Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen, die in einem Ergänzungs- oder sonstigen besonderen Näheverhältnis zum Integrationsprogramm der Europäischen Union stehen, sind an Art. 23 Abs. 1 GG [→ Übertragung von Hoheitsrechten] zu messen.1)
Soweit sie das Grundgesetz seinem Inhalt nach ändern oder ergänzen oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglichen, bedürfen sie nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 2 GG einer Zwei-Drittel-Mehrheit in den gesetzgebenden Körperschaften.2)
Eine unter Verstoß gegen diese Vorgaben eingegangene völkerrechtliche Verpflichtung, die der Einwirkung einer supranationalen öffentlichen Gewalt auf Bürgerinnen und Bürger in Deutschland die Tür öffnet, verletzt diese in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG.3)
Darüber hinaus sind stets auch die sich aus Art. 79 Abs. 3 GG ergebenden materiellen Grenzen an die Übertragung von Hoheitsrechten zu beachten.4)
Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen können mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden, wenn der Vertrag Regelungen enthält, die unmittelbar in die Rechtssphäre des Einzelnen eingreifen (vgl. BVerfGE 6, 290 <294 f.>; 40, 141 <156>; 84, 90 <113>; 123, 148 <170>).5)
Auch wenn die Zustimmung zu einem völkerrechtlichen Vertrag in aller Regel nicht teilbar ist, weil das Zustimmungsgesetz grundsätzlich eine mit dem völkerrechtlichen Vertrag nicht trennbare Einheit bildet und beide insoweit einen einheitlichen Angriffsgegenstand darstellen (vgl. BVerfGE 103, 332 <345 f.>), schließt dies eine am Rechtsschutzbegehren orientierte inhaltliche Beschränkung des Verfahrensgegenstands im Hinblick auf die in Bezug genommenen Regelungen des Über-einkommens nicht aus (vgl. BVerfGE 14, 1 <6>; 123, 148 <170, 185>; 142, 234 <245 ff. Rn. 10 ff.>). Insoweit ist auch bei Zustimmungsgesetzen zu völkerrechtlichen Verträgen eine genaue Bezeichnung der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Regelungen erforderlich.6)
Das Zustimmungsgesetz zu einem völkerrechtlichen Vertrag ist bereits vor seinem Inkrafttreten tauglicher Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde, wenn das Gesetzgebungsverfahren bis auf die Ausfertigung durch den Bundespräsidenten und die Verkündung abgeschlossen ist (vgl. BVerfGE 1, 396 <411 ff.>; 24, 33 <53 f.>; 112, 363 <367>; 123, 267 <329>; 132, 195 <234 f. Rn. 92>; 134, 366 <391 f. Rn. 34>; 142, 123 <177 Rn. 91>), weil andernfalls die Gefahr bestünde, dass Deutschland völkerrechtliche Verpflichtungen nur unter Verletzung seiner Verfassung erfüllen könnte. Damit könnte die Verfassungsbeschwerde ihren Zweck verfehlen, durch Klärung der verfassungsrechtlichen Lage dem Rechtsfrieden zu dienen und ein Auseinanderfallen völker- und verfassungsrechtlicher Bindungen zu vermeiden (vgl. BVerfGE 24, 33 <53 f.>; 123, 267 <329>). Es entspricht daher dem Gebot effektiven (Grund-)Rechtsschutzes und der Staatspraxis, schon zu diesem Zeitpunkt eine vorbeugende Prüfung künftiger Regelungen zu ermöglichen. Das Gesetzgebungsverfahren muss allerdings bis auf die Ausfertigung des Vertragsgesetzes durch den Bundespräsidenten und die Verkündung abgeschlossen sein (vgl. BVerfGE 1, 396 <411 ff.>; 24, 33 <53 f.>; 112, 363 <367>; 123, 267 <329>).7)