Schutzvoraussetzungen
(1) Die Mitgliedstaaten schützen Muster durch Eintragung und gewähren den Inhabern von Mustern nach Maßgabe dieser Richtlinie ausschließliche Rechte.
(2) Ein Muster wird durch ein Musterrecht geschützt, wenn es neu ist und Eigenart hat.
(3) Das Muster, das bei einem Erzeugnis, das Bauelement eines komplexen Erzeugnisse ist, benutzt oder in dieses Erzeugnis eingefügt wird, gilt nur dann als neu und hat nur dann Eigenart,
a) wenn das Bauelement, das in das komplexe Erzeugnis eingefügt ist, bei dessen bestimmungsgemäßer Verwendung sichtbar bleibt und
b) soweit diese sichtbaren Merkmale des Bauelements selbst die Voraussetzungen der Neuheit und Eigenart erfuellen.
(4) „Bestimmungsgemäße Verwendung“ im Sinne des Absatzes 3 Buchstabe a) bedeutet die Verwendung durch den Endbenutzer, ausgenommen Maßnahmen der Instandhaltung, Wartung oder Reparatur.
Gemäß Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 98/71/EG gilt das Muster, das bei einem Erzeugnis, das Bauelement eines komplexen Erzeugnisses ist, benutzt oder in dieses Erzeugnis eingefügt wird, nur dann als neu und hat nur dann Eigenart, a) wenn das Bauelement, das in das komplexe Erzeugnis eingefügt ist, bei dessen bestimmungsgemäßer Verwendung sichtbar bleibt und b) soweit diese sichtbaren Merkmale des Bauelements selbst die Voraussetzungen der Neuheit und Eigenart erfüllen. Nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 98/71/EG bedeutet „bestimmungsgemäße Verwendung“ im Sinne des Absatzes 3 Buchst. a die Verwendung durch den Endbenutzer, ausgenommen Maßnahmen der Instandhaltung, Wartung oder Reparatur. Ähnliche Regelungen für das Gemeinschaftsgeschmacksmuster finden sich in Art. 4 Abs. 2 und 3 GGV.1)
Die Auslegung der Begriffe „bei bestimmungsgemäßer Verwendung“ und „sichtbar“ in Art. 3 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 98/71/EG ist nicht eindeutig und bedarf daher der Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union.2)
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 4 DesignG sei es erforderlich, dass ein in das komplexe Erzeugnis „eingefügtes“ Bauelement sichtbar bleibe. Hingegen könne eine erst durch oder bei Trennung des Bauelements von dem komplexen Erzeugnis sich eröffnende Sicht keine dem Schutzausschluss entgegenwirkende Sichtbarkeit begründen.3) Letzteres sei der Fall, wenn die Unterseite des Fahrradsattels erst mit dessen Ausbau zu den Zwecken des Austauschs gegen einen anderen Sattel oder des Diebstahlschutzes sichtbar werde. Gleiches gelte für eine Sichtbarkeit vor Einbau des Bauelements in das komplexe Erzeugnis, zum Beispiel beim Kauf eines Fahrradsattels als Einzelteil.4)
Nach dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 98/71/EG und des seiner Umsetzung dienenden § 4 DesignG muss das Bauelement, das in das komplexe Erzeugnis „eingefügt“ ist, bei dessen bestimmungsgemäßer Verwendung sichtbar bleiben; die Prüfung der Neuheit und Eigenart erstreckt sich auf „diese sichtbaren Merkmale“ des Bauelements. Darüber hinaus soll sich der durch ein Design vermittelte Schutz nach Erwägungsgrund 12 Satz 1 der Richtlinie 98/71/EG nicht auf Merkmale eines Bauelements erstrecken, die unsichtbar sind, wenn das Bauelement eingebaut ist. Danach unterliegt es keinem Zweifel, dass allein auf den Zustand abgestellt werden kann, in dem das Bauelement eingebaut ist.5)
Den unionsrechtlichen Vorgaben lässt sich hingegen nicht zweifelsfrei entnehmen, ob mit dem Erfordernis der „Sichtbarkeit“ des Bauelements eines komplexen Erzeugnisses „bei dessen bestimmungsgemäßer Verwendung“ eine Einschränkung auf bestimmte Nutzungsbedingungen und eine bestimmte Betrachterperspektive verbunden ist oder ob die objektive Möglichkeit genügt, das Design in eingebautem Zustand des Bauelements erkennen zu können. Dies soll mit der Vorlagefrage 1 geklärt werden.6)
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 3 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (ABl. EG L 289 vom 28. Oktober 1998, S. 28) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:7)
1. Ist ein Bauelement, das ein Muster verkörpert, bereits dann „sichtbar“ im Sinne von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 98/71/EG, wenn es objektiv möglich ist, das Design in eingebautem Zustand des Bauelements erkennen zu können, oder kommt es auf die Sichtbarkeit unter bestimmten Nutzungsbedingungen oder aus einer bestimmten Betrachterperspektive an?
2. Wenn Frage 1 dahin zu beantworten ist, dass die Sichtbarkeit unter bestimmten Nutzungsbedingungen oder aus einer bestimmten Betrachterperspektive maßgeblich ist:
a) Kommt es für die Beurteilung der „bestimmungsgemäßen Verwendung“ eines komplexen Erzeugnisses durch den Endbenutzer im Sinne von Art. 3 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 98/71/EG auf den vom Hersteller des Bauelements oder des komplexen Erzeugnisses intendierten Verwendungszweck oder die übliche Verwendung des komplexen Erzeugnisses durch den Endbenutzer an?
b) Nach welchen Kriterien ist zu beurteilen, ob die Verwendung eines komplexen Erzeugnisses durch den Endbenutzer „bestimmungsgemäß“ im Sinne von Art. 3 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 98/71/EG ist?
Richtlinie 98/71/EG → Geschmacksmusterrichtlinie