====== Stumme Verkäufer ====== Der Absatz von Tageszeitungen über ungesicherte Verkaufshilfen ("[[stumme Verkäufer]]") ist selbst bei erheblichem Schwund weder unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Beeinträchtigung der Kaufinteressenten noch unter dem Gesichtspunkt einer allgemeinen Marktbehinderung wettbewerbswidrig.((BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 - I ZR 180/07; m.V.a. BGH GRUR 1996, 778 - Stumme Verkäufer I)) In den Entscheidungen "20 Minuten Köln" (BGHZ 157, 55) und "Zei-tung zum Sonntag" (Urt. v. 20.11.2003 - I ZR 120/00, WRP 2004, 746) hatte der Senat den kostenlosen Vertrieb von zwei Zeitungen zu beurteilen: einer an Haltestellen ausgelegten und an belebten Stellen im Stadtgebiet verteilten Zeitung mit einem redaktionellen Teil, der etwa zwei Drittel ihres Inhalts ausmachte und neben lokalen Nachrichten Berichte insbesondere aus Politik, Kultur und Sport enthielt ("20 Minuten Köln"), sowie einer Sonntagszeitung, die ihrem Erscheinungsbild nach eine Leserzeitung war und redaktionelle Beiträge zu regionalen und überregionalen Themen, eine umfassende Sportberichterstattung und einen ausführlichen Veranstaltungskalender enthielt ("Zeitung zum Sonntag"). Weil diese Zeitungen im vollen Umfang durch Anzeigen finanziert wurden, lag kein Verschenken geldwerter Leistungen vor; die Rechtsprechung zur massenweisen unentgeltlichen Abgabe von Originalware war deshalb nicht anwendbar.((BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 - I ZR 180/07 - Stumme Verkäufer II: m.V.a BGH WRP 2004, 746, 747 - Zeitung zum Sonntag; vgl. auch BGHZ 157, 55, 60 - 20 Minuten Köln)) Da die Garantie der [[Grundrecht:Pressefreiheit]] nicht danach unterscheidet, ob sich eine Zeitung mit redaktionellem Textteil allein durch Anzeigen oder daneben auch durch ein vom Leser für den Erwerb zu zahlendes Entgelt finanziert, können entgeltlich vertriebene Zeitungen im Rahmen der wettbewerblichen Beurteilung nicht auf eine höhere Stufe gestellt werden als anzeigenfinanzierte.((BGHZ 157, 55, 62 f. - 20 Minuten Köln; BGH WRP 2004, 746, 748 - Zeitung zum Sonntag)) Der Umstand, dass bei gratis verteilten Zeitungen eine größere Gefahr der Einflussnahme der Werbetreibenden auf die Arbeit, Aus-richtung und personelle Besetzung der Redaktion bestehen mag, rechtfertigt es ebenfalls nicht, der durch die Leserschaft (mit-)finanzierten Tageszeitung von vornherein einen höheren Schutz vor einer Marktstörung zuzubilligen.((BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 - I ZR 180/07 - Stumme Verkäufer II; m.V.a. BGHZ 157, 55, 63 - 20 Minuten Köln; BGH WRP 2004, 746, 748 - Zeitung zum Sonntag)) Damit kann weder entgeltlich vertriebenen Zeitungen ein präventiver Schutz zugesprochen noch das unentgeltliche Verteilen von Tageszeitungen unabhängig vom Vorliegen einer konkreten Gefährdung des Wettbewerbsbestands als wettbewerbswidrig angesehen werden.((BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 - I ZR 180/07 - Stumme Verkäufer II; m.V.a BGHZ 157, 55, 63 f. - 20 Mi-nuten Köln; BGH WRP 2004, 746, 748 - Zeitung zum Sonntag)) Da das Wettbewerbsrecht gerade dem freien Spiel der Kräfte des Markts im Rahmen der gesetzten Rechtsordnung Raum gewähren soll, können die konkurrierenden Zeitungen keine Sicherung ihres Bestands beanspruchen. Mögliche Absatzrückgänge bei Kaufzeitungen führen auch nicht dazu, dass die Gratisverteilung wettbewerbsrechtlich zu beanstanden wäre.((BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 - I ZR 180/07 - Stumme Verkäufer II; m.V.a. BGHZ 157, 55, 64 f. - 20 Minuten Köln; BGH WRP 2004, 746, 748 f. - Zeitung zum Sonntag)) Wegen der verfestigten Strukturen und der damit extrem hohen Marktzutrittsschranken auf den Pressemärkten können sich neue Anbieter kaum anders als über ausschließlich anzeigenfinanzierte Zeitungen etabliere. Daher führt auch eine Berücksichtigung der Interessen der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb zu keiner anderen Beurteilung.((BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 - I ZR 180/07 - Stumme Verkäufer II; m.V.a. BGHZ 157, 55, 65 - 20 Minuten Köln; BGH WRP 2004, 746, 749 - Zeitung zum Sonntag)) ===== siehe auch =====