Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 KUG [→ Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte] nimmt nach Sinn und Zweck der Regelung und nach der Intention des Gesetzgebers in Ausnahme von dem Einwilligungserfordernis des § 22 KUG Rücksicht auf das Informationsinteresse der Allgemeinheit und der Pressefreiheit. Die Anwendung des § 23 Abs. 1 Abs. 1 KUG erfordert hiernach eine Abwägung zwischen den Rechten der Abgebildeten nach Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 10 Abs. 1 EMRK und Art. 5 Abs. 1 GG andererseits.1)
Maßgebend für die , ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt [§ 23 (1) Nr. 1 KUG → Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte], ist der Begriff des Zeitgeschehens.
Schon nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 09.01.1907 (KUG), vor allem aber im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst der Begriff der Zeitgeschichte nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern ganz allgemein das Zeitgeschehen, also alle von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse, und wird mithin vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt.2)
Maßgebend für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, ist der Begriff des Zeitgeschehens. Dieser darf nicht zu eng verstanden werden. Er beschränkt sich nicht auf Vorgänge von historischer oder politischer Bedeutung, sondern ist vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her zu bestimmen. Mit Blick darauf umfasst er ganz allgemein das Geschehen der Zeit, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse.3)
Es gehört zum Kern der Pressefreiheit, dass die Presse innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht.4)
Auch unterhaltende Beiträge, etwa über das Privat- und Alltagsleben prominenter Personen, nehmen grundsätzlich an diesem Schutz teil, ohne dass dieser von der Eigenart oder dem Niveau des jeweiligen Beitrags oder des Presseerzeugnisses abhängt.5)
Maßgebend ist dabei, ob ein durch ein echtes Informationsbedürfnis gerechtfertigtes Interesse der Allgemeinheit an der bildlichen Darstellung gerade des Betroffenen besteht.6)
Auf § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG kann sich allerdings nicht berufen, wer keinem schutzwürdigen Informationsinteresse der Allgemeinheit nachkommt, sondern durch Verwertung des Bildnisses eines anderen zu Werbezwecken allein sein Geschäftsinteresse befriedigen will.7)
Dabei ist jedoch zu beachten, dass auch die eigene Werbung für ein Presseerzeugnis - ebenso wie das Presseerzeugnis selbst - den Schutz der Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG genießt.8), weil sie den Absatz des Presseerzeugnisses fördert und auf diese Weise zur Verbreitung der Informationen beiträgt.9)
Aus § 23 KUG hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofes den abkürzenden Begriff der der „Zeitgeschichte” entwickelt. Als “relative” der Zeitgeschichte ist eine anzusehen, die durch ein bestimmtes zeitgeschichtliches Ereignis das Interesse auf sich gezogen hat. Deshalb darf sie ohne ihre Einwilligung nur im Zusammenhang mit diesem Ereignis abgebildet werden. Demgegenüber gilt als “absolute” der Zeitgeschichte eine , die aufgrund ihres Status und ihrer Bedeutung allgemein öffentliche Aufmerksamkeit findet, so dass sie selbst Gegenstand der Zeitgeschichte ist und deshalb über sie berichtet werden darf. Auch sie hat jedoch ein Recht auf , das nicht auf den häuslichen Bereich beschränkt ist. Vielmehr muss sie die Möglichkeit haben, sich an anderen, erkennbar abgeschiedenen Orten unbehelligt von Bildberichterstattung zu bewegen.10)
§ 23 (1) Nr. 1 KUG → Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte