Der Handelsvertreter darf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die ihm anvertraut oder als solche durch seine Tätigkeit für den Unternehmer bekanntgeworden sind, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht verwerten oder anderen mitteilen, soweit dies nach den gesamten Umständen der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmanns widersprechen würde.
Das Verwertungsverbot nach § 90 HGB betrifft grundsätzlich alle Ge-schäfts- und Betriebsgeheimnisse, die dem ausgeschiedenen Handelsvertreter während des Vertragsverhältnisses bekannt geworden sind.(BGH, Urt. v. 26. Februar 2009 - I ZR 28/06 - Versicherungsuntervertreter))
Im handelsrechtlichen Schrifttum ist umstritten, ob und unter welchen Umständen nach Beendigung des Handelsvertretervertragsverhältnisses einem Verwertungsinteresse des Handelsvertreters an der Nutzung der Daten von ihm neu gewonnener Kunden ein Vorrang vor dem Geheimnisschutzinteresse des Unternehmers einzuräumen ist. Teilweise wird ohne Einschränkung die Ansicht vertreten, Kundenlisten, die der Handelsvertreter durch Gewinnung neuer Kunden selbst entwickelt habe, dürfe er nach Vertragsbeendigung, auch wenn sie bisher geheimhaltungsbedürftig gewesen seien, nunmehr für eigene Zwecke verwerten.1)
Teilweise wird auf eine Interessenabwägung abgestellt und ein überwiegendes Ver-wertungsinteresse des Handelsvertreters nur angenommen, wenn und soweit er zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Lage auf die Verwertung der Kundenlis-te angewiesen ist, wobei zu berücksichtigen sein könne, ob sich die Aufwendungen des Handelsvertreters für die Gewinnung oder Erhaltung der Kunden noch nicht ausgezahlt haben.2)
Nach anderer Ansicht ist nur die branchenfremde Verwertung der Namen und Anschriften selbst geworbener Kunden frei; die branchengleiche Verwertung soll dagegen nur erlaubt sein, wenn die Kunden ohne Zutun des Handelsvertreters entschlossen sind, die Geschäftsbeziehungen zu dem Unternehmer nicht mehr fortzusetzen.3)
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dagegen für eine Abwägung mit einem Verwertungsinteresse des Handelsvertreters im Rah-men des § 90 HGB schon von vornherein kein Raum. Vielmehr ist der Handels-vertreter nach § 667 BGB, der auf die Rechtsbeziehungen zwischen Unterneh-mer und Handelsvertreter als einem Auftragsverhältnis ergänzend anzuwenden ist, verpflichtet, nach Beendigung des Vertragsverhältnisses alle Kundenan-schriften an den Unternehmer herauszugeben. Die Herausgabepflicht bezieht sich auf alles, was der Handelsvertreter aus der Tätigkeit für den Unternehmer erlangt; sie umfasst demnach auch die Daten solcher Kunden, die der Handelsvertreter selbst geworben hat.4)