Artikel 21 (2) EPÜ → Juristische Beschwerdekammer
Artikel 21 (3) a) EPÜ → Technische Beschwerdekammer
Aus dem Wortlaut von Artikel 21 (3) a) EPÜ mag nicht eindeutig hervorgehen, ob sich die Zuständigkeit der Technischen Beschwerdekammer auf Beschwerden gegen Zurückweisungen und Erteilungen gemäß Artikel 97 EPÜ beschränkt (Beschränkung und Widerruf eines europäischen Patents, die in Artikel 21 (3) a) EPÜ ebenfalls genannt, aber für die hier zu entscheidende Rechtsfrage irrelevant sind, bleiben im Weiteren außer Betracht). Aus dem Wortlaut eindeutig folgt dagegen, dass die Technische Beschwerdekammer nicht zuständig ist, wenn die angefochtene Entscheidung die rechtswirksame Zurücknahme einer Anmeldung betrifft, oder die Feststellung gemäß Regel 112 (2) EPÜ, dass die Anmeldung als zurückgenommen gilt. Die dann greifende Auffangzuständigkeit der Juristischen Beschwerdekammer ist sachgerecht und entspricht den Intentionen des Gesetzgebers, Fragen, die nicht die materielle Patentfähigkeit betreffen, sondern deren Schwerpunkt im rechtlichen Bereich liegt, einer Überprüfung durch eine ausschließlich mit Juristen besetzte Beschwerdekammer zuzuführen (Gori/Löden in Münchner Gemeinschaftskommentar zu Artikel 21, RNr 80), weil die Überprüfung solcher Entscheidungen - ebenso wie von nach Artikel 21 (2) EPÜ ausschließlich der Juristischen Beschwerdekammer zugewiesenen Entscheidungen der Eingangsstelle und der Rechtsabteilung - keinen technischen Sachverstand erfordert. Im Hinblick auf die Formulierung der (positiven) Zuständigkeitsvoraussetzung in Artikel 21 (3) a) EPÜ ist jedoch nicht dies der Grund für die mangelnde Zuständigkeit der Technischen Beschwerdekammer, sondern der Umstand, dass solche Entscheidungen weder Entscheidungen über die Zurückweisung der Anmeldung (oder die Erteilung eines Patents) darstellen, noch diese in irgendeiner Weise betreffen. Vielmehr handelt es sich um Feststellungsentscheidungen, dass eine einschlägige Willenserklärung oder eine Unterlassung des Anmelders, an die die gesetzliche Fiktion einer solchen Willenserklärung geknüpft ist, vorliegt. Dies schließt eine Zuständigkeit der Technischen Beschwerdekammer nach Artikel 21 (3) a) EPÜ in den Fällen aus, in denen es um die Feststellung eines Rechtsverlustes geht, selbst wenn diese den Totalverlust der Anmeldung zur Folge haben kann.1)
Dasselbe gilt für Entscheidungen nach Regel 64 (2) EPÜ, obwohl es bei ihnen nicht um die Feststellung eines möglichen Rechtsverlustes geht und deren Überprüfung technischen Sachverstand erfordert. Die Einheitlichkeit der Patentanmeldung als Voraussetzung für die Rückzahlung weiterer Recherchengebühren nach Regel 64 (2) EPÜ ist anhand derjenigen Fassung zu prüfen, die der Aufforderung zur Zahlung weiterer Recherchengebühren durch die - nach Artikel 17 EPÜ 2000 unverändert für die Recherche zuständige - Recherchenabteilung zugrunde lag, und zwar völlig unabhängig davon, in welcher Fassung das Patent später erteilt wird, oder ob die Anmeldung aus welchen Gründen auch immer zurückgewiesen oder infolge Zurücknahme der Anmeldung durch Erklärung oder gesetzliche Fiktion überhaupt keine Entscheidung über die Anmeldung getroffen wurde bzw. wird. Das bedeutet, dass die Entscheidung über die Rückzahlung weiterer Recherchengebühren weder vom Schicksal der Anmeldung abhängt, noch eine Vorfrage für die Erteilung oder Zurückweisung ist (vergl. Vorlageentscheidung Punkt 10), noch sonst einen rechtlichen oder tatsächlichen Bezug zur Sachentscheidung über die Anmeldung aufweist. Einen solchen Bezug setzt der Wortlaut des Artikel 21 (3) a) EPÜ aber voraus. Das Vorliegen eines technischen Sachverhalts bzw. das Erfordernis technischen Sachverstands haben dagegen keinen Eingang in diese Bestimmung gefunden (ebenso wenig wie dessen Nichtvorliegen bzw. Nichterfordernis in den die Auffangzuständigkeit der Juristischen Beschwerdekammer regelnden Artikel 21 (3) c) EPÜ - siehe unten, Punkt 13).2)
Bei Beschwerden gegen die Entscheidung einer Prüfungsabteilung setzt sich eine Beschwerdekammer zusammen aus: drei technisch vorgebildeten und zwei rechtskundigen Mitgliedern, wenn die Entscheidung von einer aus vier Mitgliedern bestehenden Prüfungsabteilung gefasst worden ist oder die Beschwerdekammer der Meinung ist, dass es die Art der Beschwerde erfordert;
Bei Beschwerden gegen die Entscheidung einer Prüfungsabteilung setzt sich eine Beschwerdekammer zusammen aus: drei rechtskundigen Mitgliedern in allen anderen Fällen.
