Unwesentliches Beiwerk

§ 57 UrhG

Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe anzusehen sind.

Nach § 57 UrhG ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken zulässig, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe anzusehen sind.

Die Schutzschranke gemäß § 57 UrhG erfasst auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung im Sinne von § 19a UrhG.1)

Die Prüfung, ob ein Werk gemäß § 57 UrhG unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe ist, setzt zunächst die Bestimmung dieses Hauptgegenstandes voraus.2)

Wird ein Gemälde zusammen mit zum Verkauf stehenden Möbeln in einer Fotografie und diese Fotografie im Verkaufskatalog des Möbelherstellers und auf seiner Internetseite abgebildet, ist der Hauptgegenstand im Regelfall nicht der gesamte Möbelkatalog oder der gesamte Internetauftritt des Anbieters, sondern die konkrete Fotografie.3)

Ein Werk ist im Verhältnis zum Hauptgegenstand unwesentlich im Sinne von § 57 UrhG, wenn das Werk weggelassen oder ausgetauscht werden kann, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffällt oder ohne dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstandes in irgendeiner Weise beeinflusst wird.4)

Darüber hinaus ist ein Werk als unwesentliches Beiwerk im Sinne von § 57 UrhG anzusehen, wenn ihm nach den Umständen des Einzelfalls keine auch noch so geringfügige inhaltliche Beziehung zum Hauptgegenstand der Verwertung zuzubilligen ist, sondern es durch seine Zufälligkeit und Beliebigkeit für diesen ohne jede Bedeutung ist. Eine derart nebensächliche Bedeutung kann dem mitverwerteten Werk regelmäßig nicht mehr zugewiesen werden, sobald es erkennbar stil- oder stimmungsbildend oder eine bestimmte Wirkung oder Aussage unterstreichend in das Hauptwerk oder den eigentlichen Gegenstand der Verwertung einbezogen wird, einen dramaturgischen Zweck erfüllt oder sonst - etwa für eine Film- oder Theaterszene - charakteristisch ist.5)

§ 57 UrhG erklärt eine Vervielfältigung und Verbreitung von Werken dann für zulässig, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung oder Verbreitung anzusehen sind.6)

Unwesentliches Beiwerk liegt vor, wenn es keine noch so unbedeutende inhaltliche Beziehung zum Hauptgegenstand aufweist und durch seine Zufälligkeit und Beliebigkeit für ihn ohne jede Bedeutung ist (Schricker/Vogel, Urheberrecht, 3. Aufl., § 57 Rn. 6). Der eigentliche Gegenstand muss derart beherrschend sein, dass das neben ihm erscheinende Beiwerk ohne Beeinträchtigung der Gesamtwirkung des Hauptgegenstandes und unmerklich ausgetauscht werden könnte.7)

Auszugehen ist davon, dass die Beurteilung, ob unwesentliches Beiwerk vorliegt nach objektivem Maßstab aus der Sicht des angesprochenen Betrachters zu erfolgen hat.8)

Die Bestimmung des § 57 UrhG ist wie alle gesetzlichen Schranken des Urheberrechts gemäß §§ 44a ff. UrhG generell in dem Sinne eng auszulegen, dass der Urheber an der wirtschaftlichen Nutzung seiner Werke tunlichst angemessen zu beteiligen ist und die ihm hinsichtlich der Werkverwertung zustehenden Ausschließlichkeitsrechte daher nicht übermäßig beschränkt werden dürfen.9)

Das Erfordernis einer in diesem Sinne engen Auslegung ergibt sich auch aus dem Gebot der unionsrechtskonformen Auslegung. Die Reichweite der Schrankenregelung des § 57 UrhG ist mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 Buchst. i der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft zu bestimmen. Danach können die Mitgliedstaaten eine Schrankenregelung für die beiläufige Einbeziehung eines Werkes oder sonstigen Schutzgegenstands in anderes Material vorsehen. Nach Erwägungsgrund 44 dürfen Ausnahmen und Beschränkungen im Sinne der Richtlinie nicht auf eine Weise angewandt werden, in der die berechtigten Interessen der Rechtsinhaber verletzt werden oder die normale Verwertung ihrer Werke oder sonstiger Schutzgegenstände beeinträchtigt wird. Dementsprechend geht auch der Gerichtshof der Europäischen Union davon aus, dass Ausnahmeregelungen, die von den dem Urheber in der Richtlinie 2001/29/EG allgemein vorbehaltenen Verbietungsrechten abweichen, eng auszulegen sind.10)

