Aufgabe der Schutzrechtsanmeldung oder des Schutzrechts

§ 16 (1) ArbNErfG

Wenn der Arbeitgeber vor Erfüllung des Anspruchs des Arbeitnehmers auf angemessene Vergütung [§ 9 ArbNErfG → Vergütungsanspruch] die Anmeldung der Diensterfindung zur Erteilung eines Schutzrechts nicht weiterverfolgen oder das auf die Diensterfindung erteilte Schutzrecht nicht aufrechterhalten will, hat er dies dem Arbeitnehmer mitzuteilen und ihm auf dessen Verlangen und Kosten das Recht zu übertragen sowie die zur Wahrung des Rechts erforderlichen Unterlagen auszuhändigen.

§ 16 (2) ArbNErfG → Frist des Arbeitnehmers für das Verlangen der Übertragung des Rechts an der Diensterfindung
§ 16 (3) ArbNErfG → Vorbehalt des nichtausschließlichen Rechts zur Benutzung der Diensterfindung gegen angemessene Vergütung

Form der Mitteilung des Arbeitgebers über die Aufgabe der Schutzrechtsanmeldung oder des Schutzrechts

Nach dem Gesetz über Arbeitnehmererfindungen hat der Arbeitgeber die Befugnis, eine Diensterfindung in Anspruch zu nehmen (§ 6 ArbNErfG → Inanspruchnahme). Durch die Inanspruchnahme gehen die vermögenswerten Rechte an der Diensterfindung auf den Arbeitgeber über (§ 7 ArbNErfG → Wirkung der Inanspruchnahme). Dieser ist im Gegenzug verpflichtet, den Arbeitnehmer angemessen zu vergüten (§ 9 ArbNErfG → Vergütungsanspruch) und die Diensterfindung unverzüglich zur Erteilung eines Schutzrechts anzumelden (§ 13 ArbNErfG → Schutzrechtsanmeldung im Inland). Damit geht die Verpflichtung des Arbeitgebers einher, die mit dem Erteilungsverfahren in Zusammenhang stehenden Kosten, ferner die Kosten der Aufrechterhaltung einer Patentanmeldung und eines darauf erteilten Patents zu tragen.1)

§ 16 ArbNErfG sieht die Möglichkeit vor, dass der Arbeitgeber, der eine Diensterfindung in Anspruch genommen hat, eine daraus hervorgegangene Patentanmeldung nicht weiterverfolgt oder ein erteiltes Patent auch dann nicht aufrechterhält, wenn der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers noch nicht erfüllt ist.2)

Die Regelung soll dem Umstand Rechnung tragen, dass sich eine Erfindung oder ein Schutzrecht oft schon nach kurzer Zeit, etwa infolge der Weiterentwicklung der Technik oder durch eine Veränderung der Marktverhältnisse, als überholt erweist und sich die Weiterverfolgung einer Anmeldung oder die Aufrechterhaltung eines Patents bis zum Ablauf der gesetzlichen Höchstschutzdauer für den Arbeitgeber wirtschaftlich nicht lohnt3). Bei einer solchen Sachlage soll der Arbeitgeber die Möglichkeit haben, die Aufwendungen zu begrenzen, die mit einer Anmeldung der Diensterfindung zum Patent einhergehen. Das Gesetz überlässt es allein dem Arbeitgeber, entsprechende wirtschaftliche Überlegungen anzustellen und entsprechend über seine Schutzrechte zu disponieren4).5)

Ist zu dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber einen entsprechenden Entschluss fasst, der durch die Inanspruchnahme der Erfindung begründete Anspruch des Arbeitnehmers auf angemessene Vergütung bereits vollständig erfüllt, darf der Arbeitgeber das Recht aufgeben, ohne die Einwilligung des Erfinders einholen oder ihn auch nur befragen zu müssen.6)

Anders verhält es sich, wenn der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers noch nicht erfüllt ist. Zwar ist es dem Arbeitgeber auch in diesem Fall möglich, sich von den mit der Anmeldung oder der Aufrechterhaltung des Patents verbundenen finanziellen Belastungen zu befreien. Nach § 16 ArbNErfG muss er dem Arbeitnehmererfinder dann aber einen Ausgleich gewähren, und zwar dadurch, dass er die Anmeldung bzw. das Patent auf Verlangen auf den Arbeitnehmer überträgt. Die Verpflichtung zur Übertragung entsteht, wenn der Arbeitnehmer auf die in § 16 Abs. 1 ArbNErfG vorgeschriebene Mitteilung hin ein entsprechendes Verlangen an den Arbeitgeber richtet.7)

Eine Pflicht zur Übertragung besteht nur dann , wenn der Arbeitnehmer ein entsprechendes Verlangen innerhalb der in § 16 Abs. 2 ArbNErfG normierten Frist äußert, und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt an seiner Absicht festhält, das Recht aufzugeben.8)

§ 16 ArbNErfG dient dem Zweck, einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Arbeitnehmers an einer vollständigen Vergütung für seine Diensterfindung und dem Interesse des Arbeitgebers daran zu schaffen, den Aufwand und die Kosten für eine Patentanmeldung oder ein Patent, die aus der Diensterfindung hervorgegangen sind, zu begrenzen.9)

