EU-weite Erschöpfung (Patente)

Für den Fall, daß das Inverkehrbringen des patentgeschützten Gegenstandes durch den Patentinhaber oder mit dessen Zustimmung durch einen Dritten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft erfolgt, ergibt sich die Erschöpfung des Patentrechts aus Art. 28 des EG-Vertrages. Danach sind grundsätzlich alle mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten.1)

Nach der Ausnahmevorschrift des Art. 30 EG-Vertrag stehen Art. 28 jedoch solche Einfuhrverbote oder -beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten nicht entgegen, die zum Schutze des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) fallen darunter aber nur die Einfuhrverbote und -beschränkungen, die den spezifischen Gegenstand dieses Eigentums betreffen. Dieser liegt beim Patentrecht darin, daß der Inhaber zum Ausgleich für seine Erfindertätigkeit das ausschließliche Recht erlangt, gewerbliche Erzeugnisse herzustellen und in Verkehr zu bringen, mithin die Erfindung entweder selbst oder im Wege der Lizenzvergabe an Dritte zu verwerten, und daß er ferner das Recht erlangt, sich gegen jegliche Zuwiderhandlung zur Wehr zu setzen.2).

Der spezifische Gegenstand des Patents ist jedoch dann nicht betroffen und infolgedessen ein auf eine Patentverletzung gestütztes Einfuhrverbot nicht gerechtfertigt, wenn das erfindungsgemäße Erzeugnis in dem Mitgliedstaat, aus dem es eingeführt wird, durch den Inhaber selbst oder mit dessen Zustimmung auf den Markt gebracht worden ist3), ohne daß es darauf ankommt, ob das betreffende Erzeugnis in diesem Mitgliedstaat überhaupt patentfähig ist4).

Denn wäre der Patentinhaber befugt, die Einfuhr von patentgeschützten Gegenständen zu unterbinden, die in einem anderen Mitgliedstaat durch ihn oder mit seiner Zustimmung in den Verkehr gelangt sind, würde ihm die Möglichkeit eröffnet, die nationalen Märkte abzuriegeln und auf diese Weise den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beschränken, ohne daß eine derartige Beschränkung notwendig wäre, um ihm die aus den Parallelpatenten fließenden Ausschließlichkeitsrechte in ihrer Substanz zu erhalten.5).

Außerdem hat der Patentinhaber, der sich in Kenntnis der Sachlage über die Bedingungen entscheidet, unter denen er sein Erzeugnis in den Verkehr bringt, die Konsequenzen seiner Wahl hinzunehmen, soweit es um den Verkehr des Erzeugnisses innerhalb des Gemeinsamen Marktes geht.6)

Gleiche Grundsätze gelten für die den Europäischen Wirtschaftsraum angehörigen Staaten.7)

siehe auch

1)
BGH, Urteil vom 14.12.1999 - X ZR 61/98 - Karate
2)
EuGH Slg. 1974, 1147, 1163 = GRUR Int. 1974, 454 - Centrafarm; Slg. 1981, 2063, 2080 = GRUR 1982, 47, 48 - Merck/Stephar; Slg. 1985, 2281, 2298 = GRUR Int. 1985, 822, 824 - Pharmon; Slg. 1996, 6371, 6384 = GRUR Int. 1997, 250 - Merck/Primecrown; Slg. 1997, 3954, 3961 f. = GRUR Int. 1997, 911, 912 - Generics/Sunth Kline
3)
EuGH, a.a.O. - Centrafarm
4)
EuGH, a.a.O. - Merck/Stephar; EuGH, a.a.O. - Merck/Primecrown
5)
BGH, Urteil vom 14.12.1999 - X ZR 61/98 - Karate m.V.a. EuGH, a.a.O. - Centrafarm; a.a.O. - Merck/Stephar; a.a.O. - Merck/Primecrown
6)
EuGH, a.a.O. - Merck/Stephar; a.a.O. - Merck/Primecrown
7)
vgl. Art. 2 Protokoll 28 über geistiges Eigentum zum EWR-Abkommen; BGBl. 1993 II, 414