Unanfechtbarkeit und Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses

§ 281 (2) ZPO

Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.

Verweisungsbeschlüsse nach § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind unanfechtbar und gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO für das Gericht, an das verwiesen wird, bindend. Dies entzieht auch einen sachlich zu Unrecht erlassenen Verweisungsbeschluss grundsätzlich jeder Nachprüfung.1)

Die Unanfechtbarkeit der Entscheidung entzieht sie jeder Nachprüfung, auch wenn sie zu Unrecht erlassen worden sein sollte, und macht damit nicht nur die Verweisung selbst, sondern auch die ihr zugrundeliegende Entscheidung über die Zuständigkeit unanfechtbar, so dass sie weder von dem Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, nachgeprüft noch von dem übergeordneten Gericht geändert werden kann.2)

Die Unanfechtbarkeit ergibt sich aus dem Gebot der Prozesswirtschaftlichkeit und soll Verzögerungen eines Prozesses durch Zuständigkeitsfragen vorbeugen3). Dies gilt auch dann, wenn die Verweisung durch Urteil erfolgt4) und wenn der Verweisungsantrag in der Berufungsinstanz wenn auch nur hilfsweise gestellt wird5).6)

§ 281 ZPO betrifft nach seinem Wortlaut nur Verweisungen zwischen verschiedenen Gerichten und ist daher grundsätzlich nicht auf Abgaben oder Verweisungen unter Spruchkörpern desselben Gerichts anwendbar.7)

Einem Verweisungsbeschluss kann die gesetzlich vorgesehene bindende Wirkung nur dann abgesprochen werden, wenn er schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen anzusehen ist, etwa weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss.8)

Willkür liegt nur vor, wenn dem Verweisungsbeschluss jede rechtliche Grundlage fehlt und er bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist.9)

siehe auch

§ 281 ZPO → Verweisung bei Unzuständigkeit
Regelt die Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige Gericht bei Unzuständigkeit des angegangenen Gerichts.

1)
BGH, Beschluss vom 19. März 2024 - X ARZ 119/23; m.V.a. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2008 - X ARZ 45/08, NJW-RR 2008, 1309 Rn. 6. Relevante Normen: § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO, § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO
2)
BGH, Beschluss vom 8. März 2012, ZR 55/11; m.V.a. allgem. Meinung, vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 1951 II ZR 16/51, BGHZ 2, 278, 279; Beschluss vom 24. Mai 2000 III ZB 9/00, NJW-RR 2000, 1731, 1732; Beschluss vom 22. April 2008 XI ZR 355/06, GuT 2008, 217; Beschluss vom 27. Mai 2008 X ARZ 45/08, NJW-RR 2008, 1309; BAG, NJW 1991, 1630; MünchKomm.ZPO/Prütting, 3. Aufl., § 281 Rn. 40; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 281 Rn. 63; Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 3. Aufl., § 281 Rn. 105; Musielak/Foerste, ZPO, 8. Aufl., § 281 Rn. 11; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 281 Rn. 14; Geisler in Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl., § 281 Rn. 36; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 281 Rn. 11; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl., § 281 Rn. 27
3)
BGHZ 2, 278, 279
4)
vgl. BGH, NJW-RR 2000, 1731, 1732; BGH, GuT 2008, 217
5)
vgl. BAG, NJW 1991, 1630, 1631
6)
BGH, Beschluss vom 8. März 2012, ZR 55/11
7)
BGH, Beschluss vom 26. Juli 2022 - X ARZ 3/22
8)
BGH, Beschluss vom 19. März 2024 - X ARZ 119/23; m.V.a. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2005 - X ARZ 223/05, NJW 2006, 847 Rn. 12; BGH, Beschluss vom 27. Mai 2008 - X ARZ 45/08, NJW-RR 2008, 1309 Rn. 6.
9)
BGH, Beschluss vom 19. März 2024 - X ARZ 119/23; m.V.a. BGH, Beschluss vom 10. Juni 2003 - X ARZ 92/03, NJW 2003, 3201; BGH, Beschluss vom 27. Mai 2008 - X ARZ 45/08, NJW-RR 2008, 1309 Rn. 6