Ausführbarkeit von Erfindungen bei beanspruchten Wertebereichen

Ein nur in einer Richtung begrenzter Wertebereich kann ausführbar offenbart sein, wenn sich die Erfindung nicht in der Eröffnung eines bestimmten Bereichs erschöpft, sondern eine darüber hinausgehende, verallgemeinerbare Lehre aufzeigt, die es dem Fachmann erstmals ermöglicht, nach weiteren Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen und den im Patent konkret aufgezeigten Höchstwert zu übertreffen.1)

Fehlt es an einer verallgemeinerbaren Lehre in diesem Sinne, ist ein nach oben begrenzter Bereich nur dann ausführbar offenbart, wenn das Patent mindestens ein konkretes Ausführungsbeispiel schildert, das den beanspruchten Höchstwert erreicht, oder konkrete Hinweise gibt, wie ausgehend von den geschilderten Beispielen eine weitere Steigerung zu erreichen ist.2)

Diese Grundsätze gelten entsprechend für eine beanspruchte Untergrenze, wenn es nicht ohne weiteres möglich ist, einen niedrigen Wert zu erzielen.3)

Es steht der Ausführbarkeit der patentierten Lehre nicht entgegen, dass ein im Ausführungsbeispiel genannter spezieller Mindestwert möglicherweise fehlerbehaftet ist. Auch ist es unschädlich, dass dieser Mindestwert von äußeren Umständen abhängt und deshalb über einen gewissen Wertebereich streut. Es ist zumutbar, dass der Fachmann anhand der richtungsweisenden Angaben in der Streitpatentschrift noch Versuche durchzuführen hat, um auf diese Weise im konkreten Anwendungsfall den zur Nacharbeitung der geschützten Lehre benötigten Mindestwert zu ermitteln. Nach einer Entscheidung des 34. Senats sind fehlerhafte Angaben im Patentanspruch zumindest dann unschädlich, wenn der Fachmann dies ohne weiteres erkennt und mit Hilfe der übrigen Anmeldeunterlagen problemlos richtig zu stellen vermag.4)

Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn das Patent lediglich ein neues Verfahren zur Verfügung stellt, mit dem ein im Stand der Technik bekannter Stoff mit verbesserten Eigenschaften hergestellt werden kann.5)

Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, beruht eine spätere Erfindung, die den vom Patent aufgezeigten Ansatz nutzt und durch zusätzliche oder abgewandelte Maßnahmen zu weiteren Verbesserungen führt, auf dem Beitrag, den das Patent zum Stand der Technik geleistet hat.6)

Eine Patentanmeldung, die Schutz für ein Verfahren zur Diagnose einer bestimmten Erkrankung mit Hilfe eines bestimmten Stoffs als Marker beansprucht und als bevorzugte Ausführungsform die Heranziehung von Schwellenwerten aus einem bestimmten Bereich benennt, bildet keine ausreichende Offenbarungsgrundlage für ein Patent, das einen deutlich weiteren Bereich beansprucht, wenn die Anmeldung keine Hinweise darauf enthält, welche Wertebereiche neben dem als bevorzugt angeführten ebenfalls als vorteilhaft in Betracht kommen.7)

siehe auch

§ 34 (4) PatG → Ausführbarkeit der Erfindung
Die Erfindung muss so offenbart werden, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

1)
BGH, Urteil vom 3. Dezember 2024 - X ZR 131/22 - Cer-Zirkonium-Mischoxid III; Bestätigung von BGH, Urteile vom 12. März 2019 - X ZR 32/17, GRUR 2019, 713 Rn. 45 - Cer-Zirkonium-Mischoxid I; X ZR 34/17, GRUR 2019, 718 Rn. 26 - Cer-Zirkonium-Mischoxid II
2)
BGH, Urteil vom 3. Dezember 2024 - X ZR 131/22 - Cer-Zirkonium-Mischoxid III; Bestätigung von BGH, Urteil vom 6. April 2021 - X ZR 54/19, GRUR 2021, 1043 Rn. 59 - Cerdioxid
3)
BGH, Urteil vom 3. Dezember 2024 - X ZR 131/22 - Cer-Zirkonium-Mischoxid III
4)
BPatG, Beschl. v. 04.02.2003, 34 W (pat) 18/00
5) , 6)
BGH, Urteil vom 12. März 2019 - X ZR 32/17
7)
BGH, Urteil vom 14. Dezember 2021 - X ZR 109/19 - Procalcitonin-Schwellenwert