Funktionelle Definition einer Komponente eines Stoffgemischs

Artikel 83 EPÜ → Ausführbarkeit der Erfindung

Die Besonderheit der „funktionellen“ Definition einer Komponente eines Stoffgemischs besteht darin, daß diese Komponente nicht durch Strukturmerkmale, sondern durch ihre Wirkung definiert wird. Eine solche Definition bezieht sich also nicht auf eine konkrete Komponente oder Komponentengruppe, sondern ganz abstrakt auf eine unbestimmte Vielzahl möglicher Alternativen, die chemisch ganz unterschiedlich zusammengesetzt sein können, solange sie das gewünschte Ergebnis liefern. Konsequenterweise müssen dem Fachmann all diese Alternativen auch zur Verfügung stehen, wenn die Definition und der Anspruch, in dem sie enthalten ist, den Erfordernissen der Artikel 83 bzw. 100 b) EPÜ genügen sollen. Diesem Gedanken liegt der allgemeine Rechtsgrundsatz zugrunde, daß der Schutzbereich eines Patents dem technischen Beitrag entspricht, den die Offenbarung der darin beschriebenen Erfindung zum Stand der Technik leistet; daher darf sich das mit dem Patent verliehene Monopol nicht auf Gegenstände erstrecken, die dem Fachmann auch nach der Lektüre der Patentschrift noch nicht zur Verfügung stehen.1)

Betrifft eine Erfindung ein Stoffgemisch und wird eine seiner Komponenten durch ihre Funktion definiert (im vorliegenden Fall ein Additiv, das eine Reinigungs- und Waschmittelzusammensetzung in die hexagonale Flüssigkristallphase überführt), so ist keine ausreichende Offenbarung gegeben, wenn das Patent nur Einzelbeispiele offenbart, nicht aber eine gegebenenfalls unter Berücksichtigung des einschlägigen allgemeinen Fachwissens verallgemeinerungsfähige technische Lehre, die den Fachmann in die Lage versetzen würde, das angestrebte Ergebnis im gesamten Bereich des die „funktionelle“ Definition enthaltenden Anspruchs ohne unzumutbaren Aufwand zu erreichen.2)

siehe auch

1)
T 0435/91 vom 9.3.1994 - Reinigungsmittel; m.V.a. Nrn. 3.4 und 3.5 der Entscheidung T 409/91, ABl. EPA 1994, 653
2)
T 0435/91 vom 9.3.1994 - Reinigungsmittel