====== Rechtsschutzbedürfnis ====== Zwingende [[Prozeßvoraussetzungen|Prozessvoraussetzung]] für jede Klage ist ein allgemeines Rechtsschutzinteresse((BGH NJW-RR 1989, 263 (264) )) bzw. Rechtsschutzbedürfnis((BGH NJW1999,1337 (1338) )), also ein schutzwürdiges Interesse an der gerichtlichen Geltendmachung des eingeklagten Rechts.((OLG Düsseldorf, Urteil v. 28. August 2014 - 1-15 U 27/14)) Ein [[Antrag]] ist als unzulässig abzuweisen, wenn für ihn kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Das Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses soll verhindern, dass Rechtsstreitigkeiten in das Stadium der Begründetheitsprüfung gelangen, für die eine solche Prüfung nicht erforderlich ist. Grundsätzlich haben Rechtssuchende allerdings einen Anspruch darauf, dass die staatlichen Gerichte ihr Anliegen sachlich prüfen und darüber entscheiden. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt jedoch, wenn ein Antrag objektiv schlechthin sinnlos ist, wenn also der Antragsteller unter keinen Umständen mit seinem prozessualen Begehren irgendeinen schutzwürdigen Vorteil erlangen kann.((BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2024 – I ZB 22/24; m.V.a. BGH, Urteil vom 29. September 2022 - I ZR 180/21, NJW-RR 2023, 66 [juris Rn. 10] mwN)) Der [[Grundrecht:allgemeiner Justizgewährungsanspruch|allgemeine Justizgewährungsanspruch]] umfasst nach der ständigen Rechtsprechung des [[Grundrecht:Bundesverfassungsgericht|Bundesverfassungsgerichts]] das Recht auf Zugang zu den staatlichen Gerichten, eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands sowie eine verbindliche Entscheidung durch ein staatliches Gericht. Der Justizgewährungsanspruch garantiert darüber hinaus aber auch die Effektivität des Rechtsschutzes((vgl. BVerfG, NJW 2022, 2677 [juris Rn. 38] mwN)). Verneint ein Gericht zu Unrecht das [[Rechtsschutzbedürfnis]] für einen Antrag, kann dies eine Verletzung des Justizgewährungsanspruchs darstellen.((BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2024 – I ZB 22/24; m.V.a. BVerfGE 96, 27 [juris Rn. 48 f. und 52])) Das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses stellt einen von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel dar. Die Frage, ob für die Inanspruchnahme eines Gerichts ein rechtlich schutzwürdiges Interesse besteht, ist daher auch in der Revisionsinstanz unabhängig davon zu prüfen, ob der Beklagte eine entsprechende Rüge erhoben hat.((BGH, Beschl. vom 23.4.2020 - I ZR 85/19; m.V.a. BGH, Urteil vom 15. November 2012 - I ZR 128/11, GRUR 2013, 647 Rn. 11 = WRP 2013, 770 - Rechtsmissbräuchlicher Zuschlagsbeschluss, mwN)) Das für die Zulässigkeit der Revision erforderliche Rechtsschutzbedürfnis setzt voraus, dass der [[Rechtsmittelführer]] durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist und das [[Rechtsmittel]] dazu dient, diese Beschwer zumindest teilweise zu beseitigen.((BGH, Urteil vom 24. März 2022 - I ZR 16/21 - Schneidebrett; m.V.a. BGH, Urteil vom 10. Januar 2019 - I ZR 267/15, GRUR 2019, 813 [juris Rn. 97] = WRP 2019, 1013 - Cordoba II, mwN)) Das Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses soll verhindern, dass Rechtsstreitigkeiten in das Stadium der Begründetheitsprüfung gelangen, die ersichtlich des Rechtsschutzes durch eine solche Prüfung nicht bedürfen.((BGH, Urteil vom 10. Januar 2019 - I ZR 267/15 - Cordoba II)) Bei Leistungsklagen, zu denen auch Unterlassungsklagen gehören, ergibt sich ein Rechtsschutzbedürfnis jedoch regelmäßig schon aus der Nichterfüllung des behaupteten materiellen Anspruchs, dessen Vorliegen für die Prüfung des Interesses an seiner gerichtlichen Durchsetzung zu unterstellen ist. Nur ausnahmsweise können besondere Umstände das Verlangen des Klägers, in die materiell-rechtliche Prüfung seines Anspruchs einzutreten, als nicht schutzwürdig erscheinen lassen,((st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 2019 - I ZR 267/15 - Cordoba II; m.V.a. BGH, Urteil vom 4. März 1993 - I ZR 65/91, GRUR 1993, 576, 577 [juris Rn. 19] - Datatel; Urteil vom 25. Oktober 2012 - III ZR 266/11, BGHZ 195, 174 Rn. 51; Urteil vom 4. Juni 2014 - VIII ZR 4/13, BeckRS 2014, 13957 Rn. 17 f., jeweils mwN)) Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt allgemein, wenn eine Klage oder ein Antrag objektiv schlechthin sinnlos ist, wenn also der Kläger oder Antragsteller unter keinen Umständen mit seinem prozessualen Begehren irgendeinen schutzwürdigen Vorteil erlangen kann. Jedoch kann Rechtsuchenden nur unter ganz besonderen Umständen der Zugang zu einer sachlichen Prüfung durch die Gerichte verwehrt werden. Grundsätzlich haben sie einen Anspruch darauf, dass die staatlichen Gerichte ihr Anliegen sachlich prüfen und darüber entscheiden.((BGH, Urteil vom 15. Oktober 2020 - I ZR 210/18 - Vorwerk; m.V.a. BGH, Urteil vom 21. September 2017 - I ZR 58/16, GRUR 2017, 1236 Rn. 37 = WRP 2017, 1488 - Sicherung der Drittauskunft, mwN)) Wenn sich die Schutzwürdigkeit der klägerischen Position erst aufgrund näherer Prüfung materiellrechtlicher Fragen beurteilen lässt, kann das Rechtsschutzbedürfnis nicht verneint werden (BGH, GRUR 1993, 576, 577 [juris Rn. 19] - Datatel; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., Vor § 253 Rn. 18). Es bedarf daher besonderer Gründe, die ausnahmsweise die Verneinung eines Rechtsschutzbedürfnisses rechtfertigen.((OLG Düsseldorf, Urteil v. 28. August 2014 - 1-15 U 27/14)) Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt insbesondere dann, wenn das verfolgte Begehren auf einem einfacheren Weg zu erlangen ist.((OLG Düsseldorf, Urteil v. 28. August 2014 - 1-15 U 27/14; m.V.a. BGH NJW-RR 2010, 19 Rn 20)) Hierbei ist die Zweckmäßigkeit beider prozessualer Alternativen zu vergleichen. Auf einen verfahrensmäßig unsicheren Weg darf der Rechtssuchende nicht verwiesen werden. Ein schnelleres und billigeres Mittel des Rechtsschutzes lässt das berechtigte Interesse für eine Klage nur entfallen, sofern es wenigstens vergleichbar sicher oder wirkungsvoll alle erforderlichen Rechtsschutzziele herbeiführen kann.((OLG Düsseldorf, Urteil v. 28. August 2014 - 1-15 U 27/14; m.V.a. BGH NJW1994, 1351 (1352); NJW-RR 2009, 1148 Rn 6)) Das Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses soll verhindern, dass Klagebegehren in das Stadium der Begründetheitsprüfung gelangen, die ersichtlich des Rechtsschutzes durch eine solche Prüfung nicht bedürfen.((BGH, Urt. v. 23. Februar 2006 - I ZR 272/02; vgl. BGH, Urt. v. 24.2.2005 - I ZR 101/02, GRUR 2005, 519 = WRP 2005, 735 - Vitamin-Zell-Komplex, für BGHZ vorgesehen)) Beim Rechtsschutzbedürfnis handelt es sich um eine auf Treu und Glauben für alle Verfahrensarten gründende allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzung, die dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte Ausdruck verleiht.((BPatG, Leitsatzentscheidung vom 27.9.2007 - 29 W (pat) 163/04; m.V.a. Kopp, VwGO, 13. Aufl. Vor § 40, Rdn. 30)) Nach Artikel 19 Abs. 4 GG steht jedermann, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Grundrechten verletzt ist, der Rechtsweg offen. Dabei garantiert die Gewährleistung des Artikels 19 Abs. 4 GG nicht nur das formelle Recht und die Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes; es besteht ein substantieller Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle.((BPatG, Leitsatzentscheidung vom 27.9.2007 - 29 W (pat) 163/04; m.V.a. BVerfGE 81, 123 [129]; 65, 1 [70]; 53, 115 (127); Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 5. Aufl., Art. 19, Rdn. 62; Sachs, Grundgesetz Kommentar, 3. Aufl., Art. 19, Rdn. 143; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 8. Aufl., Art. 19, Rdn. 50)) Diese Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes greift nicht erst ein, wenn eine Rechtsverletzung feststeht. Vielmehr ist gerade deren Feststellung und ggf. Beseitigung Gegenstand des geschützten Verfahrens, so dass der von Artikel 19 Abs. 4 GG gewährte Anspruch nur voraussetzt, dass eine Rechtsgutsverletzung möglich ist((Münch, a. a. O., Art. 19, Rdn. 61; Sachs, a. a. O., Art. 19, Rdn. 126; Jarass/Pieroth, a. a. O., Art. 19, Rdn. 41)). Ein Rechtsschutzbedürfnis ist damit erst dann zu verneinen, wenn ein Rechtsmittel keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann und damit der Bereich der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht mehr betroffen ist.