Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO [→ Kosten der Vertretung durch einen Anwalt] sind Reisekosten eines Rechtsanwalts der obsiegenden Partei, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, nur insoweit zu erstatten, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war.1)
Bei der Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren, kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig handelnde Partei die die Kosten auslösende Maßnahme aus der Sicht ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Sie ist lediglich gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen. Bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Maßnahme ist zudem eine typisierende Betrachtungsweise geboten. Denn der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Betrachtung im Einzelfall zu erzielen ist, steht in keinem Verhältnis zu den sich einstellenden Nachteilen, wenn in nahezu jedem Einzelfall darüber gestritten wer-den kann, ob die Kosten einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Verteidigungsmaßnahme zu erstatten sind oder nicht.2)
Von den Kosten, die durch die Mitwirkung eines Patentanwalts in einer Kennzeichenstreitsache entstehen, sind die Gebühren nach § 13 RVG und außerdem die notwendigen Auslagen des Patentanwalts zu erstatten (§ 140 Abs. 3 MarkenG). Der Zweck dieser Norm liegt darin, die Durchsetzung des Erstattungsanspruchs zu erleichtern, indem derjenige, der dem Grunde nach einen Kostenerstattungsanspruch hat, vom Nachweis der Notwendigkeit der Mitwirkung eines Patentanwalts entbunden wird.3)
Für eine Partei, die an ihrem eigenen Gerichtsstand verklagt wird, kann die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts grundsätzlich nur dann als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig angesehen werden, wenn besondere Umstände die Einschaltung des auswärtigen Rechtsanwalts geboten erscheinen lassen.4)
Solche besonderen Umstände können insbesondere dann vorliegen, wenn die dem Rechtsstreit vorangegangene unternehmensinterne Bearbeitung der Sache an einem Ort stattgefunden hat, an dem das Unternehmen weder seinen Hauptsitz noch eine Zweigniederlassung unterhält.5)
In diesem Fall sind die Reisekosten, die dem Unternehmen durch die Beauftragung eines am Ort der Bearbeitung ansässigen Rechtsanwalts entstanden sind, nach denselben Grundsätzen zu erstatten wie sonst im Falle der Beauftragung eines am Sitz des Unternehmens ansässigen Rechtsanwalts. Denn für die Kostenerstattung kommt es auf die tatsächliche Organisation eines an einem Rechtsstreit beteiligten Unternehmens an und nicht darauf, welche Unternehmensorganisation unter Erstattungsgesichtspunkten zweckmäßiger oder günstiger gewesen wäre.6)
Die für die Notwendigkeit der Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts erforderlichen besonderen Umstände setzen, wenn sie nicht aus der Natur des Streitfalls folgen, jedenfalls voraus, dass die außergerichtliche Bearbeitung der Sache aufgrund einer allgemeinen Maßnahme der Betriebsorganisation und nicht nur im Einzelfall für die Partei an dem Ort erfolgt, an dem der auswärtige Rechtsanwalt seine Kanzlei hat.7)
Im Hinblick auf die gewählte Betriebsorganisation hat es der Bundesgerichtshof für die Erstattung der Kosten des auswärtigen Rechtsanwalts auch ausreichen lassen, wenn ein Versicherer bei streitig werdenden Leistungsablehnungen die Sache nicht mehr im eigenen Unternehmen weiterbearbeitet, sondern sie zur selbständigen Bearbeitung an einen externen Rechtsanwalt übergibt, der bei Fehlschlagen einer außergerichtlichen Klärung auch die Pro-zessführung übernimmt.8)
Dagegen ist es für sich allein noch nicht als ausreichender Grund zur Beauftragung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten angesehen worden, wenn eine am Sitz des Prozessgerichts oder in dessen Nähe ansässige Partei einen auswärtigen Rechtsanwalt nur deshalb wählt, weil sie mit ihm durch eine langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit verbunden ist. Anderes kann allenfalls dann gelten, wenn Besonderheiten in der Sache selbst oder ihrer Bearbeitung die Annahme rechtfertigen, dass am Ort des Prozessgerichts oder am Sitz der Partei keine zur sachangemessenen Prozessvertretung geeigneten Rechtsanwälte niedergelassen sind.9)
Bereits höchstrichterlich geklärt ist die Frage, in welcher Höhe die Reisekosten eines Rechtsanwalts erstattet werden können, dessen Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war und der eine Partei vertritt, die bei einem auswärtigen Gericht klagt oder verklagt wird, und der selbst weder am Gerichtsort noch am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässig ist („Rechtsanwalt am dritten Ort“). Als notwendig und damit erstattungsfähig anzusehen sind Reisekosten in diesen Fällen regelmäßig bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts10). Denn darf bei einem Streitfall eine vernünftige und kostenbewusste Partei den für sie einfacheren und naheliegenden Weg wählen, einen an ihrem Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten zu beauftragen, ist sie, soweit dessen Reisekosten nicht überschritten werden, nicht daran gehindert, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung einen an einem dritten Ort ansässigen Rechtsanwalt ihres Vertrauens zu beauftragen11).12)
Die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei unterliegt nach dem Wortlaut des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur dann einer Notwendigkeitsprüfung, wenn der Rechtsanwalt weder am Gerichtsort wohnt noch im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist. Reisekosten eines im Gerichtsbezirk - nicht notwendig am Gerichtsort - niedergelassenen oder wohnhaften Rechtsanwalts kann die obsiegende Partei dagegen ausnahmslos erstattet verlangen.13)
Die Frage, ob Mehrkosten für die Anreise eines auswärtigen Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, stellt sich deshalb erst und allein für die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten ab der Gerichtsbezirksgrenze.14) Darf eine Partei bei einem Streitfall einen im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalt beauftragen, ist sie, soweit dessen Reisekosten nicht überschritten werden, nicht daran gehindert, auch die tatsächlichen Reisekosten des von ihr beauftragten, nicht am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt ihres Vertrauens erstattet zu bekommen; das gilt auch dann, wenn die Beauftragung selbst nicht im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO notwendig war. Schutzwürdige Belange der gegnerischen Partei, nicht mit zusätzlichen Kosten belastet zu werden, sind wegen der Begrenzung der Kostenerstattung auf - maximal - die Reisekosten eines im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts, mit denen sie immer rechnen muss, nicht betroffen.15)
Ist die Hinzuziehung eines auswärtigen Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO, führt dies lediglich dazu, dass die Mehrkosten, die gegenüber der Beauftragung von bezirksansässigen Prozessbevollmächtigten entstanden sind, nicht zu erstatten sind. Tatsächlich angefallene Reisekosten des auswärtigen Rechtsanwalts sind deshalb insoweit erstattungsfähig, als sie auch dann entstanden wären, wenn die obsiegende Partei einen Rechtsanwalt mit Niederlassung am weitest entfernt gelegenen Ort innerhalb des Gerichtsbezirks beauftragt hätte.16)
§ 91 (2) S. 1 ZPO → Kosten der Vertretung durch einen Anwalt