→ Technisches Problem
→ Technischer Beitrag
→ Erfinderische Tätigkeit
Als Ausgangspunkt für die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit ist die Bestimmung des einer Erfindung zugrunde liegenden technischen Problems erforderlich.
Die Lösung des der Erfindung zugrunde liegenden technischen Problems ist Aufgabe der Erfindung und stellt den technischen Beitrag dar, den die Erfindung gegenüber dem Stand der Technik leistet.
Die Lösung des technischen Problems muss nach § 4 Satz 1 PatG auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.
Nach der Rechtsprechung des Senats dient die Bestimmung des technischen Problems (der Aufgabe) in einem Nichtigkeits- oder Einspruchsverfahren dazu, den Ausgangspunkt der fachmännischen Bemühungen um eine Bereicherung des Stands der Technik ohne Kenntnis der Erfindung zu lokalisieren, um bei der anschließenden und davon zu trennenden Prüfung auf Patentfähigkeit zu bewerten, ob die dafür vorgeschlagene Lösung durch den Stand der Technik nahegelegt war oder nicht.1)
Dementsprechend hat sie nicht die Funktion, über die Frage der Patentfähigkeit bereits eine Vorentscheidung zu treffen.2)
Daher ist es weder zulässig, Elemente, die zur patentgemäßen Lösung gehören, bei der Formulierung der Aufgabe zu berücksichtigen, noch darf ohne weiteres unterstellt werden, dass für den Fachmann die Befassung mit einer bestimmten Aufgabenstellung angezeigt war.3)
Das technische Problem ist vielmehr so allgemein und neutral zu formulieren, dass sich die Frage, welche Anregungen der Fachmann durch den Stand der Technik erhielt, ausschließlich bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit stellt.4)
Das einer Erfindung zugrunde liegende technische Problem ergibt sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem, was die Erfindung tatsächlich leistet.5)
Angesichts des Vorrangs der Patentansprüche gegenüber dem übrigen Inhalt der Patentschrift darf die Bestimmung der Aufgabe nicht zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortsinn des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen.6)
Dies schließt es auch aus, die Aufgabe unter Berufung auf einen in der Patentschrift nicht erörterten Stand der Technik einzuengen.7)
Für einen Verletzungsrechtsstreit gilt im Ausgangspunkt nichts anderes. Zur Beurteilung der Frage, ob die jeweils angegriffene Ausführungsform von der patentierten Lehre Gebrauch macht, ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu ermitteln, welchen Niederschlag die fachmännischen Bemühungen um eine Bereicherung des Stands der Technik konkret darin gefunden haben.8)
Zur Herausarbeitung dessen, was die Erfindung in diesem Sinne tatsächlich leistet, trägt die Bestimmung des technischen Problems bei9). Hieraus ergibt sich, dass sich ein Gericht in den Gründen einer Entscheidung mit dem technischen Problem nicht erst dann befassen darf, wenn es den Patentanspruch ausgelegt hat. Bestimmung der Aufgabe und Auslegung des Patentanspruchs stehen vielmehr in einer gewissen Wechselwirkung. In der Regel ist es dementsprechend zweckmäßig und geboten, vorab Überlegungen zum technischen Problem anzustellen. Im Rahmen der Auslegung sind nämlich sowohl der Sinngehalt des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit als auch der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu bestimmen10). Dies erfordert in der Regel eine vorläufige Orientierung darüber, welches technische Problem betroffen ist.11)
Rechtsfehlerhaft wäre es lediglich, das technische Problem im Rahmen dieser ersten Betrachtung bereits so festzulegen, dass damit eine Vorentscheidung über die Auslegung getroffen ist. In der Patentschrift enthaltene Angaben zur Aufgabe der Erfindung dürfen - ebenso wie der übrige Inhalt der Patentschrift - nicht zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortsinn des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen12). Sie müssen zudem auch dann unberücksichtigt bleiben, wenn im Patentanspruch keine Mittel angegeben sind, mit denen das betreffende Ziel erreicht werden könnte13). Diese Grundsätze gelten auch für eine Aufgabenbeschreibung, die in der Patentschrift nicht ausdrücklich enthalten ist. Jede Aufgabenbeschreibung ist deshalb in einem nachfolgenden Schritt darauf zu überprüfen, ob sie mit den durch Auslegung ermittelten Festlegungen des Patentanspruchs in Einklang steht.14)
Bei der Bestimmung des einem Patent zugrunde liegenden technischen Problems ist darauf abzustellen, was die Erfindung gegenüber dem Stand der Technik tatsächlich leistet.15)
Das technische Problem ist von allen Elementen der Lösung, wie Lösungsansätzen, Lösungsprinzipien oder Lösungsgedanken freizuhalten.16)
Aus der Funktion der einzelnen Merkmale im Kontext des Patentanspruchs ist abzuleiten, welches technische Problem diese Merkmale für sich und in ihrer Gesamtheit tatsächlich lösen. Dabei kann das als Aufgabe der Erfindung Bezeichnete einen Hinweis auf das richtige Verständnis enthalten. Für die Angaben der Beschreibung zur Aufgabe der Erfindung gilt jedoch wie auch sonst für die Beschreibung der Vorrang des Patentanspruchs gegenüber dem übrigen Inhalt der Patentschrift.17)
Die Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen darf nicht zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen.18)
Bei der Definition des technischen Problems, das einer Erfindung zugrunde liegt, darf nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass für den Fachmann die Befassung mit einer bestimmten Aufgabenstellung angezeigt war. Vielmehr ist das technische Problem so allgemein und neutral zu formulieren, dass sich die Frage, welche Anregungen der Fachmann durch den Stand der Technik insoweit erhielt, ausschließlich bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit stellt.19)
Vorteile der Erfindung, an denen der Fachmann seine Bemühungen um eine Weiterentwicklung des Standes der Technik nicht ausgerichtet hätte, weil sie sich erst durch die Erfindung als erreichbar gezeigt haben, können das der Erfindung zugrunde liegende technische Problem (die Aufgabe der Erfindung) nicht bestimmen.20)
Eine in der Patentschrift angegebene Aufgabe stellt lediglich ein Hilfsmittel bei der Ermittlung des objektiven technischen Problems dar.21)
In der Beschreibung des Patents enthaltene Angaben zur „Aufgabe“ der Erfindung können einen Hinweis auf das richtige Verständnis des Patentanspruchs enthalten. Auch für solche Angaben gilt jedoch - wie für den gesamten übrigen Inhalt der Patentschrift - der Vorrang des Patentanspruchs.22)
Als Ausgangspunkt für die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit ist nicht ausschließlich auf die der Beschreibung des Streitpatents zu entnehmende „Aufgabe“ abzustellen; es ist vielmehr auch zu erwägen, ob die Bewältigung eines zum Aufgabenkreis des Fachmanns gehörenden (anderen) Problems dessen Lösung nahegelegt hat.23)