Art. 13 (2) GMV → Erschöpfung des Rechts aus der Gemeinschaftsmarke
→ Parallelimport
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union beeinträchtigt das Umpacken mit einer Marke versehener Arzneimittel als solches den spezifischen Gegenstand der Marke, der darin besteht, die Herkunft der mit ihr gekennzeichneten Ware zu garantieren. Ein Umpacken der Ware durch einen Dritten ohne Zustimmung des Markeninhabers kann tatsächliche Gefahren für diese Herkunftsgarantie begründen.1)
Unter den Begriff des Umpackens fällt auch eine Neuetikettierung der Verpackung2). Hierzu rechnet regelmäßig bereits das Aufbringen eines Aufklebers mit wichtigen Informationen in der Sprache des Einfuhrlands. Eine solche Veränderung schafft ihrem Wesen nach tatsächliche Gefahren für die Herkunftsgarantie der Marke, ohne dass in diesem Zusammenhang bereits zu prüfen ist, welche konkreten Auswirkungen die vom Parallelimporteur vorgenommene Handlung hat.3)
Der Widerspruch des Markeninhabers gegen den Vertrieb umgepackter Arzneimittel nach Art. 13 Abs. 2 GMV, der eine Abweichung von dem Grundsatz des freien Warenverkehrs darstellt, ist jedoch nicht zulässig, wenn die Ausübung dieses Rechts durch den Markeninhaber eine verschleierte Be-schränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne des Art. 36 Satz 2 AEUV darstellt.4)
Eine solche verschleierte Beschränkung liegt vor, wenn der Markeninhaber durch die Aus-übung seines Rechts, sich dem Umpacken zu widersetzen, zur künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten beiträgt und der Parallelimporteur das Umpacken unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Markeninhabers vornimmt. Der Markeninhaber kann danach die Veränderung, die mit jedem Umpacken eines mit seiner Marke versehenen Arzneimittels ver-bunden ist und die ihrem Wesen nach eine Beeinträchtigung des Originalzustands des Arzneimittels schafft, verbieten, es sei denn, es liegen die nachfolgend wiedergegebenen fünf in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Euro-päischen Union entwickelten Voraussetzungen vor5):
- es ist erwiesen, dass die Geltendmachung einer Marke durch den Markeninhaber zu dem Zweck, sich dem Vertrieb der mit einem neuen Aufkleber versehenen Ware unter der Marke zu widersetzen, zu einer künstlichen Abschottung der Märkte zwischen Mitgliedstaaten beitragen würde;
- es ist dargetan, dass die Neuetikettierung den Originalzustand der in der Verpackung enthaltenen Ware nicht beeinträchtigen kann;
- auf der Verpackung ist klar angegeben, von wem der neue Aufkleber auf der Ware angebracht worden ist und wer deren Hersteller ist;
- das mit diesem neuen Aufkleber versehene Erzeugnis ist nicht so aufgemacht, dass dadurch der Ruf der Marke und ihres Inhabers geschädigt werden kann; der Aufkleber darf folglich nicht schadhaft, von schlechter Qualität oder unordentlich sein, und
- der Importeur unterrichtet den Markeninhaber vor dem Inverkehrbringen des mit einem neuen Aufkleber versehenen Erzeugnisses und liefert ihm auf Verlangen ein Muster dieser Ware.
