Voreintragungen

5.3 Abs. 2 Prüfungsrichtlinie Markenanmeldungen

Jede Anmeldung ist ein für sich gesondert zu beurteilender Einzelfall.

5.3 Abs. 4 Prüfungsrichtlinie Markenanmeldungen

Bestehende Eintragungen nationaler Marken führen weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz zu einem Anspruch auf Eintragung. Dies gilt erst recht im Hinblick auf ausländische Voreintragungen, zumal andere Staaten zum Teil andere Prüfungsmaßstäbe anwenden. Von einer ausländischen Voreintragung kann jedoch im Einzelfall eine tatsächliche Indizwirkung ausgehen, die unter Umständen Anlass zu weiteren Ermittlungen gibt. Im Ergebnis wird die Indizwirkung einer im Ausland eingetragenen fremdsprachigen Angabe aber auch immer davon abhängen, welches Verfahren dort Anwendung findet und welche Qualität eine Eintragung aufweist (Behördenverfügung oder nachvollziehbare Rechtsmittelentscheidung).

Bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit von Marken handelt es sich um gebundene Entscheidungen, die allein auf Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen und nicht auf Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen sind.1)

Ausländische Entscheidungen bzw. Voreintragungen

Ausländische Entscheidungen bzw. Voreintragungen können in rechtlicher Hinsicht für die Beurteilung der Schutzfähigkeit angemeldeter Marken im Inland nicht maßgebend sein.2)

Die Tatsache, dass eine Marke in einem ersten Mitgliedstaat für bestimmte Waren oder Dienstleistungen eingetragen wurde, kann daher keinen Einfluss auf die Frage haben, ob eine ähnliche Marke, deren Eintragung in einem zweiten Mitgliedstaat für ähnliche Waren oder Dienstleistungen beantragt wird, unter eines der Eintragungshindernisse des Art. 3 der Richtlinie 89/104 fällt.3)

Die Eintragung einer identischen Marke für identische Waren oder Dienstleistungen in einem Mitgliedstaat kann zwar einen Umstand bil den kann, den die zuständige Behörde berücksichtigen kann, der jedoch für die Entscheidung, die Anmeldung einer bestimmten Marke zur Eintragung zuzulassen, nicht maßgebend sein kann.4)

Nationale Voreintragungen

Voreintragungen identischer oder vergleichbarer Marken entfalten nach ständiger Rechtsprechung bei der Prüfung auf absolute Schutzhindernisse nach § 37 MarkenG für die Markenstellen des Deutschen Patent- und Markenamts und auch im Beschwerdeverfahren des Bundespatentgerichts keinerlei verbindliche Wirkung. Dies hat der EuGH im Hinblick auf seine insoweit klare bisherige Rechtsprechung zuletzt nur noch im Beschlusswege entschieden.5)

Die für die Eintragung zuständige nationale Behörde muss zwar im Rahmen der Prüfung einer solchen Anmeldung, soweit sie in dieser Hinsicht über Informationen verfügt, die zu ähnlichen Anmeldungen ergangenen Entscheidungen berücksichtigen und besonderes Augenmerk auf die Frage richten, ob im gleichen Sinne zu entscheiden ist oder nicht, doch ist sie keinesfalls an diese Entscheidungen gebunden.6)

Eine Verpflichtung der zur Entscheidung berufenen Stellen zu einem Vergleich der angemeldeten Marke mit den im Register eingetragenen Marken besteht nicht. Die Äußerung des EuGH zur Berücksichtigung von Voreintragungen (EuGH a. a. O.) gilt nur dann, wenn die zur Entscheidung berufene Stelle in dieser Hinsicht über entsprechende Informationen verfügt, was bei bloßen Eintragungen regelmäßig nicht der Fall ist. Die zur Entscheidung berufene Stelle muss sich im Rahmen von geltend gemachten Voreintragungen lediglich mit den eingeführten oder sonst ersichtlichen, für die Eintragung der verfahrensgegenständlichen Marke sprechenden Argumenten auseinandersetzen. Soweit dies geschieht, ist auch dem Begründungserfordernis nach dem maßgeblichen deutschen Verfahrensrecht gemäß § 61 Abs. 1 bzw. § 79 Abs. 2 MarkenG Ge-nüge getan.7)

