§ 4 UWG → Beispiele unlauterer geschäftlicher Handlungen
Das Abwerben fremder Mitarbeiter ist als Teil des freien Wettbewerbs grundsätzlich erlaubt.1)
Es ist nur dann wettbewerbswidrig, wenn unlautere Begleitumstände hinzukommen, insbesondere unlautere Mittel eingesetzt oder unlautere Zwecke verfolgt werden.2)
Die Schwelle der als bloße Folge des Wettbewerbs hinzunehmenden Behinderung ist allerdings - auch beim Abwerben von Mitarbeitern - überschritten, wenn das betreffende Verhalten bei objektiver Würdigung der Umstände in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist.3) oder wenn die Behinderung derart ist, dass der beeinträchtigte Mitbewerber seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann.4)
→ Gezielte Behinderung (§ 4 Nr. 10 UWG)
Jeder Mitarbeiter hat das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Recht der freien Wahl des Arbeitsplatzes.5)
Dies schließt das Recht ein, selbst über das Ende seines Arbeitsverhältnisses und den Wechsel zu einem neuen Arbeitgeber zu entscheiden und dabei gegebenenfalls das Risiko einzugehen, durch das neue Arbeitsverhältnis den Vertrag mit dem alten Arbeitgeber zu verletzen.6).
Unlauter ist es, den Mitarbeiter eines Mitbewerbers zum Vertragsbruch zu verleiten, d.h. gezielt und bewusst auf dessen Vertragsbruch hinzuwirken.7)
Das bloße Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs, ohne den vertraglich Gebundenen zu dem Vertragsbruch zu verleiten, ist dagegen grundsätzlich nicht unlauter, wenn nicht besondere die Unlauterkeit begründende Umstände hinzutreten.8)
Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die schuldrechtliche Bindung zwischen dem Wettbewerber und seinem Vertragspartner Dritten gegenüber im Allgemeinen keine rechtlichen Wirkungen zu entfalten vermag und dass die Annahme eines Wettbewerbsverstoßes schon bei Ausnutzen fremden Vertragsbruchs gewissermaßen zu einer Verdinglichung der schuldrechtlichen Verpflichtungen führen würde.9)
Diese Grundsätze gelten auch für das Ausnutzen des Vertragsbruchs eines bei einem Mitbewerber beschäftigten Mitarbeiters.10)
Verstößt ein Handelsvertreter gegen ein (vertragliches oder nachvertragliches) Wettbewerbsverbot, so ist er dem Unternehmer zwar zum Schadensersatz verpflichtet. Insbesondere hat er den Gewinn zu ersetzen, der dem Unternehmer dadurch entgangen ist, dass der Handelsvertreter vertragswidrig Geschäfte nicht für ihn, sondern für einen Konkurrenten vermittelt hat.11).
