Gewillkürte Prozeßstandschaft

§ 51 (1) ZPO

Die Fähigkeit einer Partei, vor Gericht zu stehen, die Vertretung nicht prozessfähiger Parteien durch andere Personen (gesetzliche Vertreter) und die Notwendigkeit einer besonderen Ermächtigung zur Prozessführung bestimmt sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nicht die nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten.

Eine gewillkürte Prozessstandschaft setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine wirksame Ermächtigung des Prozessstandschafters zur gerichtlichen Verfolgung der Ansprüche des Rechtsinhabers sowie ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Ermächtigten an dieser Rechtsverfolgung voraus, wobei dieses Interesse auch wirtschaftlicher Natur sein kann.1)

Eine Ermächtigung zur Prozessführung kann formlos und auch durch konkludentes Handeln erteilt werden (BGHZ 94, 117, 122). Sie muss sich auf einen bestimmten Anspruch aus einem bestimmten Rechtsverhältnis beziehen.2)

Eine gewillkürte Prozessstandschaft ist zulässig, wenn eine wirksame Ermächtigung des Prozessstandschafters zur gerichtlichen Verfolgung der Ansprüche des Rechtsinhabers sowie ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Ermächtigten an dieser Rechtsverfolgung vorliegen, wobei dieses Interesse auch wirtschaftlicher Natur sein kann.3)

Zulässigkeitsvoraussetzungen:

Eigenes Schutzwürdiges Interesse

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Dritter aufgrund einer Ermächtigung des Rechtsinhabers aus dessen Recht dann auf Unterlassung klagen, wenn er ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat.4)

Unternehmenskonzerne

Wird ein Dachverband im Wege gewillkürter Prozessstandschaft von einem Landesverband zur Geltendmachung markenrechtlicher Abwehransprüchen gegenüber einem jüngeren Kollisionszeichen ermächtigt, so kann sich das schutzwürdige Eigeninteresse des Dachverbands aus der Mitgliedschaft des Landesverbands im Zentralverband ergeben, wenn die verletzte Bezeichnung auch vom Dachverband benutzt wird.5)

Das schutzwürdige Interesse wird beispielsweise bejaht, wenn eine Konzernmutter von der von ihr beherrschten Konzerntochter ermächtigt wird oder wenn zwischen Ermächtigendem und Ermächtigtem ein Vertriebsvertrag hinsichtlich der gekennzeichneten Produkte besteht.6)

Eine Konzernmuttergesellschaft hat regelmäßig ein schutzwürdiges eigenes Interesse an der Durchsetzung kennzeichenrechtlicher Ansprüche einer von ihr als Alleingesellschafterin zu 100 % beherrschten GmbH im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft.7)

Es ist nicht erforderlich, dass das in Rede stehende Kennzeichenrecht ausdrücklich Gegenstand der Rechtsbeziehung ist. Ausreichend ist vielmehr, dass seine Beeinträchtigung wirtschaftlich auch in hohem Maße zu Lasten des ermächtigten Unternehmens geht. Dies ist anzunehmen, wenn ein Firmenschlagwort sowohl vom Ermächtigenden als auch vom Ermächtigten genutzt wird.8)

siehe auch

Prozeßstandschaft
Prozessführungsbefugnis

1)
BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 - I ZR 28/12 - Beuys-Aktion; m.V.a. BGH, Urteil vom 23. September 1992 - I ZR 251/90, BGHZ 119, 237, 242 - Universitätsemblem; Ur-teil vom 17. Juli 2008 - I ZR 168/05, GRUR 2009, 181 Rn. 18 = WRP 2009, 182 - Kinderwärmekissen; Urteil vom 31. Juli 2008 - I ZR 21/06, GRUR 2008, 1108 Rn. 54 = WRP 2008, 1537 - Haus & Grund III
2) , 5)
BGH, Urt. v. 31. Juli 2008 - I ZR 21/06 - Haus & Grund III
3)
BGH, Urteil vom 5. November 2015 - I ZR 91/11 - Marcel-Breuer-Möbel II; m.V.a. BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 - I ZR 28/12, GRUR 2014, 65 Rn. 24 = WRP 2014, 68 - Beuys-Aktion, mwN; BGH, Urteil vom 27. November 2014 - I ZR 124/11, GRUR 2015, 672 Rn. 87 = WRP 2015, 739 - Videospiel-Konsolen II
4)
BGH, Urt. v. 31. Juli 2008 - I ZR 21/06 - Haus & Grund III; m.V.a. BGHZ 145, 279, 286 – DB Immobilienfonds
6)
BGH, Urt. v. 31. Juli 2008 - I ZR 21/06 - Haus & Grund III; vgl. BGHZ 145, 279, 286 – DB Immobilienfonds; BGH GRUR 1995, 54, 57 – Nicoline
7)
BGH WRP 1995, 13 - Nicoline
8)
BGH, Urt. v. 31. Juli 2008 - I ZR 21/06 - Haus & Grund III; m.V.a. BGH GRUR 1995, 54, 57 – Nicoline