====== Beweislast ====== § 286 ZPO -> [[Freie Beweiswürdigung]] \\ -> [[Beweislastumkehr]] \\ -> [[Negative Tatsachen|Beweislast bei negativen Tatsachen]] \\ -> [[Darlegungslast]] Die Beweislast fällt bis auf wenige Ausnahmen der Partei zu, die auch die [[Behauptungslast]] trägt. Die objektive Beweislast wird auch als Feststellungslast bezeichnet. Ein Auseinanderfallen von Behauptungs-/Beweisführungslast einerseits und objektiver Feststellungslast andererseits liegt beispielsweise in folgenden Fällen vor: Im Verfahren mit [[Amtsermittlungsgrundsatz]] trifft die Beweislast grundsätzlichen denjenigen, der entscheidungserhebliche Tatsachen behauptet, die nicht als feststehend betrachtet werden können. ==== Behauptung negativer Tatsachen ==== Da [[negative Tatsachen]] meist schwer zu beweisen sind, fällt hier in der Regel die Beweislast und [[Behauptungslast]] auseinander. -> [[Negative Tatsachen|Beweislast bei negativen Tatsachen]] ==== Sekundäre Behauptungslast ==== Steht die Partei, der die Beweislast obliegt, außerhalb des für ihren Anspruch erheblichen Geschehensablaufs und kennt der Gegner alle wesentlichen Tatsachen, so genügt sein [[einfaches Bestreiten]] nicht ohne weiteres. Bei einer solchen Sachlage obliegt es dem Gegner vielmehr, im Rahmen des Zumutbaren die für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände aufzuzeigen. Kommt er dieser [[sekundäre Darlegungslast|sekundären Darlegungslast]] nicht nach, gilt der Vortrag der beweisbelasteten Partei als unbestritten.((BGH, Urteil vom 9. September 2021 - X ZR 94/20)) Kommt der Prozessgegner der beweisbelasteten Partei seiner sekundären [[Behauptungslast]] nach, so ist die weitere Beweisführung wiederum Sache des an sich Beweispflichtigen.((BGH, Urt. v. 22. Januar 2009 - I ZR 139/07 - pcb ; m.V.a. Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., vor § 284 Rdn. 34c)) Der Umstand, dass der an sich darlegungs- und beweisbelasteten Partei die nähere Darlegung eines zum Wahrnehmungsbereich des Gegners gehörenden Geschehens nicht möglich ist, führt nicht zu einer Umkehrung der Beweislast, son-dern allenfalls zu erhöhten Anforderungen an die Erklärungslast des Prozessgegners.((BGH, Urt. v. 22. Januar 2009 - I ZR 139/07 - pcb)) ==== Größere Sachnähe des Beklagten zu den anspruchsbegründenden Tatsachen ==== Über § 138 ZPO wird die Vortragslast des Beklagten abgeleitet, wenn dieser die größere Sachnähe besitzt. Beispielsfall (BGH GRUR 1963, 270 – Bärenfang): Es ging um einen Fall irreführender Werbung. Der Beklagte behauptete in seiner Werbeanzeige, sein Honiglikör mit dem Namen „Bärenfang“ sei nach einem alten ostpreußischen Familienrezept hergestellt. Hier bürdete der BGH dem Beklagten die Vortragslast auf, d.h. er musste das in seiner Werbeanzeige Behauptete im Einzelnen darlegen. Die objektive Feststellungslast blieb aber beim Kläger. Äußert sich in einem solchen Fall der Beklagte nicht, so ist sein Bestreiten unsubstantiiert. Bei der Erschöpfung muss der Beklagte detailliert vortragen, die Feststellungslast verbleibt beim Kläger. Siehe hierzu die Entscheidungen „Karate“ (BGH GRUR 2000, 299) und „Stüssy“ (Vorlageentscheidung des BGH GRUR 2000, 879; offenbar vom EuGH noch nicht entschieden). Preisgegenüberstellung, d.h. durchgestrichene Preise. Diese müssen über einen angemessenen Zeitraum gefordert