Ein solcher Ausgleich der Interessen ist geboten, weil zu dem Recht, das auf die Diensterfindung zurückgeht, beide Seiten einen Beitrag geleistet haben. Einerseits beruht ein solches Recht auf einer Erfindung des Arbeitnehmers. Andererseits handelt es sich um eine gebundene Erfindung, da sie aus der dem Arbeitnehmer obliegenden Tätigkeit entstanden ist oder maßgeblich auf Erfahrungen oder Arbeiten des Betriebs beruht (§ 4 Abs. 2 ArbNErfG → Diensterfindung). Zudem fallen die für die Anmeldung der Erfindung zum Patent und für dessen Aufrechterhaltung einhergehenden Kosten dem Arbeitgeber zur Last (§ 13 ArbNErfG → Schutzrechtsanmeldung im Inland).10)

Um diesen Interessenausgleich zu gewährleisten, ist die - grundsätzlich unbeschränkte - Befugnis des Arbeitgebers, über die aus der Diensterfindung hervorgegangenen Schutzrechte zu verfügen, eingeschränkt, solange der Anspruch des Arbeitnehmers auf angemessene Vergütung (§ 9 ArbNErfG) noch nicht vollständig erfüllt ist. Der Arbeitgeber ist zwar auch in dieser Konstellation nicht verpflichtet, an den entstandenen Rechten festzuhalten; er muss dem Arbeitnehmer aber die Möglichkeit geben, diese Rechte zu übernehmen. Dem Arbeitnehmer steht hierfür eine Überlegungsfrist von drei Monaten zur Verfügung, in der er sich, gegebenenfalls nach Einholung fachkundigen Rats, darüber klarwerden kann, ob er die aus der Übertragung des Rechts resultierenden Chancen ergreifen und die damit verbundenen Belastungen übernehmen möchte. Bis zum Ablauf dieser Frist bleibt der Arbeitgeber verpflichtet, alle ihm zumutbaren Maßnahmen zu treffen, um das Recht in dem Zustand zu erhalten, in dem es sich zum Zeitpunkt der Mitteilung der Aufgabeabsicht befunden hat.11)

Verlangt der Arbeitnehmer die Übertragung des Rechts, begründet der Zugang einer entsprechenden Erklärung wie bereits erwähnt einen schuldrechtlichen Übertragungsanspruch gegen den Arbeitgeber.12)

Verstreicht die Frist [§ 16 (2) ArbNErfG → Frist des Arbeitnehmers für das Verlangen der Übertragung des Rechts an der Diensterfindung ], ohne dass der Arbeitnehmer ein Übertragungsverlangen geäußert hat, darf der Arbeitgeber annehmen, dass der Arbeitnehmer kein Interesse an einer Übernahme des Rechts hat. Deshalb ist er nach § 16 Abs. 2 ArbNErfG berechtigt, das Recht aufzugeben, ohne sich Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers auszusetzen. Ohne Belang ist insoweit, ob der Arbeitgeber das Recht unmittelbar nach Ablauf der Frist aufgibt, indem er etwa gegenüber dem Patentamt auf das Patent verzichtet (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 PatG), oder erst zu einem späteren Zeitpunkt, etwa indem er die Frist zur Zahlung der nächsten Jahresgebühr verstreichen lässt.13)

siehe auch

ArbNErfG → Arbeitnehmererfindergesetz

1) , 2) , 5) , 9) , 10) , 13)
BGH, Urteil vom 27. Juli 2021 - X ZR 61/20 - Zündlanze
3)
BT-Drucks. 2/1648 S. 33; BGH, Urteil vom 10. Mai 1988 - X ZR 89/87, GRUR 1988, 762, 763 - Windform
4)
BGH GRUR 1988, 762, 763 - Windform
6)
BGH, Urteil vom 27. Juli 2021 - X ZR 61/20 - Zündlanze; m.V.a. BGH, Urteil vom 20. November 1962 - I ZR 40/61, GRUR 1963, 315, 317 - Pauschalabfindung
7)
BGH, Urteil vom 27. Juli 2021 - X ZR 61/20 - Zündlanze; m.V.a. BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 - X ZR 215/00, GRUR 2002, 609, juris Rn. 28 f. - Drahtinjektionseinrichtung
8)
BGH, Urteil vom 27. Juli 2021 - X ZR 61/20 - Zündlanze; m.V.a. Bartenbach/Volz, ArbNErfG, 6. Auflage 2019, § 16 Rn. 31; Busse/Keukenschrijver, PatG, 9. Auflage 2020, § 16 ArbNErfG Rn. 19; Hoppe-Jänisch in Boemke/Kursawe, ArbNErfG § 16 Rn. 139; Volmer/ Gaul, ArbNErfG, 2. Auflage 1983, § 16 Rn. 166 f.; ebenso Schiedsstelle, Einigungsvorschlag Arb.Erf. 35/11, S. 4 f.
11)
BGH, Urteil vom 27. Juli 2021 - X ZR 61/20 - Zündlanze; m.V.a. BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 - X ZR 215/00, GRUR 2002, 609, juris Rn. 46 - Drahtinjektionseinrichtung
12)
BGH, Urteil vom 27. Juli 2021 - X ZR 61/20 - Zündlanze; m.V.a. BGH GRUR 2002, 609, juris Rn. 28 f. - Drahtinjektionseinrichtung