem für die Entscheidung über die Nichtigkeitsklage maßgebenden Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung feststeht, dass die Erfindung nicht anders als unter Verstoß gegen die Rechts- oder Sittenordnung verwertet werden könnte. Änderungen der Rechtslage oder der tatsächlichen Umstände, z. B. technische Fortentwicklungen, sind bei der Entscheidung aber auch mit Wirkung zugunsten des Patentinhabers zu berücksichtigen.12)
Der Patentierungsausschlusses bezieht sich im Gegensatz zu den anderen Nichtigkeitsgründen des § 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 PatG nicht auf die Erfindung selbst und ihre nach der Rechtslage am Anmelde- der Prioritätstag vorzunehmende technische Prüfung, sondern knüpft an die Verwertung der Erfindung nach Patenterteilung an. Als zukunftsbezogener Vorgang ist die Verwertung grundsätzlich nicht Gegenstand der patentrechtlichen Prüfung. Sie ist nur ausnahmsweise dann zu berücksichtigen, wenn sich aus dem Gesamtinhalt der Lehre der Erfindung offenkundig ergibt, dass sie - entweder insgesamt oder teilweise - in jedem Fall ihres bestimmungsgemäßen Gebrauchs gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde. Eine solche Erfindung darf vom Staat nicht als patentwürdig anerkannt und durch die Erteilung eines Patents belohnt und geschützt werden13). Der jeweilige Entscheidungsträger, sei es das Patentamt oder das Patentgericht, muss als Ausdruck der Achtung der öffentlichen Ordnung und der guten Sitten jeden Anschein einer staatlichen Billigung gesetzes- oder sittenwidriger Handlungen oder gar der Mitwirkung an der Vorbereitung solcher Handlungen vermeiden14).15)