Eine Partei hat die Berufungsfrist (§ 517 ZPO) versäumt, wenn die Berufungsschrift an das unzuständige Landgericht adressiert war und bei dem Berufungsgericht, bei dem sie gemäß § 519 Abs. 1 ZPO hätte eingereicht werden müssen, erst nach Fristablauf eingegangen ist.1)
Allerdings ist einer Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sich das Verschulden einer Partei oder ihrer Verfahrensbevollmächtigten [→ Sorgfaltspflicht in Fristsachen] im Hinblick auf die unrichtige Bezeichnung des Gerichts bei der Versäumung der Rechtsmittelfrist nicht auswirkt, weil die Partei darauf vertrauen darf, dass der beim unzuständigen Gericht eingereichte Schriftsatz noch rechtzeitig an das Rechtsmittelgericht weitergeleitet wird.2)
Da das Gericht einerseits aufgrund des Anspruchs auf ein faires Verfahren zur Rücksichtnahme auf die Parteien verpflichtet ist, andererseits die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlichen Belastungen geschützt werden muss, besteht keine generelle Fürsorgepflicht des für das Rechtsmittel unzuständigen Gerichts, durch Hinweise oder andere geeignete Maßnahmen eine Fristversäumung des Rechtsmittelführers zu verhindern. Einer Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten muss die Verantwortung für die Ermittlung des richtigen Adressaten fristgebundener Verfahrenserklärungen nicht allgemein abgenommen und auf unzuständige Gerichte verlagert werden.3)
Geht ein fristwahrender Schriftsatz statt beim Rechtsmittelgericht beim erstinstanzlichen Gericht ein, ist dieses deshalb grundsätzlich lediglich verpflichtet, den Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten.4)
Die eine Wiedereinsetzung begehrende Partei hat mithin darzulegen und glaubhaft zu machen, dass ihr Schriftsatz im normalen ordnungsgemäßen Geschäftsgang fristgerecht an das zuständige Rechtsmittelgericht hätte weitergeleitet werden können.5)
Bei der Frage, ob eine fristgerechte Weiterleitung im normalen ordnungsgemäßen Geschäftsgang zu erwarten war, ist zu berücksichtigen, dass die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht der Gerichte keine generelle Verpflichtung zur sofortigen Prüfung der Zuständigkeit erfordert.6)
Geht der Schriftsatz erst einen Tag vor Fristablauf beim unzuständigen Gericht ein, ist es den Gerichten regelmäßig nicht anzulasten, dass die Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang nicht zum rechtzeitigen Eingang beim Rechtsmittelgericht geführt hat.7)
Das Landgericht war auch nicht verpflichtet, den Kläger oder seinen Prozessbevollmächtigten innerhalb der Berufungsfrist von der Einreichung der Berufung beim unzuständigen Gericht zu unterrichten.8)
Reicht eine Partei eine Rechtsmittelschrift beim unzuständigen Ausgangsgericht ein, so entspricht es regelmäßig dem ordentlichen Geschäftsgang, dass die Geschäftsstelle die richterliche Verfügung der Weiterleitung des Schriftsatzes an das Rechtsmittelgericht am darauf folgenden Werktag ausführt. Die Partei hat darzulegen und glaubhaft zu machen, dass sie wegen eines davon abweichenden üblichen Geschäftsgangs am Ausgangsgericht darauf vertrauen durfte, die richterliche Verfügung werde noch am selben Tag umgesetzt.9)
Hat der Prozessbevollmächtigte einer Partei die Anfertigung einer Rechtsmittelschrift seinem angestellten Büropersonal übertragen, ist er verpflichtet, das Arbeitsergebnis vor Absendung über das besondere elektronische Anwaltspostfach sorgfältig auf Vollständigkeit zu überprüfen. Dazu gehört auch die Überprüfung, ob das Rechtsmittelgericht richtig bezeichnet ist.10)