Technologietransfer-Gruppenfreistellungsverordnung (TTGVO) (Tabu: 696n)
Leitlinien (Anzahl: 235) mit Fallbeispielen (ohne Bindungswirkung) Amtsblatt 27.4.2004 - C 101/2
Durch die Gruppenfreistellungsverordnung für Technologietransfervereinbarungen werden gleichartige Gruppen vonVereinbarungen im Bereich des Technologietransfers vom Kartellverbot des Art. 81 Abs. I EGV freigestellt. Die Generalfreistellung (Art. 2 TT-GVO), die an Marktanteilsschwellen (Art. 3 TT-GVO) geknüpft ist wird eingeschränkt durch die Kernbeschränkungen des Art. 4 TT-GVO und die nicht freigestellte Beschränkungen des Art. 5 TT-GVO
Anwendungsbereich bestimmt durch Marktanteilsschwellen; Im Gegensatz zum vormals vorherrschenden formalistischen System der Weißen, Grauen und Schwarzen Klauseln („Zwangsjackeneffekt“) der TT-GVO 240/96 weist die neue TT-GVO 772/2004 einen wirtschaftlicheren Standpunkt auf und macht die Freistellung von Marktanteilsschwellen abhängig.
Enthält die Technologietransfervereinbarung eine der Kernbeschränkungen i.S.d. Artikel 4 TT-GVO, so wird die gesamte Vereinbarung aus dem Anwendungsbereich der Freistellungsverordnung ausgenommen. Das Recht auf einen Einzelfreistellungsantrag gem. Art. 81 Abs 3 EGV bleibt von dieser Ausnahme unberührt. Kernbeschränkende Maßnahmen werden unter Artikel 4 (1) für konkurrierende Unternehmen, sowie unter Artikel 4 (2) für nicht-konkurrierende Unternehmen definiert.
römische Ziffern des Art. 4
arabische Ziffern des Art. 5
graue Klauseln: Nichtigkeit nur der betroffenen Bestimmungen, nicht des gesamten Vertrags
früher: Art. 4 TT-GVO a.F.: Graue Klauseln: Vertragsbestimmungen die nicht nach Art. 1 und Art. 2 freigestellt sind, aber auch nicht unter den Ausschluß des Art. 3 fallen. Für sie gilt Widerspruchsverfahren, d.h. Vereinbarungen müssen angemeldet werden und sind freigestellt, wenn Kommission nicht innerhalb von vier Monaten widerspricht.
Entzug des Rechtsvorteils im Einzelfall durch die Kommission (Art. 6 TT-GVO)
evtl. auf Hinweis der nationalen Behörden?
für Altverträge (bis 1.5.2004): Anwendung erst ab 31.3.2006
know-how:
Nicht von TTVO gedeckt:
Meistbegünstigungsklausel: Sie soll sicherstellen, dass die durch die Klausel begünstigte Partei nicht gegenüber späteren Kunden des gebundenen Teils „diskriminiert“ wird, indem der gebundene Lieferant späteren Abnehmern günstigere Preise oder Konditionen als dem begünstigten Teil einräumt. Meistbegünstigungsklauseln sind nach GWB zweifelhaft. Da das EU-Recht das nationale Recht bricht, ist die Meistbegünstigungsklausel zulässig, wenn europäisches Recht anwendbar ist.
Eine Nichtigkeitsklage wird unzulässig, wenn sie einen Verstoß gegen eine Nichtangriffsklausel darstellt.
Eine Preisbindung ist nach Art. 3 Nr. 1 TTVO unzulässig. Innerhalb gewisser Grenzen lässt sich jedoch der Preis über die Höhe der Lizenzgebühr steuern.
Nach Art. 3 Nr. 2 TTVO ein Vertragspartner nicht in seiner Freiheit beschränkt werden, innerhalb der EU in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Herstellung, Gebrauch oder Vertrieb mit dem anderen Vertragspartner, mit diesem verbundenen oder mit anderen Unternehmen in Wettbewerb zu treten.
Nach Art. 3 Nr. 5 TTVO ist eine Mengenbeschränkung unzulässig.
Art. 7 TTVO gibt der Kommission eine Eingriffsermächtigung.
Nach Art. 7 Nr. 2 TTVO ist der sog. passive Vertrieb zulässig, d.h. eine Anfrage von außen, die nicht durch Werbung initiiert ist, sollte bedient werden.
Info: Unter KMU’s versteht man kleine und mittlerer Unternehmen.
Die Ausnahmeregelungen („Gruppenfreistellungsverordnung“) der TTVO vom allgemeinen Verbot des Art. 81 EU-Vertrag von wettbewerbshindernden Vereinbarungen kommt nur in Betracht, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
1. EU-Recht, d.h. Art. 81 EU-Vertrag muß auf den betreffenden Vertrag anwendbar sein;
2. Die wirtschaftliche Bedeutung des Vertrages darf nicht unter die Aufgreifgrenzen der EU-Kommission fallen, die in einer „Deminimis-Bekanntmachung“ geregelt sind (davon gibt’s viele, ein Blick ins Internet zeigt, daß dieser Begriff häufig bei Obergrenzen von Förderprogrammen der EU verwendet wird). Im Wettbewerbsrecht gelten dabei folgende Regelungen:
- Die Kommission schreitet von Amts wegen nicht ein, wenn die Marktanteile aller beteiligter Unternehmen (inklusive der mit ihnen durch Beteiligungen verbundenen Unternehmen) im Falle einer horizontalen Vereinbarung nicht > 5% und im Fall einer vertikalen Vereinbarung nicht > 10% sind.