((BPatG, Leitsatzentscheidung vom 27.9.2007 - 29 W (pat) 163/04; m.V.a. Kopp, a. a. O. Vor § 40, Rdn. 38)) Rechte, zu deren Durchsetzung nach Artikel 19 Abs. 4 GG der Rechtsweg eröffnet ist, können sowohl Grundrechte wie auch sonstige subjektive Rechte des einfachen Rechts sein.((BPatG, Leitsatzentscheidung vom 27.9.2007 - 29 W (pat) 163/04; m.V.a. Münch, a. a. O., Art. 19, Rdn. 59; Sachs, a. a. O., Art. 19, Rdn. 127; Jarass/Pieroth, a. a. O., Art. 19, Rdn. 35)) ==== ZPO ==== Bei Leistungs- und Gestaltungsklage ist das Rechtsschutzbedürfnis grundsätzlich anzunehmen und braucht nicht dargelegt zu werden. Ausnahmsweise fehlt auch bei der Leistungsklage das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Kläger schon einen vollstreckbaren Titel über den Streitgegenstand besitzt, oder wenn es für den Kläger auch eine wesentlich einfachere, schnellere und kostengünstigere Möglichkeit gibt, sein Interesse durchzusetzen. Besonders darzulegen ist das Rechtsschutzinteresse allerdings bei der **Feststellungsklage**. Für eine Feststellungsklage besteht in der Regel kein Rechtsschutzinteresse, wenn das Begehren auch im Wege einer Leistungsklage erhoben werden kann. ==== Zulässigkeit der Revision ==== Das für die Zulässigkeit der Revision erforderliche Rechtsschutzbedürfnis setzt voraus, dass der Rechtsmittelführer durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist und das Rechtsmittel dazu dient, diese Beschwer zumindest teilweise zu beseitigen.((BGH, Urteil vom 10. Januar 2019 - I ZR 267/15 - Cordoba II; m.V.a. BGH, Urteil vom 21. Juni 1968 - IV ZR 594/68, BGHZ 50, 261, 263; MünchKomm.ZPO/Krüger, 5. Aufl., § 542 Rn. 18)) Damit soll im Interesse der Gesamtheit der rechtschutzsuchenden Bürger und des jeweiligen Prozessgegners ausgeschlossen werden, dass das Rechtsmittelgericht sich mit dem Rechtsstreit befassen muss, ohne dass der Rechtsmittelkläger ein schutzwürdiges Interesse an der von ihm erstrebten Entscheidung hat. Deswegen genügt auf Seiten des Rechtsmittelklägers die bloß formelle Beschwer nicht, um die Zulässigkeit des von ihm eingelegten Rechtsmittels zu bejahen. Vielmehr ist die für die Zulässigkeit des Rechtsmittels der klagenden Partei geforderte Beschwer nur gegeben, wenn ein Vergleich des rechtskräftigen Inhalts des angefochtenen Urteils mit dem Klagebegehren ergibt, dass die Entscheidung für den Rechtsmittelkläger in irgendeiner Weise sachlich nachteilig ist, seinem Begehren also nicht voll entsprochen worden ist.((BGH, Urteil vom 10. Januar 2019 - I ZR 267/15 - Cordoba II; m.V.a. BGHZ 50, 261, 263; BGH, Beschluss vom 11. März 2015 - XII ZB 553/14, NJW-RR 2015, 1203 Rn. 8 mwN)) Der Kläger ist dagegen nicht beschwert, wenn das Gericht ihm den geltend gemachten Anspruch zugesprochen und ihn lediglich anders zugeordnet hat, als es in der Klagebegründung geschehen ist.((BGH, Urteil vom 10. Januar 2019 - I ZR 267/15 - Cordoba II; m.V.a. BGHZ 50, 261, 263 f.)) ==== Einspruch DPMA ==== Das Einspruchsverfahren ist ein Popularverfahren, weshalb ein Rechtsschutzinteresse des Einsprechenden nicht dargelegt werden muß (siehe auch: [[patentrecht:zulaessigkeitsvoraussetzung_des_einspruchsverfahrens#Einspruchsbefugnis]]). Nach Erlöschen des Patents muß für eine Vortführung des Einspruchsverfahrens ein besonderes Rechtsschutzinteresse dargelegt werden. ===== siehe auch ===== -> [[Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen]] \\ -> [[Prozeßvoraussetzungen]] \\