Eidesstattliche Versicherung

Werden Behauptungen aus einer eidesstattlichen Versicherung bestritten, so muss dem Antrag eines Beteiligten auf Zeugenvernehmung in der Regel stattgegeben werden, bevor diese Behauptungen einer Entscheidung zu Ungunsten dessen zu Grunde gelegt werden, der sie bestreitet.1)

Das EPA lässt eidesstattliche Versicherungen als Beweismittel zu (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 4. Auflage 2001, VI.J.2). Nach deutschem Recht ist die eidesstattliche Versicherung jedoch kein übliches Beweismittel. Sie ist nur in bestimmten Fällen zulässig und hat eine geringere Beweiskraft als die üblichen Beweismittel. Insbesondere hat sie eine geringere Beweiskraft als eine Zeugenaussage. Das Bundespatentgericht kam daher zu dem Schluss, dass dem Antrag eines Beteiligten auf Zeugenvernehmung stattgegeben werden muss, wenn unter eidesstattlicher Versicherung aufgestellte Behauptungen bestritten werden (siehe Beschluss des Bundespatentgerichts 6 W (pat) 21/89 BPatGE 32, 11). Ob das EPA eine zur Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung zuständige Behörde ist, was eine falsche Versicherung zu einem Straftatbestand im Sinne von § 156 Strafgesetzbuch (StGB) machen würde, ist in der bisherigen Rechtsprechung offenbar noch nicht untersucht worden. Die Kammer stellt fest, dass nach § 27 (1) Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) nur solche Behörden eidesstattliche Versicherungen abnehmen dürfen, die durch Rechtsvorschrift für zuständig erklärt worden sind. Im Hinblick auf die vorliegende Entscheidung muss dieser Aspekt nicht eingehender geklärt werden, da bereits eine einfache Erklärung ein Beweismittel im Sinne des Artikels 117 (1) EPÜ sein kann.2)

Nach den „Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt“ sollte die Einspruchsabteilung dies generell so handhaben (sogar bei unter Eid abgegebenen Erklärungen), denn eine Erklärung „erlaubt der Einspruchsabteilung keine Beurteilung der Faktoren, die damit zusammenhängen oder dazu den Hintergrund bilden“ (Kapitel E-IV, 1.2). Hierzu wird empfohlen: „Werden die Tatsachenbehauptungen von der Gegenseite bestritten, so legt die Einspruchsabteilung ihrer Entscheidung in der Regel eine solche Erklärung nicht zu Grunde, sondern lädt die Person, die die Erklärung abgibt, als Zeugen, wenn der Beteiligte dies anbietet.“3)

Das Vorgehen nach BPatGE 32, 11, das auch in den Richtlinien (s. o.) empfohlen wird, ist deshalb gerechtfertigt, weil eine schriftliche Erklärung als solche nicht weiter hinterfragt werden kann. Es gibt keine Möglichkeit zu überprüfen, ob sie den tatsächlichen Sachverhalt wiedergibt oder nicht. Bei einer Zeugenvernehmung kann die Glaubwürdigkeit der Aussage unter erschiedenen Aspekten geprüft werden. Dabei kann es u. a. um das Gedächtnis des Zeugen gehen oder darum, ob seine Aussage auf eigenen Beobachtungen, auf Schlussfolgerungen oder auf Auskünften Dritter beruht, ob seine Aussage durch andere Beweismittel erhärtet wird oder ob der Zeuge überhaupt beobachten konnte, was er beobachtet haben will. Es kann auch um den Zeugen selbst bzw. um Anhaltspunkte dafür gehen, dass er die Wahrheit sagt oder dass seine Aussage im Gegenteil auf einem Wahrnehmungsoder Gedächtnisfehler beruht oder er nicht gewillt ist, die reine Wahrheit zu sagen und nichts zu verschweigen. Somit ist das Angebot, den Verfasser einer Erklärung als Zeugen aussagen zu lassen, ein relevantes und angemessenes Angebot eines Beweismittels, das den Inhalt der Erklärung möglicherweise widerlegt.4)

Der im Verfahren vor dem EPA geltende Grundsatz der freien Beweiswürdigung rechtfertigt nicht die Ablehnung eines solchen Angebots. Anzunehmen, dass der Inhalt einer schriftlichen Erklärung durch die Vernehmung ihres Verfassers als Zeuge nicht widerlegt werden kann, käme einer vorweggenommenen Beweiswürdigung ohne Beweisaufnahme gleich (vgl. T 927/98 vom 9. Juli 1999, nicht im ABl. EPA veröffentlicht, Nr. 2.3.5 der Entscheidungsgründe), sofern nicht der Spruchkörper im Einzelfall konkrete Tatsachen ermittelt, die eine solche Schlussfolgerung rechtfertigen.5)

1)
Leitsatz der Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer vom 30. Juni 2005 T 474/04
2) , 3) , 4) , 5)
Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer vom 30. Juni 2005 T 474/04