Die Frage, ob ein urheberrechtlich geschütztes Werk gemäß § 57 UrhG lediglich als unwesentliches Beiwerk in Bezug auf den eigentlichen Nutzungsgegenstand anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles aus der Sicht eines objektiven Durchschnittsbetrachters zu beantworten.11)

Daraus ergibt sich, dass für die Qualifizierung eines Werkes als unwesentliches Beiwerk im Sinne von § 57 UrhG der Äußerungszusammenhang maßgeblich ist, der vom Durchschnittsbetrachter nach den Umständen unschwer als Ganzes wahrgenommen und beurteilt werden kann. Dabei sind die Besonderheiten des Mediums zu berücksichtigen, in dem das urheberrechtlich geschützte Werk benutzt wird.12)

Da die Bewertung als unwesentliches Beiwerk im Sinne von § 57 UrhG die Beurteilung des inhaltlichen Zusammenhangs zwischen dem Werk und dem Hauptgegenstand voraussetzt13), hängt der Umfang des Gegenstands einer einheitlichen Beurteilung des Durchschnittsbetrachters außerdem davon ab, ob und inwieweit im Einzelfall inhaltliche Bezüge den Aussagegehalt des Gegenstands der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe bestimmen.14)

Für die Bejahung der Schutzschranke des § 57 UrhG reicht es nicht aus, dass das urheberrechtlich geschützte Werk aus Sicht des objektiven Betrachters in Bezug auf den Hauptgegenstand der Verwertung im Hintergrund steht. Nach dem Wortlaut der Schrankenbestimmung ist vielmehr weitergehend erforderlich, dass das Werk im Verhältnis zum Hauptgegenstand der Wiedergabe unwesentlich ist.15)

Von einer Unwesentlichkeit in diesem Sinn ist auszugehen, wenn das Werk weggelassen oder ausgetauscht werden könnte, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffiele oder ohne dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstandes in irgendeiner Weise beeinflusst wird.16)

Aber auch ein bei der Betrachtung des Hauptgegenstands der Verwertung vom Betrachter als solches tatsächlich wahrgenommenes Werk kann als unwesentliches Beiwerk anzusehen sein, wenn ihm nach den Umständen des Einzelfalls keine noch so geringfügige inhaltliche Beziehung zum Hauptgegenstand der Verwertung zuzubilligen ist, sondern es durch seine Zufälligkeit und Beliebigkeit für diesen ohne jede Bedeutung ist.17)

Eine derart untergeordnete Bedeutung kann dem mitverwerteten Werk regelmäßig nicht mehr zugewiesen werden, sobald es erkennbar stil- oder stimmungsbildend oder eine bestimmte Wirkung oder Aussage unterstreichend in den eigentlichen Gegenstand der Verwertung einbezogen wird, einen dramaturgischen Zweck erfüllt oder sonst charakteristisch ist.18)

Das Kriterium der Austauschbarkeit ist allerdings insoweit für die Prüfung der Schutzschranke des § 57 UrhG von Bedeutung, als es für die Annahme der Unwesentlichkeit des Werkes spricht, wenn der durchschnittliche Betrachter des Hauptgegenstandes dieses schon nicht wahrnimmt, weil es beliebig ausgetauscht oder ganz weggelassen werden kann.19)

