Vergütungspflicht zur Sicherung des gerechten Ausgleichs

Die Vergütungspflicht zur Sicherung des gerechten Ausgleichs spielt eine zentrale Rolle im Zusammenhang mit der Ausnahme für Privatkopien, die in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG geregelt ist [→ Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch]. Diese Bestimmung erlaubt es den Mitgliedstaaten, unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen vom Vervielfältigungsrecht zuzulassen, erfordert jedoch, dass die Rechteinhaber für den dadurch entstehenden Schaden eine angemessene Entschädigung erhalten. Der gerechte Ausgleich bildet dabei das Kernprinzip, das den wirtschaftlichen Interessen der Rechteinhaber Rechnung tragen und den Verlust kompensieren soll, der durch private Vervielfältigungen entsteht.

Die Vergütungspflicht richtet sich häufig an Hersteller, Importeure oder Händler von Geräten und Speichermedien, die zur Anfertigung von Kopien genutzt werden können. Sie sind verpflichtet, eine Abgabe zu leisten, die letztlich dazu dient, den Rechteinhabern den geregelten Ausgleich zu ermöglichen. Diese Konstruktion wird durch die Möglichkeit ergänzt, die finanziellen Lasten auf die Endnutzer abzuwälzen, indem die Vergütung in die Preise der Geräte oder Speichermedien eingepreist wird. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Rechteinhaber ihren Ausgleich erhalten, ohne die Endnutzer unmittelbar mit der Zahlung der Vergütung zu belasten.

Von besonderer Bedeutung ist dabei die widerlegbare Vermutung, dass Geräte und Speichermedien, die technisch für die Anfertigung von Privatkopien geeignet sind, auch tatsächlich dafür genutzt werden. Diese Vermutung rechtfertigt die Erhebung der Vergütung, auch wenn konkrete Nachweise für die Nutzung in jedem Einzelfall fehlen. Gleichzeitig eröffnet sie den Herstellern, Importeuren und Händlern die Möglichkeit, die Vergütungspflicht zu entkräften, indem sie darlegen, dass die entsprechenden Geräte oder Speichermedien ausschließlich für andere Zwecke verwendet werden.

Ein strittiger Punkt in der Auslegung des Unionsrechts ist die Frage, ob und in welchem Umfang diese Vergütungspflicht auch bei Verkäufen an gewerbliche Endabnehmer greift. Die deutsche Rechtsprechung geht von einer grundsätzlichen Vergütungspflicht aus, sofern keine eindeutigen Nachweise erbracht werden, dass die betreffenden Geräte nur in geringem Umfang für private Kopien genutzt werden können. In anderen Mitgliedstaaten wird jedoch teilweise eine strengere Trennung vorgenommen, die Verkäufe an gewerbliche Abnehmer vollständig von der Vergütungspflicht ausnimmt. Diese unterschiedlichen Ansätze unterstreichen die Komplexität der Umsetzung des gerechten Ausgleichs und die Notwendigkeit einer unionsweiten Klärung durch den Europäischen Gerichtshof.

Nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG können die Mitgliedstaaten für das Vervielfältigungsrecht Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke unter der Bedingung vorsehen, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten [→ Vergütungspflicht zur Sicherung des gerechten Ausgleichs ], wobei berücksichtigt wird, ob technische Maßnahmen gemäß Art. 6 der Richtlinie auf das betreffende Werk oder den betreffenden Schutzgegenstand angewendet wurden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG dahin auszulegen, dass die unterschiedslose Anwendung der Vergütung für Privatkopien auf Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung, die nicht privaten Nutzern überlassen werden und eindeutig anderen Verwendungen als der Anfertigung von Privatkopien vorbehalten sind, mit der Richtlinie unvereinbar ist.1)

Für die Anwendung dieser Grundsätze durch die Rechtspraxis ist zu berücksichtigten, dass die in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG vorgenommene Anknüpfung der Schrankenbestimmung zum einen an die natürliche Person und zum anderen an den privaten Gebrauch zu praktischen Schwierigkeiten führt. Diese liegen zum einen darin begründet, dass Geräte wie beispielsweise PCs mit Speichern, die technisch zur Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2001/29/EG geeignet sind, nicht nur von natürlichen Person zum privaten Gebrauch, sondern sowohl von diesen als auch von juristischen Personen beziehungsweise deren Mitarbeitern zu kommerziellen Zwecken genutzt werden können. Zum anderen kann es nicht nur bei Lieferungen von PCs mit Speichern an natürliche Personen zu Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch kommen, sondern auch bei einer Lieferung an juristische Personen. Ist die juristische Person etwa ein gewerblicher Zwischenhändler, der Teil der zu natürlichen Personen als Endabnehmern führenden Vertriebskette ist, schließt dies nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge nicht aus, dass mit dem Gerät letztlich vergütungspflichtige Vervielfältigungen von einer natürlichen Person zum privaten Gebrauch vorgenommen werden.2)

