§ 263 ZPO →Sachdienlichkeit der Klageänderung
Nach der Rechtsprechung des Senats sind die Prüfungs- und Entscheidungsbefugnisse, die dem Patentamt nach einem Einspruch gegen ein erteiltes Patent und dem Patentgericht in einem sich daran anschließenden Beschwerdeverfahren zukommen, nicht deckungsgleich.1)
Das Patentamt muss zwar alle Einspruchsgründe prüfen, die von den Beteiligten ordnungsgemäß vorgebracht und begründet worden sind2). Es darf das Patent zudem nur dann in einer geänderten Fassung aufrechterhalten, wenn der Patentinhaber ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis erklärt hat.3).4)
Das Patentamt ist aber befugt, von Amts wegen weitere Widerrufsgründe zu prüfen. Gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG hat es das Verfahren sogar dann von Amts wegen fortzusetzen, wenn der Einspruch zurückgenommen wird. Diese umfassende Prüfungsbefugnis entspricht, wie auch das Patentgericht im Ansatz zutreffend ausgeführt hat, der Zielrichtung des Einspruchsverfahrens, das Patent in einem unmittelbar an seine Erteilung anschließenden, einfach gestalteten Verfahren zu überprüfen.5)
Der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens wird nach der Rechtsprechung des Senats auch durch die Widerrufsgründe bestimmt, die Gegenstand des Einspruchsverfahrens vor dem Patentamt waren. Deshalb ist es dem Patentgericht verwehrt, von Amts wegen andere Widerrufsgründe in das Verfahren einzuführen.6)
Das BPatG ist nicht befugt, im Einspruchsbeschwerdeverfahren von Amts wegen neue Widerrufsgründe, die nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens vor dem DPMA waren, aufzugreifen und hierauf seine Entscheidung zu stützen.7)
Die Befugnis des Beschwerdeführers, den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens zu bestimmen, hindert das Patentgericht zwar nicht daran, innerhalb des damit vorgegebenen Rahmens den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 87 Abs. 1 PatG) und - wie jedes Gericht - die einschlägigen Rechtsvorschriften unabhängig von Vorbringen der Parteien heranzuziehen. Der Rückgriff auf zusätzliche Widerrufsgründe im Beschwerdeverfahren kann aber nicht als bloße Erforschung des Sachverhalts oder Rechtsanwendung angesehen werden.8)
Zum Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens gehören folglich nur diejenigen Widerrufsgründe, die zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden. Dies sind grundsätzlich nur diejenigen Widerrufsgründe, die die Beteiligten im Einspruchsverfahren vor dem Patentamt geltend gemacht haben oder die das Patentamt von Amts wegen aufgegriffen hat, nicht aber sonstige Widerrufsgründe, die das Patentamt aufgrund seiner umfassenden Prüfungsbefugnis ebenfalls hätte aufgreifen können.9)
Ein Widerrufsgrund, den der Einsprechende erstmals im Beschwerdeverfahren geltend gemacht hat, ist nach Maßgabe von § 263 ZPO [§ 263 ZPO →Sachdienlichkeit der Klageänderung] zu berücksichtigen.10)
Der dafür maßgebliche Gesichtspunkt der Dispositionsbefugnis steht einer Berücksichtigung von zusätzlichen Widerrufsgründen, die der Einsprechende geltend macht, nicht entgegen. Gerade weil es Sache des Beschwerdeführers ist, den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens zu bestimmen, erscheint es im Ansatz sogar konsequent, einen zusätzlichen Widerrufsgrund, den der Einsprechende als Beschwerdeführer oder im Rahmen einer Anschlussbeschwerde geltend macht, zum Verfahrensgegenstand zu zählen.11)