Unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft der bekannten Marke

Die Frage, ob durch die Benutzung des angegriffenen Zeichens die Unterscheidungskraft einer Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt wird, ist anhand einer umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände zu beurteilen, zu denen das Ausmaß der Bekanntheit und der Grad der Unterscheidungskraft der Marke, der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen sowie die Art der betroffenen Waren und Dienstleistungen und der Grad ihrer Nähe gehören.1)

In die Abwägung ist der Freistellungstatbestand des § 23 Nr. 3 MarkenG einzustellen, dem grundsätzlich keine eigenständige Bedeutung gegenüber dem Schutz bekannter Marken zukommt. Die Wertungen des § 23 MarkenG - insbesondere die Frage, ob die Benutzung der Marke gegen die guten Sitten verstößt - kommen im Tatbestand des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG bei der Prüfung zum Tragen, ob Unterscheidungskraft oder Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt werden.2)

Auch die Beurteilungsmaßstäbe einer Interessenabwägung nach § 24 Abs. 2 MarkenG sind in die Prüfung der Unlauterkeit nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG einzubeziehen. Liegt ein Fall der Erschöpfung nach § 24 Abs. 1 MarkenG vor, stehen dem Markeninhaber markenrechtliche Ansprüche gegen die Benutzung seiner Marke nur zu, wenn er sich auf berechtigte Gründe im Sinne des § 24 Abs. 2 MarkenG berufen kann.3)

Von der Ausnutzung der Unterscheidungskraft einer bekannten Marke [§ 14 (2) Nr. 3 MarkenG → Bekanntheitsschutz] ist insbesondere auszugehen, wenn ein Dritter durch Verwendung eines Zeichens, das einer bekannten Marke ähnlich ist, versucht, sich in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne eigene Anstrengungen zu profitieren oder auf andere Weise an der Aufmerksamkeit teilzuhaben, die mit der Verwendung eines der bekannten Marke ähnlichen Zeichens verbunden ist.4)

Allein der Umstand, dass eine bekannte Marke nicht mit der angegriffenen Bezeichnung verwechselt wird, kann die Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der bekannten Marke im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG nicht rechtfertigen.5)

Die Ausnutzung der Unterscheidungskraft der bekannten Marke eines Dritten ist grundsätzlich unlauter.6)

Insoweit gelten dieselben Erwägungen, die der Annahme eines Verstoßes gegen die guten Sitten i.S. von § 23 Nr. 2 MarkenG entgegenstehen.7)

Die Ausnutzung der Unterscheidungskraft ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG setzt kein subjektives Element auf Seiten des in Anspruch genommenen Dritten voraus.8)

siehe auch

§ 14 (2) Nr. 3 MarkenG → Bekanntheitsschutz

1)
BGH, Urteil vom 28. Juni 2018 - I ZR 236/16 - keine-vorwerk-vertretung; m.V.a. EuGH, Urteil vom 18. Juni 2009 - C 487/07, Slg. 2009, I-5185 = GRUR 2009, 756 Rn. 44 - L'Oréal/Bellure; BGH, Urteil vom 31. Oktober 2013 - I ZR 49/12, GRUR 2014, 378 Rn. 33 = WRP 2014, 445 - OTTO CAP
2)
BGH, Urteil vom 28. Juni 2018 - I ZR 236/16 - keine-vorwerk-vertretung; m.V.a. BGH, Urteil vom 22. November 2001 - I ZR 138/99, BGHZ 149, 191, 203 [juris Rn. 45] - shell; Urteil vom 30. April 2009 - I ZR 42/07, BGHZ 181, 77 Rn. 37 - DAX
3)
BGH, Urteil vom 28. Juni 2018 - I ZR 236/16 - keine-vorwerk-vertretung; m.V.a. BGH, Urteil vom 3. November 2005 - I ZR 29/03, GRUR 2006, 329 Rn. 26 = WRP 2006, 470 - Gewinnfahrzeug mit Fremdemblem
4)
BGH, Urteil vom 31. Oktober 2013 - I ZR 49/12 - OTTO CAP; m.V.a. EuGH, GRUR 2009, 756 Rn. 49 L'Oréal/Bellure; BGH, GRUR 2013, 1239 Rn. 54 VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion
5)
BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 108/09 - TÜV II
6)
OLG Köln, Urt. v. 06.02.2009 - 6 U 147/08 - Deutschland sucht den Superstar; m.V.a. BGH, GRUR 2005, 583, 584 – Lila Postkarte
7)
BGH, Urteil vom 30. April 2009 - I ZR 42/07 - DAX; m.V.a. BGH, Urt. v. 14.1.1999 - I ZR 149/96, GRUR 1999, 992, 994 = WRP 1999, 931 - BIG PACK; BGHZ 147, 56, 67 - Tages-schau; BGH GRUR 2008, 798 Tz. 26 - POST I
8)
BGH, Urteil vom 31. Oktober 2013 - I ZR 49/12 - OTTO CAP