Eine tatsächlich nicht ins Gewicht fallende Nutzung zur Anfertigung von Privatkopien kann überdies nicht allein deshalb angenommen werden, weil PCs mit Speichern an Behörden, juristische Personen oder solche natürlichen Personen als Endabnehmer geliefert werden, die als Freiberufler oder Gewerbetreibende zu kommerziellen Zwecken tätig sind. Allein der Umstand, dass ein PC mit eingebautem Speicher, der seinem Typ nach für Bild- und Tonaufzeichnungen genutzt werden kann, einem gewerblichen Endabnehmer überlassen wird, steht seiner Nutzung zu privaten Zwecken nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht entgegen. Vielmehr ist nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht ausgeschlossen, dass solche Geräte auch im Arbeitsumfeld zur Anfertigung von Privatkopien genutzt werden3) oder nach Ablauf der steuerlichen Abschreibungsfristen ausgetauscht werden und auf dem Markt für Gebrauchtgeräte private Abnehmer finden 4).5)

So ist den praktischen Schwierigkeiten bei der Bestimmung des für einen gerechten Ausgleich erforderlichen Bezugs zu dem Schaden, der dem Rechtsinhaber durch die Herstellung der Kopien entstanden ist, bei der Auslegung des Unionsrechts zum einen dadurch Rechnung zu tragen, dass nicht für jedes einzelne Gerät konkrete Feststellungen zu dessen Nutzung getroffen werden müssen. Maßgeblich für den erforderlichen Zusammenhang zwischen der Anwendung der zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs bestimmten Abgabe auf Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung und der tatsächlichen Verwendung ist vielmehr der „mutmaßliche“ Gebrauch dieser Anlagen zum Zweck der privaten Vervielfältigungen (vgl. EuGH, GRUR 2011, 50 [juris Rn. 59] - Padawan), wobei vermutet wird, dass die natürlichen Personen sämtliche mit den Anlagen, Geräten und Medien verbundenen Funktionen einschließlich der Vervielfältigungsfunktion nutzen (EuGH, GRUR 2011, 50 [juris Rn. 55] - Padawan; GRUR 2013, 1025 [juris Rn. 41] - Amazon.com International Sales u.a.; GRUR 2015, 478 [juris Rn. 24] - Copydan Båndkopi).

Zum anderen sind bei der Anwendung des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG die praktischen Schwierigkeiten zu berücksichtigten, die bei der Ermittlung des privaten Zwecks und der Identifizierung des Endnutzers bestehen. Es steht deshalb mit Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG in Einklang, für den Fall, dass diese Geräte oder Trägermaterialien nicht eindeutig anderen Verwendungen als der Anfertigung von Privatkopien vorbehalten sind, eine Vermutung für eine vergütungspflichtige Nutzung aufzustellen. Diese kann widerlegt werden, wenn der Hersteller oder der Importeur nachweist, dass er sie an andere als natürliche Personen zu eindeutig anderen Zwecken als zur Vervielfältigung zum privaten Gebrauch geliefert hat.6)

Dies gilt auch, wenn diese Geräte und Medien natürlichen Personen überlassen werden.7)

Mit Blick auf die Unmöglichkeit, die Endnutzer zu identifizieren, oder den mit dieser Identifizierung verbundenen praktischen Schwierigkeiten sowie anderen vergleichbaren Schwierigkeiten ist das Eingreifen einer widerlegbaren Vermutung für eine vergütungspflichtige Nutzung von Geräten, die zur Anfertigung von Privatkopien geeignet und bestimmt sind, zudem gerechtfertigt, wenn sie einen gewerblichen Abnehmer betrifft.8)

Danach kommt die Beschränkung des Vervielfältigungsrechts nur einer natürlichen Person zugute, die eine Vervielfältigung zum privaten Gebrauch zu nicht kommerziellen Zwecken vornimmt. Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG knüpft damit die Privilegierung ebenfalls an die Person, die die Vervielfältigung vornimmt. Dies kann auch eine Person sein, die eine Vervielfältigung unter Zuhilfenahme eines Dritten vornimmt, der eine Vervielfältigungsdienstleistung erbringt und die dazu erforderlichen Anlagen, Geräte oder Medien besitzt.9)