Ein weiteres, konsequent in Artikel 21 (2) - (4) EPÜ umgesetztes Organisationsprinzip ist das eines Fachgerichts in dem Sinn, dass die Beschwerdekammern aufgrund ihrer fachkundigen Zusammensetzung in der Lage sein sollen, alle entscheidungserheblichen technischen Fragen ohne Hinzuziehung externer Sachverständiger zu lösen. Dies ist über die Anzahl der Technischen Beschwerdekammern und die Verteilung der Beschwerden auf sie auf Grundlage der Hauptklassifikation gemäß IPC (siehe Artikel 1 (1) Geschäftsverteilungsplan der Technischen Beschwerdekammer, zuletzt für das Jahr 2014) gewährleistet. Dies, aber auch die (ausschließliche) Zuständigkeit der Juristischen Beschwerdekammer für Beschwerden gegen Entscheidungen der Eingangstelle und der Rechtsabteilung (Artikel 21 (2) EPÜ), bei welchen das Auftreten technischer Fragestellungen im Beschwerdeverfahren per se ausgeschlossen ist, bedeuten eine an den entscheidungserheblichen Fragestellungen orientierte, „effiziente“ Zusammensetzung der Beschwerdekammer, auch im verfahrensökonomischen Sinn. Da juristischer Sachverstand für die Beurteilung von Rechtsfragen auch bei einer „gemischt“ zusammengesetzten Technischen Beschwerdekammer vorhanden ist, ist eine solche optimierte Zusammensetzung der Beschwerdekammer allerdings weder rechtsgrundsätzlich noch sachlich zwingend. Für Beschwerden gegen die Entscheidungen der Einspruchsabteilungen ist sie nicht verwirklicht (Artikel 21 (4) EPÜ, vergl. dazu G 2/90, ABl. EPA 1992,10).3)
Im Gegensatz zur Regelung der Zuständigkeit der Technischen Beschwerdekammer in Artikel 21 (3) a) EPÜ findet sich im Wortlaut der Auffangregelung kein spezifisches, auf die angefochtene Entscheidung bezogenes Zuständigkeitskriterium und damit nichts, was zu einer Auslegung der Regelung zwingen oder auch nur darauf hindeuten könnte, dass die Auffangzuständigkeit der Juristischen Beschwerdekammer ausnahmslos selbst dann greift, wenn die Entscheidung über die Beschwerde im Hinblick auf die dafür erheblichen technischen Sachverhalte und Fragestellungen (auch) technischen Sachverstand erfordert. Auch sonst findet sich nirgends ein Hinweis, dass der Gesetzgeber eine solche Fallkonstellation im Auge hatte, speziell nicht bei Beschwerden gegen Entscheidungen nach Regel 64 (2) EPÜ - was immer der konkrete Grund dafür gewesen sein mag (dazu plausibel, aber letztlich offen lassend die vorlegende Kammer, Punkt V. vi), oben).4)
Bei Beschwerden gegen die Entscheidung einer Einspruchsabteilung setzt sich eine Beschwerdekammer zusammen aus:
a) zwei technisch vorgebildeten Mitgliedern und einem rechtskundigen Mitglied, wenn die Entscheidung von einer aus drei Mitgliedern bestehenden Einspruchsabteilung gefasst worden ist;
b) drei technisch vorgebildeten und zwei rechtskundigen Mitgliedern, wenn die Entscheidung von einer aus vier Mitgliedern bestehenden Einspruchsabteilung gefasst worden ist oder die Beschwerdekammer der Meinung ist, dass es die Art der Beschwerde erfordert.