Irreführende Produktangaben

§ 5 (1) S. 2 Nr. 1 UWG

Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält: die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen;

Irreführende Werbung mit Testergebnissen
Irreführende Angaben über die geographische oder betriebliche Herkunft

Irreführende Verwendung einer eingetragenen Marke
Irreführende Werbung für ein Arzneimittel
Unberechtigte Nutzung eines Umweltzeichens
Irreführung über die tatsächliche Füllmenge eines Produkts

Um ihre primäre Darlegungslast zu erfüllen, musste die Klägerin greifbare Anhaltspunkte für die geltend gemachte Irreführung allerdings nicht nur behaupten, sondern diese bei Bestreiten durch die Beklagten auch beweisen. Das gilt sowohl für die Tatsachen, denen Indizwirkung zukommen soll, als auch für die Indizwirkung selbst.1)

In Fällen, in denen der Blickfang für sich genommen eine fehlerhafte Vorstellung vermittelt, muss der dadurch veranlasste Irrtum regelmäßig durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis ausgeschlossen werden, der selbst am Blickfang teilhat.2)

Danach reicht es nicht aus, wenn etwa der beworbene Artikel zusammen mit weiteren Artikeln abgebildet wird, ohne die er nicht benutzt werden kann, und der aufklärende Hinweis nur innerhalb der Produktbeschreibung steht, ohne am Blickfang teilzuhaben und die Zuordnung zu den herausgestellten Angaben zu wahren.3)

Jedoch nicht in jedem Fall ist ein Sternchenhinweis oder ein anderer klarstellender Hinweis an den isoliert irreführenden blickfangmäßigen Angaben in einer Werbung erforderlich, um einen Irrtum der Verbraucher auszuschließen. Vielmehr kann es genügen, dass es sich um eine Werbung - etwa für langlebige und kostspielige Güter - handelt, mit der sich der Verbraucher eingehend und nicht nur flüchtig befasst und die er aufgrund einer kurzen und übersichtlichen Gestaltung insgesamt zur Kenntnis nehmen wird.4)

Mit Blick auf den hauptsächlichen Zweck der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, den Verbraucher in seiner Fähigkeit zu einer freien und informationsgeleiteten Entscheidung zu schützen, ist die Annahme, der Verbraucher werde die Einschränkung einer blickfangmäßig herausgestellten Werbeaussage durch eine andere Aussage in der Werbung erkennen, zu der er nicht durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis an der blickfangmäßig herausgestellten Aussage hingeführt wird, nur unter engen Voraussetzungen gerechtfertigt.5)

Der durch eine irreführende Blickfangangabe verursachte Irrtum wird auch bei wirtschaftlich bedeutsamen Erwerbsvorgängen regelmäßig nicht durch einen Hinweis am Ende eines nachfolgenden umfangreichen und unübersichtlichen Texts ausgeräumt, dessen inhaltlicher Bezug zum Blickfang nicht klargestellt wird.6)

Eine Irreführung durch eine geographische Herkunftsangabe im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG ist in der Regel wettbewerbsrechtlich relevant, weil es sich um ein wesentliches werbliches Kennzeichnungsmittel handelt.7)

Eine Irreführung über wesentliche Merkmale einer Ware im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 UWG liegt nicht nur vor, wenn einer Ware konkrete, im Einzelnen benannte Eigenschaften zugewiesen werden, die sie tatsächlich nicht aufweist.

Zu den wesentlichen Merkmalen einer Ware kann auch die Zugehörigkeit zu einer Produktkategorie (hier: vollsynthetische Motorenöle) gehören, die sich nach der Verkehrsauffassung von anderen Kategorien unterscheidet. Darin kann eine Angabe über die Art der Ware gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 UWG liegen.8)

Zu den wesentlichen Merkmalen der Ware oder Dienstleistung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 UWG gehört auch deren Art. Die Art eines Produkts bezeichnet seine Gattung und damit einen Oberbegriff für Produkte, die nach der Verkehrsauffassung in wesentlichen Merkmalen übereinstimmen9). Der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Produktkategorie kann der Verbraucher auch ohne nähere Angaben zu konkreten Eigenschaften erste Informationen darüber entnehmen, welchen konkreten Bedarf dieses Produkt befriedigt10). Die Angabe über die Art ist irreführend, wenn für die beworbene Ware oder Dienstleistung zu Unrecht die Zugehörigkeit zu einer Gattung in Anspruch genommen wird, mit der der Verkehr eine wie auch immer geartete Wertschätzung verbindet11).12)

Eine Irreführung kann dabei auch durch Angaben erfolgen, die über die Eigenschaften einer Ware oder Leistung unmittelbar nichts aussagen, von denen der Verkehr aber annimmt, dass sie nur verwendet werden, wenn bestimmte Beschaffenheitsmerkmale vorhanden sind, die für die Wertschätzung durch den Verbraucher von Bedeutung sind. Ob die kaufrelevante Wertschätzung, die der nach diesen Grundsätzen gebildeten Produktkategorie vom Verkehr entgegengebracht wird, im Hinblick auf konkrete objektive Eigenschaften zu Recht besteht oder auf der subjektiven Einschätzung beruht, mit dem Kauf eines infolge des aufwendigeren Herstellungsprozesses teureren Ware erwerbe man ein exklusiveres Produkt oder tue sich sonst „etwas Gutes“, ist ohne Belang.13)

Eine lauterkeitsrechtlich unzulässige Werbung mit einer Selbstverständlichkeit liegt vor, wenn der Verkehr eine Eigenschaft des Produkts als besonderen Vorzug ansieht, obwohl diese gesetzlich vorgeschrieben ist.14)

siehe auch

§ 5 (1) S. 1 UWG → Irreführende geschäftliche Handlungen

1)
BGH, Urteil vom 19. Februar 2014 I ZR 230/12 - Umweltengel für Tragetasche; m.V.a BGH, GRUR 1997, 229, 230 - Beratungskompetenz; GRUR 2000, 820, 822 Space Fidelity Peep-Show
2)
BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 - I ZR 129/13
3)
BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 - I ZR 129/13; m.V.a. BGH, Urteil vom 28. November 2002 - I ZR 110/00, GRUR 2003, 249 f. = WRP 2003, 379 - Preis ohne Monitor
4)
BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 - I ZR 129/13; m.V.a. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2002 - I ZR 50/00, GRUR 2003, 163, 164 = WRP 2003, 273 - Computerwerbung II; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 5 Rn. 2.98; Großkomm.UWG/Lindacher, 2. Aufl., § 5 Rn. 105; Fezer/Peifer, UWG, 2. Aufl., § 5 Rn. 226
5)
BGH, Versäumnisurteil vom 21. September 2017 - I ZR 53/16 - Festzins Plus; m.V.a. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - I ZR 260/14, GRUR 2016, 207 Rn. 18 = WRP 2016, 184 - All Net Flat
6)
BGH, Versäumnisurteil vom 21. September 2017 - I ZR 53/16 - Festzins Plus
7)
BGH, Urteil vom 30. Juli 2015 - I ZR 250/12 - Piadina-Rückruf
8) , 12) , 13)
BGH, Urteil vom 21. Juni 2018 - I ZR 157/16 - Vollsynthetisches Motorenöl
9)
Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl., § 5 Rn. 2.5
10)
vgl. Peifer/Obergfell in Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl., § 5 Rn. 287
11)
Großkomm.UWG/Lindacher, 2. Aufl., § 5 Rn. 348
14)
BGH, Urteil vom 11. Juli 2024 – I ZR 164/23 - Nikotinhaltige Liquids