In den Verfahren vor den Markenstellen (ebenso wie im Verfahren vor dem Bundespatentgericht) verbieten sich Äußerungen zur Schutzfähigkeit von im Register eingetragenen Marken.8). Gegenstand der Prüfung nach § 37 MarkenG sind ausschließlich die jeweils im konkreten Verfahren angemeldeten Marken. Durch die Nennung von Voreintragungen werden diese „Drittmarken“ nicht verfahrensgegenständlich. Das Marken-gesetz sieht auch keine Möglichkeit einer Beteiligung von Drittmarkeninhabern vor. Schon deshalb kann es keinem Zweifel unterliegen, dass sich abschließende oder vermeintlich abschließende Äußerungen zur Schutzfähigkeit voreingetragener Marken verbieten. Die Beurteilung der Schutzunfähigkeit solcher Marken aus absoluten Gründen bleibt vielmehr ausschließlich dem dafür vorgesehenen Löschungsverfahren nach §§ 50, 54 MarkenG vorbehalten.9)

Gleichbehandlungsgebot

Der Gleichbehandlungsgrundsatz muss in Einklang gebracht werden mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns. Daraus folgt, dass sich niemand auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen kann, um eine identische Entscheidung zu erlangen.10)

Somit kann sich ein Unternehmen vor der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats jedenfalls nicht zu seinen Gunsten auf eine Entscheidungspraxis dieser Behörde berufen, die den Anforderungen aus der Richtlinie 89/104 zuwiderliefe oder dazu führte, dass die Behörde eine rechtswidrige Entscheidung trifft.11)

Die erforderliche Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe ändert nichts daran, dass es sich um gebundene Entscheidungen handelt, für die Voreintragungen unverbindlich sind.12)

Begründungspflicht

Die für die Eintragung zuständige nationale Behörde muss im Rahmen der Prüfung einer Anmeldung, soweit sie in dieser Hinsicht über Informationen verfügt, die zu ähnlichen Anmeldungen ergangenen Entscheidungen berücksichtigen und besonderes Augenmerk auf die Frage richten, ob im gleichen Sinne zu entscheiden ist oder nicht, doch ist sie keinesfalls an diese Entscheidungen gebunden.13)

Der Richtlinie des Deutschen Patent- und Markenamts von 2005 mangelt es aber insoweit an einer Regelung, als der Gerichtshof nunmehr ausdrücklich verlangt, dass zu ähnlichen Anmeldungen ergangene Entscheidungen berücksichtigt werden müssen und besonderes Augenmerk auf die Frage gerichtet werden muss, ob im gleichen Sinne zu entscheiden ist oder nicht.14)

Das bedeutet eine Pflicht zum Vergleich, der angemeldeten mit den eingetragenen vergleichbaren Zeichen. Diesen vom Gerichtshof geforderten Vergleich muss das Deutsche Patent- und Markenamt als zuständige nationale Behörde anstellen und gegebenenfalls die Gründe für eine differenzierte Beurteilung angeben, oder aber, wenn es die Voreintragungen für rechtswidrig hält, dies zum Ausdruck bringen. Denn nur unter dieser Voraussetzung ist der Feststellung des Gerichtshofs in Rn. 18, dass „der Gleichbehandlungsgrundsatz in Einklang gebracht werden muss mit dem Gebot rechtstaatlichen Handelns“ Genüge getan. Dies entspricht im Übrigen auch der von der Europäischen Kommission in ihrer Stellungnahme von 13. Juni 2008 in Rn. 21 vertretenen Ansicht, dass das Gericht „unter dem Gesichtspunkt der Begründungspflicht und nicht unter demjenigen des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes dazu verpflichtet ist, konkreten Hinweisen auf eine wettbewerbsverzerrende Ungleichbehandlung nachzugehen und dabei Vorentscheidungen der Behörde in gleich gelagerten Fällen in die Prüfung einzubeziehen oder gegebenenfalls das Verbot einer festgestellten wettbewerbsverzerrenden Diskriminierung zu berücksichtigen“ hat.15)

