Der deutsche Gesetzgeber hat zwar keine eigenständige Schrankenregelung für die Nutzung von Werken oder sonstigen Schutzgegenständen zum Zwecke von Karikaturen und Parodien geschaffen. Die Bestimmung des § 24 Abs. 1 UrhG [→ Freie Benutzung] in ihrer Auslegung durch die deutsche Rechtsprechung bildet aber der Sache nach eine Schrankenregelung für eine solche Nutzung. Danach ist ein selbständiges Werk auch dann in freier Benutzung des Werks eines anderen geschaffen worden und darf daher ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werks veröffentlicht und verwertet werden, wenn das neue Werk zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des älteren Werks einen so großen inneren Abstand hält, dass es seinem Wesen nach als selbständig anzusehen ist. Das kann der Fall sein, wenn es sich bei dem neuen Werk um eine Karikatur oder Parodie des älteren Werks handelt.1)
Soweit es um die urheberrechtliche Zulässigkeit von Karikaturen und Parodien geht, dient die Bestimmung des § 24 Abs. 1 UrhG der Umsetzung von Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG [→ Ausnahmen und Beschränkungen]. Danach können die Mitgliedstaaten für die Nutzung zum Zwecke von Karikaturen, Parodien oder Pastiches in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht Ausnahmen oder Beschränkungen vorsehen. Soweit es um die urheberrechtliche Zulässigkeit von Karikaturen und Parodien geht, ist § 24 Abs. 1 UrhG daher in Übereinstimmung mit der Regelung des Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG und der zu dieser Vorschrift ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union.2)
Bei der urheberrechtlichen Beurteilung der Parodie ist zu berücksichtigen, dass das Unionsrecht das Vervielfältigungsrecht und das Recht der öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung sowie die Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf diese Rechte vollständig harmonisiert und für die Nutzung zum Zwecke von Parodien eine Schrankenregelung geschaffen hat. Nach Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG können die Mitgliedstaaten in Bezug auf diese Rechte Ausnahmen und Beschränkungen für die Nutzung zum Zwecke von Karikaturen, Parodien oder Pastiches vorsehen. Zwar hat der deutsche Gesetzgeber keine eigenständige Schrankenregelung im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG getroffen. Allerdings ist die Parodie in ihrer Wirkung als Schutzschranke der Sache nach durch § 24 Abs. 1 UrhG in seiner Auslegung durch die Rechtsprechung umgesetzt. Dementsprechend ist § 24 Abs. 1 UrhG insoweit richtlinienkonform auszulegen, als es um die urheberrechtliche Zulässigkeit von Parodien geht.3)
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der in Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG verwendete Begriff „Parodie“ ein eigenständiger Begriff des Unionsrechts.4)
Die wesentlichen Merkmale der Parodie bestehen darin, zum einen an ein bestehendes Werk zu erinnern, gleichzeitig aber ihm gegenüber wahrnehmbare Unterschiede aufzuweisen, und zum anderen einen Ausdruck von Humor oder eine Verspottung darzustellen. Der Begriff „Parodie“ im Sinne dieser Bestimmung hängt nicht von der weiteren Voraussetzung ab, dass die Parodie einen eigenen ursprünglichen Charakter hat, der nicht nur darin besteht, gegenüber dem parodierten ursprünglichen Werk wahrnehmbare Unterschiede aufzuweisen. Zu den Voraussetzungen einer Parodie gehört es außerdem nicht, dass sie vernünftigerweise einer anderen Person als dem Urheber des ursprünglichen Werkes zugeschrieben werden kann, dass sie das ursprüngliche Werk selbst betrifft oder dass sie das parodierte Werk angibt.5)
Bei der Anwendung der Schutzschranke der Parodie in einem konkreten Fall muss ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen und Rechten der in den Art. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG genannten Personen auf der einen und der freien Meinungsäußerung des Nutzers eines geschützten Werkes, der sich auf die Ausnahme für Parodien beruft, auf der anderen Seite gewahrt werden.6)
§ 51a UrhG → Karikatur, Parodie und Pastiche
§ 24 (1) UrhG → Freie Benutzung