Ein Werk ist erschienen, wenn mit Zustimmung des Berechtigten Vervielfältigungsstücke des Werkes nach ihrer Herstellung in genügender Anzahl der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht worden sind. Ein Werk der bildenden Künste gilt auch dann als erschienen, wenn das Original oder ein Vervielfältigungsstück des Werkes mit Zustimmung des Berechtigten bleibend der Öffentlichkeit zugänglich ist.
Ein Werk ist nach § 6 Abs. 1 UrhG veröffentlicht, wenn es mit Zustimmung des Berechtigten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist; es ist nach § 6 Abs. 2 Satz 1 UrhG erschienen, wenn mit Zustimmung des Berechtigten Vervielfältigungsstücke des Werkes nach ihrer Herstellung in genügender Anzahl der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht worden sind.1)
Eine Einschränkung auf erschienene Werke findet sich in den Schrankenregelungen des § 51 Satz 2 Nr. 3 UrhG (Zitate), § 52 Abs. 2 UrhG (Öffentliche Wiedergabe), § 53 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a und § 53 Abs. 3 UrhG (Vervielfältigung zum sonstigen eigenen Gebrauch) sowie § 53a Satz 1 UrhG (Kopienversand auf Bestellung).2)
Die Motive für die Begrenzung bestimmter Schrankenregelungen auf veröffentlichte oder erschienene Werke sind zwar nicht in allen Fällen die gleichen; im Vordergrund steht jedoch die besondere Schutzwürdigkeit der ideellen Interessen des Urhebers in Bezug auf seine noch unveröffentlichten Werke3). Diese Interessen sind wesentlich stärker betroffen, wenn eine Schrankenregelung die Verbreitung oder das öffentliche Zugänglichmachen oder die öffentliche Wiedergabe des Werkes zulässt als wenn sie allein die Vervielfältigung des Werkes erlaubt.4)
Die Schrankenregelungen, die eine Einschränkung auf veröffentlichte oder erschienene Werke enthalten, lassen mit Ausnahme von § 53 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a und § 53 Abs. 3 UrhG die Verbreitung oder das öffentliche Zugänglichmachen oder die öffentliche Wiedergabe des Werkes zu.5)
Der Begriff des Erscheinens im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 1 UrhG erfordert nicht, dass die Vervielfältigungsstücke der Öffentlichkeit unmittelbar zur Verfügung gestellt werden. Vielmehr genügt es, dass Vervielfältigungsstücke in für die Öffentlichkeit genügender Anzahl hergestellt worden sind und die Öffentlichkeit das Werk auf der Grundlage dieser Vervielfältigungsstücke mit Auge oder Ohr wahrnehmen kann.6)
Wird ein Werk der Öffentlichkeit durch einen Werkvermittler zugänglich gemacht, kann danach die Überlassung einiger weniger Vervielfältigungsstücke oder sogar nur eines einzigen Vervielfältigungsstücks an den Werkvermittler genügen, um den voraussichtlichen Publikumsbedarf zu decken und damit ein Erscheinen des Werkes zu bewirken.7)
§ 6 UrhG → Veröffentlichte und erschienene Werke