Zivilrechtliches Benachteiligungsverbot

§ 19 (1) AGG

Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die

1. typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen oder

2. eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben, ist unzulässig.

§ 19 (2) AGG → Benachteiligungsverbot bei sonstigen Schhuldverhältnissen
§ 19 (3) AGG → Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Vermietung von Wohnraum
§ 19 (4) AGG → Ausnahme erbrechtlicher Schuldverhältnisse aus dem Benachteiligungsverbot
§ 19 (5) AGG → Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz von zivilrechtlichen Schuldverhältnissen, die eine besondere Nähe- oder Vertrauensverhältnis der Parteien oder ihrer Angehörigen begründen

Begründung eines zivilrechtlichen Schuldverhältnisses

§ 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG

Nach der Gesetzesbegründung wird ein Schuldverhältnis ohne Ansehen der Person begründet, wenn hierbei die in § 1 AGG genannten Merkmale typischerweise keine Rolle spielen.1)

Die Regelung ist mit Blick auf den Schutzzweck des Gesetzes dahin zu verstehen, dass ein Schuldverhältnis ohne Ansehen der Person begründet wird, wenn der Anbieter im Rahmen seiner Kapazitäten grundsätzlich mit jedermann abzuschließen bereit ist.2)

Massengeschäfte im Sinne dieser Definition sind insbesondere Verträge im Bereich der Konsumgüterwirtschaft und über standardisierte Dienstleistungen etwa des Einzelhandels, der Gastronomie oder des Transportgewerbes.3)

Ein Ansehen der Person liegt hingegen vor, wenn der Anbieter seine Entscheidung über den Vertragsschluss erst nach einer Würdigung des Vertragspartners trifft.4)

Enthält die Prüfung des Vertragsschlusses ein stark individualisiertes, personales Element, verzichtet das Gesetz im Rahmen des § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG zugunsten der persönlichen Willensbildung des Anbieters auf eine Benachteiligungskontrolle.5)

Nach § 3 Abs. 1 AGG, durch den mit Blick auf die Benachteiligung wegen Rasse und ethnischer Herkunft Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/43/EG umgesetzt worden ist6), ist eine unmittelbare Benachteiligung gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Die sich nachteilig auswirkende Maßnahme muss direkt an das nach § 1 AGG verbotene Merkmal anknüpfen, wobei unerheblich ist, ob diese Anknüpfung offen oder verdeckt erfolgt7).

Die Vergabe von Stipendien für hochbegabte Hochschulstudenten erfordert eine Auswahlentscheidung, bei der die persönlichen Umstände der Bewerber im Vordergrund stehen, und unterfällt nicht § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG.8)

Wird die Vergabe von Stipendien zur Förderung von Forschungs- oder Studienvorhaben im Ausland an die Teilnahmevoraussetzung des in Deutschland erworbenen Ersten Juristischen Staatsexamens geknüpft, stellt dies keine Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft dar.9)

§ 19 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 AGG

Diese Vorschrift findet auf solche Verträge Anwendung, die zwar keine Massengeschäfte im Sinne der Vorschrift sind, weil das Ansehen der Person bei ihnen eine Rolle spielt, dies aber - gegenüber bedeutsameren anderen Faktoren - nur in einem geringen Umfang.10)

siehe auch

§§ 19 bis 21 AGG → Schutz vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr

1)
BGH, Urteil vom 25. April 2019 - I ZR 272/15; m.V.a. den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung, BT-Drucks. 16/1780, S. 41
2)
BGH, Urteil vom 25. April 2019 - I ZR 272/15; m.V.a. Erman/Armbrüster, BGB, 15. Aufl.,§ 19 AGG Rn. 16; Gaier/Wendtland, AGG, § 2 § 2 Rn. 21; Meinel/Heyn/Herms, AGG, 2. Aufl., § 19 Rn. 12; MünchKomm.BGB/Thüsing, 7. Aufl., § 19 AGG Rn. 17
3)
BGH, Urteil vom 25. April 2019 - I ZR 272/15; m.V.a. Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 19 AGG Rn. 2; Weimann in Hey/Forst, AGG, 2. Aufl., § 19 Rn. 70
4)
BGH, Urteil vom 25. April 2019 - I ZR 272/15; m.V.a. Weimann in Hey/Forst, AGG, 2. Aufl. § 19 Rn. 73
5)
BGH, Urteil vom 25. April 2019 - I ZR 272/15; m.V.a. Pfeiffer in Festschrift Canaris, 2007, S. 981, 989
6)
vgl. Meinel/Heym/Herms, AGG, 2. Aufl., § 3 Rn. 1
7)
vgl. BAGE 138, 166 Rn. 33; BAGE 142, 158 Rn. 25
8) , 9)
BGH, Urteil vom 25. April 2019 - I ZR 272/15 -
10)
BGH, Urteil vom 25. April 2019 - I ZR 272/15; m.V.a. vgl. Bauer/Krieger, AGG, 4. Aufl., § 19 Rn. 10; MünchKomm.BGB/Thüsing, 7. Aufl. § 19 AGG Rn. 39