Begrenzung des wettbewerbsrechtlichen Beseitigungsanspruchs bei Verbraucherforderungen

Mit dem wettbewerbsrechtlichen Beseitigungsanspruch kann nicht verlangt werden, dass ein Unternehmer die von ihm zu Lasten einer Vielzahl von Verbrauchern einbehaltenen Geldbeträge an die betroffenen Verbraucher zurückzahlt. Die Zuerkennung eines solchen Anspruchs steht mit der Systematik des kollektiven Rechtsschutzes nach dem geltenden Recht nicht im Einklang und ist auch nicht zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes geboten.1)

Der Gesetzgeber hat bereits bei Regelung des Gewinnabschöpfungsanspruchs nach § 10 UWG im Jahr 2004 erkannt, dass Durchsetzungsdefizite bei sogenannten Streuschäden bestehen, also in Fallkonstellationen, in denen durch unlauteres Verhalten eine Vielzahl von Verbrauchern geschädigt wird, die Schadenshöhe im Einzelnen aber so gering ist, dass Betroffene aus Zweckmäßigkeitserwägungen regelmäßig von einer Rechtsverfolgung absehen. Die Gewinnabschöpfung sollte diese Durchsetzungsdefizite ausgleichen, indem Wirtschaftsverbände, Verbraucherorganisationen und Kammern die Herausgabe des (gesamten) Gewinns des Schädigers an den Bundeshaushalt verlangen können.2)

Der Anspruch auf Gewinnabschöpfung nach § 10 UWG setzt - wie auch der im Jahr 2022 eingeführte Anspruch auf Verbraucherschadensersatz nach § 9 Abs. 2 UWG - Verschulden voraus. Diese Systematik würde durch einen verschuldensunabhängigen Ausgleich zu Gunsten von Verbrauchern mit dem Beseitigungsanspruch des § 8 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UWG unterlaufen.3)

Mit der im Jahr 2023 durch das Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz eingeführten Abhilfeklage (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 14 VDuG) und der schon seit dem Jahr 2018 bestehenden Musterfeststellungsklage (zuvor §§ 606 ff. ZPO; jetzt § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 41 VDuG) hat der Gesetzgeber ermöglicht, dass qualifizierte Verbraucherverbände (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 VDuG) gegen Unternehmer gerichtete Ansprüche von Verbrauchern auf Leistung geltend machen und dass Feststellungen getroffen werden, die für eine Vielzahl von individuellen Ansprüchen relevant sind. Um an einem Abhilfeverfahren oder einem Musterfeststellungsverfahren teilnehmen zu können, müssen Verbraucher ihre Ansprüche wirksam zur Eintragung im Verbandsklageregister anmelden (§ 4 Abs. 1, § 46 VDuG). Wer den Verbraucher nicht namentlich bezeichnet, sondern anhand der Voraussetzungen ihrer Anspruchsberechtigung kollektiv beschrieben, richtet sich die Klage auf Zahlung eines kollektiven Gesamtbetrags (§ 15 Abs. 2 Satz 2, § 19 VDuG), der in einem späteren Umsetzungsverfahren (§§ 22 bis 38 VDuG) an alle berechtigten Verbraucher verteilt wird. Ein aus § 8 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UWG abgeleiteter verschuldensunabhängiger Beseitigungsanspruch der Berechtigten aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 UWG, mit der ein Unternehmer zur Rückzahlung der von ihm zu Lasten einer Vielzahl von Verbrauchern einbehaltenen Geldbeträge an die betroffenen Verbraucher verpflichtet werden könnte, träte neben dieses vom Gesetzgeber austarierte Konzept des kollektiven Rechtsschutzes.4)

Die Zuerkennung eines Beseitigungsanspruchs auf Rückzahlung einbehaltener Geldbeträge an eine Vielzahl von Verbrauchern ist nicht erforderlich, um effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Stattdessen genügt es, die betroffenen Verbraucher über die Unwirksamkeit der Klausel zu informieren, damit sie die notwendige Kenntnis zur Durchsetzung ihrer individuellen Ansprüche erhalten, auch wenn dies die Vermögensverschiebung nicht rückgängig macht.5)

siehe auch

§ 8 (1) S. 1 UWG → Beseitigungsanspruch
Anspruch im Wettbewerbsrecht, der darauf abzielt, einen bestehenden wettbewerbswidrigen Zustand zu beseitigen.

1) , 4)
BGH, Urteil vom 11. September 2024 - I ZR 168/23 - Payout Fee
2)
BGH, Urteil vom 11. September 2024 - I ZR 168/23 - Payout Fee; m.V.a. vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, S. 23; ebenso BT-Drucks. 20/6520, S. 125; Podszun/Busch/Henning-Bodewig, Behördliche Durchsetzung des Verbraucherrechts?, 2018, S. 2, 34, 175
3)
BGH, Urteil vom 11. September 2024 - I ZR 168/23 - Payout Fee; m.w.N.
5)
vgl. BGH, Urteil vom 11. September 2024 - I ZR 168/23 - Payout Fee