Dagegen muss der vertragsbrüchige Handelsvertreter die Vergütung, die er von dem Konkurrenten für die für diesen unter Verstoß gegen das ihm auferlegte Wettbewerbsverbot vermittelten Geschäfte erhalten hat, nicht herausgeben.12)
Die Wirksamkeit des Vertragsverhältnisses zwischen dem Konkurrenten und dem (vertragsbrüchigen) Handelsvertreter wird demnach durch den von diesem begangenen Verstoß gegen das für ihn im Verhältnis zu seinem bisherigen Vertragspartner bestehende Wettbewerbsverbot nicht berührt. Der Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot entfaltet Wirkungen lediglich im Vertragsverhältnis zwischen dem Handelsvertreter und seinem Vertragspartner, nicht dagegen gegenüber dem Konkurrenten, für den der Handelsvertreter (vertragswidrig) tätig wird. Die Unternehmer sind ausreichend dadurch geschützt, dass sie ihre vertragsbrüchigen Vertragspartner auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch nehmen können.13)
Die Unlauterkeit des Ausnutzens eines fremden Vertragsbruchs kann nicht allein aus der Kenntnis oder dem Kennenmüssen des ausgenutzten Vertragsbruchs hergeleitet werden.14)
Nach der neueren Rechtsprechung des Senats genügt die Missachtung einer zwischen dem Wettbewerber und einem Dritten bestehenden Ausschließlichkeitsbindung nicht zur Begründung der Unlauterkeit des Ausnutzens eines fremden Vertragsbruchs.15)
Für den Bereich der selektiven Vertriebssysteme hat der Senat ausdrücklich entschieden, dass der Außenseiter, der systemgebundene Ware erwirbt, nicht unlauter handelt, obwohl er den Vertragsbruch eines gebundenen Händlers ausnutzt. Ersichtlich ist der Senat dabei davon ausgegangen, dass der Außenseiter in aller Regel Kenntnis von der Vertriebsbindung der Ware hat oder zumindest haben kann und er nicht schon wegen dieser Kenntnis oder Kenntnismöglichkeit grundsätzlich wettbewerbswidrig handelt.16)
Von einer gezielte Behinderung der Mitbewerber kann beim bloßen Ausnutzen des Vertragsbruchs eines abgeworbenen Mitarbeiters durch den Mitbewerber jedoch auch dann nicht ausgegangen werden, wenn der Mitbewerber den Vertragsbruch kennen musste oder sogar kannte. Nach der Lebenserfahrung beruht die Beschäftigung eines Mitarbeiters in erster Linie darauf, dass dessen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Förderung des eigenen Wettbewerbs nutzbar gemacht werden sollen. Der Umstand, dass der Mitarbeiter vertraglich noch anderweitig gebunden ist, rechtfertigt ohne das Hinzutreten weiterer Anhaltspunkte auch dann keine andere Beurteilung, wenn der neue Dienstherr von der vertraglichen Bindung und damit von dem Vertragsbruch des Mitarbeiters Kenntnis hat. Die bloße Kenntnis allein kann nicht dazu führen, dass schon aus diesem Grunde die mit der Abwerbung verbundene Behinderung ein solches Ausmaß erreicht, dass der beeinträchtigte Mitbewerber seine Leistung am Markt nicht mehr in angemessener Weise durch eigene Anstrengung zur Geltung bringen kann.17)
Die Unlauterkeit des Ausnutzens des fremden Vertragsbruchs ergibt sich ferner nicht daraus, dass schon die bloße Bereitschaft des Mitbewerbers, den vertragsbrüchigen Arbeitnehmer zu beschäftigen, diesen in seinem Entschluss, vertragsbrüchig zu werden, bestärken und darin eine gewisse Förderung des Vertragsbruchs liegen kann.(BGH, Urt. v. 11. Januar 2007 - I ZR 96/04 - Außendienstmitarbeiter))
Auch das genügt im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung nicht, um die Unlauterkeit des Verhaltens des neuen Dienstherrn zu begründen. Soweit im Schrifttum in diesem Zusammenhang auf die Regelung des § 125 Abs. 1 Satz 2 GewO a.F. hingewiesen worden ist, nach der ein Arbeitgeber, der einen Gesellen oder Gehilfen annahm, von dem er wusste, dass dieser noch einem anderen Arbeitgeber zur Arbeit verpflichtet war, dem früheren Arbeitgeber zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet war18), braucht der Frage, ob dem eine sich auch auf das wettbewerbsrechtliche Unlauterkeitsurteil auswirkende Wertung zugrunde lag, nicht (mehr) nachgegangen zu werden. Denn diese Regelung ist durch Art. 1 Nr. 20 des Dritten Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlichen Vorschriften vom 24. August 2002 (BGBl. I S. 3412) mit Wirkung zum 1. Januar 2003 zusammen mit anderen inhaltlich nicht mehr als zeitgemäß angesehenen Vorschriften ersatzlos entfallen.19)