Indizielle Wirkung

Voreintragungen kommen nach ständiger Rechtsprechung - wenn überhaupt - allenfalls indizielle Bedeutung zu; das Indiz ist jedoch bereits widerlegt, wenn die mangelnde Eignung einer Bezeichnung als Unterscheidungsmittel feststeht. Auch aus dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung kann einer Voreintragung keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen. Der Gedanke der Selbstbindung der Verwaltung könnte nämlich bei Markeneintragungen nur dann zum Tragen kommen, wenn die Voreintragung als rechtmäßig erachtet würde; andernfalls hätte es nämlich die Verwaltung in der Hand, durch rechtswidriges Verwaltungshandeln gesetzliche Vorschriften zu unterlaufen und stattdessen eigene normative Vorgaben zu entwickeln, was weder mit dem Gewaltenteilungsprinzip (Art. 20 GG) noch im vorliegenden Fall einer Markeneintragung mit dem Grundsatz der Vereinbarkeit des Handelns der nationalen Markenregisterbehörden mit den Vorgaben der europäischen Markenrechtsrichtlinie vereinbar wäre. Für die Rechtmäßigkeit einer Voreintragung bestehen aber weder objektive Anhaltspunkte noch spricht hierfür eine (widerlegliche) Vermutung. Wird die Schutzfähigkeit einer später angemeldeten Bezeichnung verneint, wird damit zwangsläufig auch eine Aussage über die Rechtsmäßigkeit der Voreintragung von mit der angemeldeten Bezeichnung identischen Bezeichnungen für dieselben Waren und Dienstleistungen getroffen, so dass diese somit als rechtswidrig anzusehenden Voreintragungen schon aus diesem Grund keine Präjudizwirkung für die Eintragung einer später angemeldeten Kennzeichnung haben können. Werden die früheren Eintragungen demgegenüber für rechtmäßig erachtet, gelten die hierfür sprechenden Sachgründe auch für die identische später angemeldete Marke, so dass es eines Rückgriffs auf den Gedanken der Selbstbindung der Verwaltung von Vorneherein erst gar nicht bedarf.16)

siehe auch

1)
BPatG, Entsch. v. 11. Januar 2007 - 25 W (pat) 9/05; m.V.a. EuGH, MarkenR 2005, 391, 395 Tz 47 - BioID
2)
BPatG, Entsch. v. 11. Januar 2007 - 25 W (pat) 9/05; m.V.a. Ströbele/Hacker, Markenrecht, 8. Aufl. § 8 Rdnr. 30; auch BGH, GRUR 2005, 578, 580 - LOKMAUS
3)
EuGH, Beschluss vom 12. Februar 2009, C-39/08; m.V.a. Urteil vom 12. Februar 2004, Koninklijke KPN Nederland, C‑363/99, Slg. 2004, I‑1619, Randnrn. 42 bis 44
4)
vgl. EuGH, GRUR 2004, 428, 432 Tz 63 - Henkel
5)
BPatG, Entsch. 17. Dezember 2009 - 25 W (pat) 65/08 - Linuxwerkstatt; m.V.a. EuGH GRUR 2009, 667 (Tz. 17) Bild.T-Online.de und ZVS zu „Volks.Handy u. a.“ und „Schwabenpost“; vgl. dazu auch BPatG GRUR 2007, 333 - Papaya
6)
EuGH, Beschluss vom 12. Februar 2009, C-39/08
7) , 9)
BPatG, Entsch. 17. Dezember 2009 - 25 W (pat) 65/08 - Linuxwerkstatt
8)
BPatG, Entsch. 17. Dezember 2009 - 25 W (pat) 65/08 - Linuxwerkstatt; auch BPatG 2009, 1175, 1180 - Burg Lissingen mit eingehender Begründung; a.A. BPatG GRUR 2009, 683 - SCHWABENPOST und GRUR 2009, 1173 - Freizeit-Rätsel-Woche
10)
EuGH, Beschluss vom 12. Februar 2009, C-39/08; m.V.a. Urteile vom 9. Oktober 1984, Witte/Parlament, 188/83, Slg. 1984, 3465, Randnr. 15, und vom 4. Juli 1985, Williams/Rechnungshof, 134/84, Slg. 1985, 2225, Randnr. 14
11)
EuGH, Beschluss vom 12. Februar 2009, C-39/08; vgl. auch BPatG, Entsch. v. 11. Januar 2007 - 25 W (pat) 9/05; m.V.a. BGH, GRUR 2006, 333, 337 f. - Porträtfoto Marlene Dietrich
12)
BPatG, Entsch. v. 11. Januar 2007 - 25 W (pat) 9/05; m.V.a. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 8 Rdn. 25 bis 31; zu Gemeinschaftsmarken siehe EuGH GRUR 2006, 229, 231 - BioID - und GRUR 2006, 233, 235 - Standbeutel
13)
vgl. EuGH, Beschluss vom 12. Februar 2009, C-39/08
14) , 15)
BPatG, Beschluss v. 1. April 2009 - 29 W (pat) 13/06 - Schwabenpost
16)
BPatG, Entscheidung vom 15.03.2007 - 27 W (pat) 98/06