Die Anwendbarkeit dieser Grundsätze ist nicht auf Fälle des Parallel-imports von Arzneimitteln beschränkt. Sie können jedenfalls in modifizierter Form auch auf das Umpacken anderer Erzeugnisse übertragen werden.6)
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass diese Maßstäbe zum Umpacken von Arzneimitteln im Grundsatz auch auf den Parallelhandel mit anderen Erzeugnissen Anwendung finden.7)
Der Senat wendet diese Grundsätze ebenfalls nicht nur auf den Parallelimport von Arzneimitteln an, sondern legt sie auch der Prüfung der Erschöpfungsvoraussetzungen in Bezug auf andere Erzeugnisse zugrunde8). Auch das Schrifttum geht davon aus, dass die unionsrechtlichen Erschöpfungsgrundsätze nicht auf Arzneimittel beschränkt sind, sondern für alle Produkte gelten, bei denen es für den inländischen Marktzutritt des aus einem anderen Mitgliedstaat stammenden Originalprodukts erforderlich ist, Änderungen an der Verpackung oder der Marke vorzunehmen.9)
Allerdings müssen nicht stets alle der von der Rechtsprechung zum Parallelimport von Arzneimitteln entwickelten fünf Erschöpfungsvoraussetzungen vorliegen. Die Grundsätze finden vielmehr nur in modifizierter Form auf andere Erzeugnisse Anwendung.10)
Welche der Erschöpfungsvoraussetzungen konkret zur Anwendung kommen, hängt von den im Einzelfall maßgeblichen legitimen Interessen des Markeninhabers mit Blick auf die Besonderheiten des Erzeugnisses ab.11)
Danach ist beispielsweise der Parallelimporteur bei der Neuetikettierung eines alkoholischen Getränks nicht verpflichtet, dem Hersteller auf Anforderung eine Probe des umgepackten Erzeugnisses zukommen zu lassen und anzugeben, wer das Umpacken vorgenommen hat, wenn die berechtigten Interessen des Markeninhabers bereits dadurch ausreichend ge-wahrt sind, dass ihn der Parallelimporteur vorab vom Verkauf des neu etikettierten Erzeugnisses informiert.12)
Eine entsprechend modifizierte Anwendung der unionsrechtlichen Erschöpfungsgrundsätze hat der Senat für eine im Rahmen eines Parallelimports von Nudeln und Fertigsaucen vorgenommene Neuetikettierung für maßgeblich erachtet.13)
Eine unter den Begriff des Umpackens fallende Neuetikettierung der Verpackung liegt regelmäßig beim Aufbringen eines Aufklebers mit wichtigen Informationen in der Sprache des Einfuhrlands vor. Bereits eine solche Veränderung schafft ihrem Wesen nach tatsächliche Gefahren für die Herkunftsgarantie der Marke, ohne dass in diesem Zusammenhang schon zu prüfen ist, welche konkreten Auswirkungen die vom Parallelimporteur vorgenommene Handlung hat.14)
BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - I ZR 165/15 - Debrisoft:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung des Art. 13 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (Abl. Nr. L 78 vom 24. März 2009) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art. 13 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 dahin auszulegen, dass der Inhaber der Marke sich dem weiteren Vertrieb eines aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführten Medizinprodukts in seiner inneren und äußeren Originalverpackung, die vom Importeur mit einem zusätzlichen äußeren Aufkleber versehen wurde, widersetzen kann, es sei denn
- es ist erwiesen, dass die Geltendmachung einer Marke durch den Markeninhaber zu dem Zweck, sich dem Vertrieb der mit einem neuen Aufkleber versehenen Ware unter der Marke zu widersetzen, zu einer künstlichen Abschottung der Märkte zwischen Mitgliedstaaten beitragen würde;
- es ist dargetan, dass die Neuetikettierung den Originalzustand der in der Verpackung enthaltenen Ware nicht beeinträchtigen kann;
- auf der Verpackung ist klar angegeben, von wem der neue Aufkleber auf der Ware angebracht worden ist und wer deren Hersteller ist;
- das mit diesem neuen Aufkleber versehene Erzeugnis ist nicht so aufgemacht, dass dadurch der Ruf der Marke und ihres Inhabers geschädigt werden kann; der Aufkleber darf folglich nicht schadhaft, von schlechter Qualität oder unordentlich sein, und
- der Importeur unterrichtet den Markeninhaber vor dem Inverkehrbringen des mit einem neuen Aufkleber versehenen Erzeugnisses und liefert ihm auf Verlangen ein Muster dieser Ware.
Art. 13 (2) GMV → Erschöpfung des Rechts aus der Gemeinschaftsmarke