Diese Auslegung von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Auslegung von § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG [→ Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch].10)

Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167 vom 22. Juni 2001, S. 10) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:11)

Ist es mit Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG vereinbar, dass eine nationale Regelung Hersteller, Importeure oder Händler, die Speichermedien an gewerbliche Endabnehmer (juristische Personen oder natürliche Personen, die - für den Hersteller, Importeur oder Händler erkennbar - als Endnutzer für kommerzielle Zwecke bestellen) verkaufen, zur Zahlung einer Vergütung zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs für die Ausnahme vom Vervielfältigungsrecht in Bezug auf Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch verpflichtet, sofern sie nach den Bestimmungen des nationalen Rechts nicht nachweisen, dass mit Hilfe dieser Geräte allenfalls in geringem Umfang tatsächlich Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern angefertigt worden sind oder nach dem normalen Gang der Dinge angefertigt werden?

siehe auch

Art. 5 (2) b) der Richtlinie 2001/29/EG → Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch

1)
BGH, Beschluss vom 26. September 2024 - I ZR 1/24 - Gewerblicher Endabnehmer; m.V.a. EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - C-467/08, Slg. 2010, I-10055 = GRUR 2011, 50 [juris Rn. 52 und 53] - Padawan; Urteil vom 11. Juli 2013 - C-521/11, GRUR 2013, 1025 [juris Rn. 28] = WRP 2013, 1169- Amazon.com International Sales u.a.; Urteil vom 5. März 2015 - C-463/12, GRUR 2015, 478 [juris Rn. 47 und 50] = WRP 2015, 706 - Copydan Båndkopi; Urteil vom 9. Juni 2016 - C-470/14, GRUR 2016, 687 [juris Rn. 31] - EGEDA u.a.
2)
BGH, Beschluss vom 26. September 2024 - I ZR 1/24 - Gewerblicher Endabnehmer; m.V.a. vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 2017 - I ZR 266/15, GRUR-RR 2017, 486 [juris Rn. 20] - USB-Stick, mwN
3)
BGH, Urteil vom 16. März 2017 - I ZR 42/15, GRUR 2017, 716 [juris Rn. 75] = WRP 2017, 978 - PC mit Festplatte II, mwN; Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 118/20, GRUR 2021, 1516 [juris Rn. 30] = WRP 2022, 62 - Eigennutzung; vgl. auch BVerfG, GRUR 2011, 223 [juris Rn. 25]
4)
vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2017 - I ZR 39/15, GRUR 2017, 702 [juris Rn. 76] = WRP 2017, 962 - PC mit Festplatte I
5) , 11)
BGH, Beschluss vom 26. September 2024 - I ZR 1/24 - Gewerblicher Endabnehmer
6)
BGH, Beschluss vom 26. September 2024 - I ZR 1/24 - Gewerblicher Endabnehmer; m.V.a. EuGH, GRUR 2015, 478 [juris Rn. 50] - Copydan Båndkopi
7)
BGH, Beschluss vom 26. September 2024 - I ZR 1/24 - Gewerblicher Endabnehmer; m.V.a. EuGH, GRUR 2011, 50 [juris Rn. 54 und 55] - Padawan; GRUR 2013, 1025 [juris Rn. 41 bis 43] - Amazon.com International Sales u.a.; GRUR 2015, 478 [juris Rn. 24] - Copydan Båndkopi; GRUR 2016, 687 [juris Rn. 28] - EGEDA u.a.
8)
BGH, Beschluss vom 26. September 2024 - I ZR 1/24 - Gewerblicher Endabnehmer; m.V.a. EuGH, GRUR 2015, 478 [juris Rn. 44 bis 46] - Copydan Båndkopi; EuGH, Urteil vom 22. September 2016 - C-110/15, GRUR 2017, 155 [juris Rn. 32] = WRP 2016, 1482 - Microsoft Mobile Sales International u.a.
9)
BGH, Urteil vom 5. März 2020 - I ZR 32/19 - Internet-Radiorecorder; m.V.a. EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - C-467/08, Slg. 2010, I10055 = GRUR 2011, 50 Rn. 48 - Padawan; Urteil vom 29. November 2017 - C265/16, GRUR 2018, 68 Rn. 35 = WRP 2018, 48 - VCAST
10)
BGH, Urteil vom 5. März 2020 - I ZR 32/19 - Internet-Radiorecorder; m.V.a. Wiebe in Spindler/Schuster aaO § 53 UrhG Rn. 12; Berberich, MMR 2018, 82