Zwar ist das Kriterium der Austauschbarkeit insoweit für die Prüfung der Schutzschranke des § 57 UrhG von Bedeutung, als es für die Annahme der Unwesentlichkeit des Werks spricht, wenn es der durchschnittliche Betrachter des Hauptgegenstandes schon nicht wahrnimmt, weil es beliebig ausgetauscht oder ganz weggelassen werden kann. Wird das Beiwerk jedoch vom Betrachter als zum Gesamtkonzept gehörig wahrgenommen, kommt es auf den Gesichtspunkt der (ästhetischen oder stilistischen) Austauschbarkeit eines urheberrechtlich geschützten Werks mit einem anderen - gegebenenfalls ebenfalls urheberrechtlich geschützten - Werk nicht mehr an.20)

siehe auch

Urheberrecht

1)
Leitsatz BGH, Urteil vom 17. November 2014 - I ZR 177/13 - Möbelkatalog; m.V.a. Vogel in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 57 UrhG Rn. 2; Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 57 Rn. 1; Grübler in Möhring/Nicolini, Urheberrecht, 3. Aufl., § 57 UrhG Rn. 4
2) , 3) , 4) , 5) , 14) , 15)
BGH, Urteil vom 17. November 2014 - I ZR 177/13 - Möbelkatalog
6)
OLG München, Urt. v. 13. März 2008 - Az. 29 U 5826/07
7)
OLG München, Urt. v. 13. März 2008 - Az. 29 U 5826/07; m.V.a. Schricker/Vogel, Urheberrecht, 4. Aufl.; Dreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 57 Rn. 2
8)
OLG München, Urt. v. 13. März 2008 - Az. 29 U 5826/07; m.V.a. OLG München, NJW 1989, 404 - Kunstwerke in Werbeprospekten
9)
BGH, Urteil vom 17. November 2014 - I ZR 177/13 - Möbelkatalog; m.V.a. BGH, Urteil vom 24. Januar 2002 - I ZR 102/99, BGHZ 150, 6, 8 - Verhüllter Reichstag; Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 69/08, BGHZ 185, 291 Rn. 27 - Vorschaubilder I; Urteil vom 30. November 2011 - I ZR 212/10, GRUR 2012, 819 Rn. 28 = WRP 2012, 1418 - Blühende Landschaften; Dreier in Dreier/Schulze aaO § 57 Rn. 2; Obergfell in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 57 UrhG Rn. 1; Kirchmaier in Mestmäcker/Schulze, Urheberrecht, Stand Juni 2004, § 57 UrhG Rn. 1; Nordemann-Schiffel in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Aufl., § 57 UrhG Rn. 2
10)
BGH, Urteil vom 17. November 2014 - I ZR 177/13 - Möbelkatalog; m.V.a. EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - C-5/08, Slg. 2009, I-6569 = GRUR 2009, 1041 Rn. 56 - Infopaq International/Danske Dagblades Forening
11) , 12) , 13) , 16) , 18)
BGH, Urteil vom 17. November 2014 - I ZR 177/13 - Möbelkatalog; m.w.N.
17)
BGH, Urteil vom 17. November 2014 - I ZR 177/13 - Möbelkatalog; m.V.a. Dreier in Dreier/Schulze aaO § 57 Rn. 2; Nordemann-Schiffel in Fromm/Nordemann aaO § 57 UrhG Rn. 2; Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 57 UrhG Rn. 8; Obergfell in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 57 UrhG Rn. 2). Hierzu reicht eine bloß untergeordnete Beziehung nicht aus. Bei der gebotenen engen Auslegung der Schrankenbestimmung ist unwesentlich im Sinne von § 57 UrhG vielmehr nur ein Werk, das neben dem Gegenstand der eigentlichen Verwertung selbst eine geringe oder nebensächliche Bedeutung nicht erreicht.((BGH, Urteil vom 17. November 2014 - I ZR 177/13 - Möbelkatalog; m.V.a. Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 57 UrhG Rn. 7; Grübler in Möhring/Nicolini aaO § 57 UrhG Rn. 6
19)
BGH, Urteil vom 17. November 2014 - I ZR 177/13 - Möbelkatalog; m.V.a. Dreier in Dreier/Schulze aaO § 57 Rn. 2; Vogel in Schricker/Loewenheim aaO § 57 UrhG Rn. 8, Lüft in Wandtke/Bullinger aaO § 57 UrhG Rn. 2; Loewenheim/Götting aaO § 31 Rn. 229; Nordemann-Schiffel in Fromm/Nordemann aaO § 57 UrhG Rn. 2
20)
BGH, Urteil vom 10. Januar 2019 - I ZR 267/15 - Cordoba II; m.V.a. BGH, GRUR 2015, 667 Rn. 31 - Möbelkatalog, mwN