Neue Einspruchsgründe dürfen nach Ansicht der Großen Beschwerdekammer in der Beschwerdephase grundsätzlich nicht mehr in das Verfahren eingeführt werden.1)
Diese Regelung verringert auch die verfahrenstechnischen Unwägbarkeiten für die Patentinhaber, die sich ansonsten auch noch in einer sehr späten Phase des Verfahrens auf unvorhersehbare Komplikationen einstellen müßten, die die Gefahr eines Widerrufs des Patents und damit eines unwiderruflichen Rechtsverlusts bergen. Einsprechende sind diesbezüglich besser gestellt, da sie immer noch die Möglichkeit haben, ein Nichtigkeitsverfahren vor den nationalen Gerichten einzuleiten, wenn ihnen vor dem EPA kein Erfolg beschieden ist. Eine berechtigte Ausnahme vom vorstehend dargelegten Grundsatz liegt jedoch dann vor, wenn der Patentinhaber mit der Prüfung eines neuen Einspruchsgrunds einverstanden ist: volenti non fit injuria. In einigen Fällen kann es nämlich durchaus in seinem eigenen Interesse sein, daß ein solcher Einspruchsgrund im zentralisierten Verfahren vor dem EPA nicht aus der Prüfung ausgeklammert wird. Es liegt jedoch auf der Hand, daß ein solcher Einspruchsgrund von der Kammer nur dann vorgebracht oder auf Antrag eines Einsprechenden im Verfahren zugelassen werden sollte, wenn er nach Einschätzung der Kammer schon dem ersten Anschein nach hochrelevant ist. Wird ein neuer Einspruchsgrund zugelassen, so sollte der Fall in Anbetracht der vorstehend definierten Zweckbestimmung des Beschwerdeverfahrens zur weiteren Behandlung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden, sofern nicht besondere Gründe für eine andere Vorgehensweise sprechen.
Ergänzend sei darauf hingewiesen, daß die Beschwerdekammer in ihrer Entscheidung sachlich in keiner Weise auf einen neuen Einspruchsgrund eingehen darf, wenn der Patentinhaber seiner Einführung in das Verfahren nicht zugestimmt hat. Zulässig ist dann nur der Hinweis, daß die Frage aufgeworfen worden ist.2)