Änderungen der Ansprüche oder anderer Teile eines Patents, die im Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren vorgenommen werden, in vollem Umfang auf die Erfüllung der Erfordernisse des EPÜ (z. B. des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ) zu prüfen sind.1)
In der Praxis werden mit der Beschwerdebegründung eingereichte Änderungen grundsätzlich zugelassen, dies jedenfalls dann, wenn durch die Änderungen im Beschwerdeverfahren kein gänzlich neuer Fall geschaffen wird.2)
In T 356/08 (v. 07.07.2009, Punkt 2.1.1 der Gründe) hat die Beschwerdekammer dazu ausgeführt, dass die Entscheidung der Beschwerdekam mer im Prinzip auf der Basis des Streitstoffs der Verwaltungsin stanz ergehen soll, was die Zulassung von neuem Vorbringen zwar nicht ausschließt, jedoch von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig macht. Im Beschwerdeverfahren soll nämlich kein gänzlich neuer Fall, kein „fresh case“ geschaffen werden.3)
Zur Berücksichtigung von in einem fortgeschrittenen Stadium des Beschwerde verfahrens verspätet eingereichten Änderungen hat die Rechtsprechung in Anlehnung an die zur Berücksichtigung verspäteten Vorbringens entwickelten Grundsätze Regeln für die Ermessensausübung herausgearbeitet. Kriterien sind wie bei verspätetem Vorbringen der Zeitpunkt der Änderung, der Grund für die Änderung, der Umfang der Änderung oder die Schwierigkeit oder Komplexität der vorzunehmenden Prüfung der Änderungen sowie die Frage der Gewährbarkeit der geänderten Ansprüche.4)
Für die Zulassung erst im Laufe des Verfahrens eingeführter neuer Anträge ist unbeschadet der vorgenannten Kriterien und der dem Beschwerdeverfahren immanenten allgemeinen Anforderungen an die Verfahrensführung der Parteien, zu denen es eine umfassende Kasuistik der Beschwerdekammern gibt (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 6. Auflage 2010, Kap. VII.E.16, insbesondere S. 1015 bis 1018) von besonderer Bedeutung, ob der Anmelder bzw. Patentinhaber, der mehr als einen Antrag stellt, mit seinen verschiedenen Anträgen eine konsistente Verteidigungslinie verfolgt und nicht, zumal zum Ende des Beschwerdeverfahrens hin, durch einen „Schirm“ divergierender Anspruchsfassun gen sowohl für die andere Partei als auch für die Beschwerdekammer eine unübersichtliche und unzumutbare Verfahrenssituation schafft, in der es ihnen obliegt, aus einer Vielzahl von inkongruenten Anspruchsfassungen, diejenige zu „wählen“, die letztendlich Bestand haben könnte.5)