worden sein. Auch hier Vortragslast beim Beklagten, Feststellungslast beim Kläger. Vgl. BGH GRUR 75, 78 - Preisgegenüberstellung. Eine echte Beweislastumkehr findet sich bei der Alleinstellungswerbung (d.h. Werbung, man sei das größte Möbelhaus und dgl.). Das heißt sowohl die Vortrags- als auch die Feststellungslast liegen auf Seite des Beklagten (d.h. Werbenden) (BGH GRUR 1978, 249 - Kreditvermittlung) ==== Negative Feststellungsklage ==== Beispielsfall: Der Inhaber eines EP-Patents verwarnt den vermeintlichen Verletzer und macht geltend, die angegriffene Ausführungsform des Klägers mache von dem Patent Gebrauch. Der vermeintliche Verletzer erhebt negative Feststellungsklage. Zur angesetzten mündlichen Verhandlung kommt der Patentinhaber nicht. Bei negativer Feststellungsklage kehren sich Vortrags- und Beweislast nicht um. Die Vortrags- und Beweislast ist also wie bei der Verletzungsklage zugeordnet, d.h. der Patentinhaber muss vortragen und beweisen, dass eine Verletzung vorliegt. Ein „non-liquet“ geht demnach zu Lasten des Patentinhabers (vgl. Zöller § 286, Rdn. 18; BGH NJW 93, 1716) ==== Beweislastumkehr bei Verfahrensansprüchen nach § 139 III PatG ==== Einen gesetzlich geregelten Fall der Beweislastumkehr betrifft den [[Patentrecht:Schutz des unmittelbaren Verfahrenserzeugnisses]] ==== Beweislast im Nichtigkeits- und Einspruchsverfahren ==== Trotz des Amtsermittlungsgrundsatzes im Einspruchsverfahren gibt es auch hier eine objektive Feststellungslast. Generell liegt die Beweislast für fehlende Neuheit und erfinderische Tätigkeit im Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren beim Kläger. Ein non-liquet geht also zu Lasten des Klägers (vgl. hierzu die etwas unklaren Abschnitte in Benkard § 87, Rdn. 13-14) Auch nach dem EPÜ liegt die Beweislast generell beim Einsprechenden. Hat dieser jedoch genug Indizien für die fehlende Ausführbarkeit vorgebracht, dann hat der Patentinhaber die Ausführbarkeit nachzuweisen (Richtlinien D V 4.3) ==== Erleichterung der Beweisführung nach Treu und Glauben ==== [[Privatrecht:Treu und Glauben]] können auch im Patent- und Gebrauchsmusterverletzungsprozess eine Erleichterung der Beweisführung für die beweisbelastete Partei gebieten. Dies gilt namentlich für die Spezifizierung von Tatsachen, wenn und soweit diese der mit der Beweisführung belasteten Partei nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Erschwerungen zugänglich sind, während ihre Offenle-gung für den Gegner ohne weiteres möglich und zumutbar erscheint.((BGH, Urt. v. 16. Mai 2006 - X ZR 169/04 - Kunststoffbügel; BGH, Urt. v. 30.09.2003 - X ZR 114/00, GRUR 2004, 268 - Blasenfreie Gummibahn II; v. 22.11.2005 - X ZR 81/01, GRUR 2006, 313, 315 - Stapeltrockner)) ==== Beweislast bei unionsrechtlichen Regelungen ==== Enthält eine unionsrechtliche Regelung keine Bestimmung über die Beweislast für einen bestimmten Umstand, ist es grundsätzlich Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats, die Verfahrensmodalitäten für Klagen festzulegen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, sofern diese Modalitäten den Äquivalenz- und den Effektivitätsgrundsatz wahren.((BGH, Urteil vom 9. September 2021 - X ZR 94/20; m.V.a. EuGH, Urteil vom 22. November 2012 - C-139/11, RRa 2013, 17, zur Verjährung)) ===== siehe auch ===== -> [[Beweis]] \\