§ 240 ZPO → Unterbrechung durch Insolvenzverfahren
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird das Einspruchsverfahren gemäß § 240 ZPO, der in den justizförmigen Verfahren des Patentamts analog angewandt wird, unterbrochen.1)
Für Verfahren nach dem Patentgesetz ist anerkannt, dass diese im Falle der Insolvenz des Patentanmelders, Patentinhabers, Einsprechenden oder Nichtigkeitsklägers Unterbrechung werden.2)
Dies gilt gem. Art. 15 EuInsVO, der eine Sonderanknüpfung enthält, auch für die Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens; maßgebend ist danach das Recht des Mitgliedstaats, in dem der Rechtsstreit anhängig ist. Wird ein Insolvenzverfahren in einem anderen Mitgliedstaat eröffnet und ist ein Rechtsstreit in Deutschland anhängig, so ist § 240 ZPO anzuwenden, der eine Unterbrechung des Prozesses vorsieht. Im Anwendungsbereich der EuInsVO entfaltet die Verfahrenseröffnung in einem anderen Mitgliedstaat unionsweit ipso iure die Wirkungen, die ihr im Eröffnungsstaat zukommen (Art. 17 EuInsVO). Die Verordnung will Eröffnungsentscheidungen in anderen Mitgliedstaaten den inländischen weitgehend gleichstellen (Musielak/Stadler, ZPO, 9. Auflage, § 240 Rn. 4). Zu prüfen bleibt allerdings, welche weiteren Folgen sich aus der - anerkannten - Insolvenzverfahrenseröffnung ergeben.3))
Gem. Art. 15 EuInsVO muss der zu unterbrechende Rechtsstreit allerdings zum Zeitpunkt des Erlasses des Eröffnungsbeschlusses „anhängig“ gewesen sein. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen Aktiv- oder Passivprozess des Gemeinschuldners handelt.4)
Wird der Prozess jedoch erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, in Unkenntnis der bereits erfolgten Eröffnung im Ausland bei Gericht anhängig gemacht, ist fraglich, ob nicht allenfalls ein Ruhen des Verfahrens in Betracht kommt. Sinn und Zweck der Aussetzung ist es, dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit zu geben, sich einzuarbeiten, um Ansprüche der Gläubiger gegen den Gemeinschuldner realisieren zu können. Ob stattdessen nur ein Ruhen des Verfahrens anzuordnen ist, kann dahingestellt bleiben, da zum einen dessen Voraussetzungen gem. § 251 ZPO mangels eines beidseitigen Antrags nicht vorliegen und zum anderen die Aussetzung mangels weiterer Voraussetzungen nicht zu gewähren ist.5)
Das nach italienischem Insolvenzrecht vor der Insolvenzeröffnung liegende freiwillige Vergleichsverfahren (concordato preventivo) über das Vermögen desPatentinhabers gilt nach Art. 2 Ziff. a) und b) Anhang A EuInsVO als Insolvenzverfahren i. S. v Art. 1 Abs. 1 EuInsVO und führt, sofern das Streitpatentbei Anhängigkeit des Nichtigkeitsverfahrens noch die Insolvenzmasse betrifft,zur Unterbrechung des Verfahrens. Der im freiwilligen Vergleichsverfahren bestellte Verwalter (liquidatore giudiziale) verfügt nach (im deutschen Verfahrenmaßgeblichen) italienischem Recht jedoch noch nicht über die Verwaltungsund Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Gemeinschuldners.6))
Die Verfahrensunterbrechung nach § 240 ZPO setzt zudem voraus, dass der Verfahrensgegenstand ein Vermögenswert ist, der die Insolvenzmasse unmittelbar oder mittelbar betrifft; eine nur wirtschaftliche Beziehung zur Masse reicht nicht aus.7)
Ob von dem Rechtsstreit die Insolvenzmasse betroffen ist, ist nach dem anwendbaren Insolvenzstatut zu ermitteln.8)
Die Frage, welche Vermögenswerte zur Masse gehören, richtet sich nach der lex fori concursus gem. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Ziff. b) EuInsVO.9))
Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des als Patentinhaber im Register Eingetragenen wird die danach ablaufende Frist zur Zahlung einer fälligen Jahresgebühr nicht unterbrochen.10)
→ Unterbrechung des Verfahrens (Verfahrensrecht)