Laut einer Verlautbarung der EU werden darüber hinaus bei KMUs die Verträge ebenfalls nicht aufgegriffen. Was unter einem KMU zu verstehen ist, ändert sich jedoch und muß im Einzelfall geprüft werden. 3. Voraussetzung 2 ist irrelevant, wenn es sich bei einer horizontalen Vereinbarung um die Festsetzung von Preisen, die Aufteilung von Märkten oder Absprachen zur Erzeugung und Absatz von Waren handelt. Dies gilt ebenso bei vertikalen Vereinbarungen mit Preisbindungen der 2. Hand (des Abnehmers) oder mit Gebietsschutz;
Art. 1 I: Die Freistellung betrifft Patentlizenzverträge, Know-how-Vereinbarungen oder gemischte Verträge, gegebenenfalls mit Nebenbestimmungen über andere Rechte des geistigen Eigentums (z.B. Urheber-, Markenrechte), an denen nur zwei Unternehmen beteiligt sind.
Merke: Die Freistellung erstreckt sich NICHT auf sogenannte „Vertriebslizenzen“, bei denen der Lizenzgeber selbst herstellt / herstellen läßt. (Mit Verkauf des geschützten Produkts an Weiterverkäufer tritt Erschöpfung ein, so daß ein solche vertragliche Vereinbarung über den Inhalt des Schutzrechtes hinausgehen würde).
Definitionen der in Art. 1 I verwendeten Begriffe: (vgl. über die folgende Aufzählung hinaus Art. 10, der 17 explizite Definitionen enthält)
„Lizenzvertrag“: Klassischer Lizenzvertrag (z.B. nach § 15 II PatG), aber auch Übertragungsverträge, wenn die Gegenleistung für die Übertragung umsatzabhängig ist (vgl. Art. 6 Nr. 2);
„Nebenbestimmung“: Vetragsbestimmungen über andere Rechte des geistigen Eigentums, die im Zusammenhang mit dem Know-How oder den Patenten stehen (z.B. für patentgeschützte Vorrichtung ist auch Markenschutz vorhanden, siehe dazu auch Spezialregelung in Art. 1 I Nr. 7);
„Patente“: Nationale Patente, EP-Patente und (falls vorhanden) Gemeinschaftspatente; nach Art. 8 I sind Patentanmeldungen, Gbms, Topographien etc. Patenten für die Anwendung der TTVO gleichgestellt;
„Know-How“: Legaldefinition in Art. 10 I: „Gesamtheit technischer Kenntnisse, die geheim, wesentlich und in einer geeigneten Form identifiziert sind“
Die Legaldefinitionen von „geheim“, „wesentlich“ und „identifiziert“ finden sich in Art. 10, Nr. 2 – Nr. 4
Die folgende Tabelle zeigt die nach Art. 1 freigestellten Beschränkungen und ihre zugelassene Dauer:
Vertragsbestimmungen, auf die die TTVO nach Art. 5 grundsätzlich nicht anwendbar ist (dann nur Einzelfreistellung möglich):
- Verträge mit mehr als 2 Parteien (nach den tatsächlichen Verhältnissen zu beurteilen)
- reine Vertriebslizenzen (siehe oben) (Art. 5 I Nr. 5)
- Vereinbarungen zwischen zwei Mutterunternehmen („Mutter-Mutter-Lizenz“) eines gemeinsamen Tochterunternehmens (Art. 5 I Nr. 2 Alt. 1), es sei denn, es gelten die Ausnahmen des Art. 5 II Nr. 2.
- Vereinbarungen zwischen einem Mutterunternehmen und dem gemeinsamen Tochterunternehmen, wenn sich die Lizenzvereinbarung auf die Tätigkeit des Tochterunternehmens bezieht („Mutter-Tochter“-Lizenz“, Art. 5 I Nr. 2 Alt. 2), es sei denn, eine der in Art. 5 II Nr. 1 geregelten Ausnahme liegt vor.
- Kreuzlizenzen (Art. 5 I Nr. 3), es sei denn, es liegt gemäß Art. 5 II Nr. 2 keine Gebietsbeschränkung bei der Herstellung / Vertrieb vor.
(Kann mir jemand erklären, was der Unterschied in der Rechtsfolge zwischen einer Schwarzen Klausel und einer Klausel nach Art. 5 ist, auf die die gesamte TTVO nicht anwendbar ist ??? Dieselbe Frage stellt sich analog bzgl. Weißer Klauseln und den Freistellungen des Art. 1) In beiden Fällen (schwarze Liste / Art. 5 GrFVO) ist die GrFVO nicht anwendbar, d.h. die Klausel ist dem Verbot des Art. 81 I EGV über Art. 81 III EGV nicht entzogen. M.E. gibt es daher auch keinen Unterschied in der Rechtsfolge. Welche (direkten) RF sind hier eigentlich möglich ? Gibt es solche überhaupt ? Denn die Aufnahme einer Klausel einer schwarzen Liste oder einer Klausel, die nach Art. 5 trotz aller dort beschriebenen Auf- und Abschwünge nicht von der GrFVO-TT erfaßt wird, führt ja nicht direkt zur Nichtigkeit. Den Parteien bleibt immer noch die Möglichkeit, eine Einzelfallentscheidung über die Nichtanwendbarkeit des Art. 81 I EGV bei der EG-Kommission zu beantragen. Über die Tragweite einer (möglichen) Nichtigkeit entscheidet dann das nationale Gericht. Dann erst tritt eine RF ein.
Dito eigtl. für die andere Konstellation, weiße Klausel und Art. 1 GrFVO, oder ? Inhalt der Weißen und Schwarzen Klauseln:
Hierzu wird auf die Aufzählungen Nr. 1 – 18 in Art. 2 bzw. Nr. 1 – 7 in Art. 3 verwiesen, die (im Gegensatz zu Art. 5) gut lesbar sind.