====== Schutzdauerrichtlinie ====== Übereinkommen zum Schutz der Hersteller von Tonträgern gegen die unerlaubte Vervielfältigung ihrer Tonträger vom 29. Oktober 1971((BGBl. 1973 II S. 1670; im Folgenden: Genfer Tonträger-Abkommen)) Die Rückwirkung des Genfer Tonträger-Abkommens reicht nicht weiter als der Inlandsschutz, der nach § 129 Abs. 1 UrhG hinsichtlich der Rechte der Tonträgerhersteller aus § 85 UrhG keine Rückwirkung über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Urheberrechtsgesetzes hinaus vorsieht und damit erst ab 1. Januar 1966 eingreift.((vgl. BGHZ 123, 356 - Beatles; 125, 382, 386 - Rolling Stones; vgl. weiter Schricker/Katzenberger, Urheberrecht, 3. Aufl., Vor §§ 120 ff. UrhG Rdn. 95; Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 126 Rdn. 9; Schack, JZ 1994, 360, 363)) ==== Art. 10 Abs. 2 ==== Nach dem Wortlaut des Art. 10 Abs. 2 der Schutzdauerrichtlinie ist ein Tonträger unabhängig vom Bestehen eines Schutzes in einem Mitgliedstaat bereits dann zu schützen, wenn er am 1. Juli 1995 (Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie) die Schutzkriterien der Vermiet- und Verleihrechtsrichtlinie (Richtlinie 92/100/ EWG) erfüllt.((BGH, Beschl. v. 29. März 2007 - I ZR 80/04 - Tonträger aus Drittstaaten)) Nach dem Wortlaut des Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie ist es - anders als nach § 137f Abs. 2 UrhG - unerheblich, ob für den Gegenstand in dem Mitgliedstaat, in dem der Schutz beansprucht wird, bereits zu irgendeinem Zeitpunkt Schutz bestanden hat. Allein nach dem Wortlaut der Vorschrift wären die Mitgliedstaaten darüber hinaus sogar verpflichtet, auch Tonträger zu schützen, die am 1. Juli 1995 in keinem Mitgliedstaat geschützt waren. Denn in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie heißt es, dass die in der Schutzdauerrichtlinie vorgesehene Schutzfrist auf alle Gegenstände Anwendung findet, die zu dem in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie genannten Zeitpunkt die Schutzkriterien der Vermiet- und Verleihrechtsrichtlinie erfüllen((Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums, ABl. Nr. L 346 vom 27.11.1992 S. 61; kodifizierte Fassung: Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheber-recht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums, ABl. Nr. L 376 vom 27.12.2006 S. 28)). Die Richtlinienbestimmung wird jedoch kaum dahin ausgelegt werden können, dass über das angestrebte Ziel der Richtlinie, die Schutzfristen zu harmonisieren, hinausgehend ein Schutz auch für Tonträger begründet werden sollte, die am 1. Juli 1995 in der gesamten Gemeinschaft nicht mehr geschützt waren.((BGH, Beschl. v. 29. März 2007 - I ZR 80/04 - Tonträger aus Drittstaaten ; m.V.a. dazu weiter Walter in Walter [Hrsg.], Europäisches Urheberrecht, 2001, Art. 10 Schutzdauer-RL Rdn. 20 f.)) Nach Art. 10 Abs. 2 der Schutzdauerrichtlinie findet die in dieser Richt-linie vorgesehene Schutzfrist "auf alle Werke oder Gegenstände Anwendung, die zu dem in Artikel 13 Absatz 1 genannten Zeitpunkt zumindest in einem der Mitgliedstaaten aufgrund der Anwendung nationaler Bestimmungen im Bereich des Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte geschützt werden". Damit wird zweifelsfrei auf die Bestimmungen über den Schutz der Angehörigen von Mitgliedstaaten der Gemeinschaft verwiesen. Es erscheint jedoch fraglich, ob die Vorschrift - wie ihr Wortlaut nahelegen könnte - auch auf die nationalen Bestimmungen im Bereich des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte Bezug nehmen soll, die den Schutz von Rechtsinhabern regeln, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaates der Gemeinschaft sind. Eine solche wortlautgemäße Auslegung stünde jedenfalls in Widerspruch zu Sinn und Zweck der Regelung des Art. 7 Abs. 2 der Schutzdauerrichtlinie.((BGH, Beschl. v. 29. März 2007 - I ZR 80/04 - Tonträger aus Drittstaaten)) Der Wortlaut der Vorschrift ist im Übrigen zumindest in anderer Hin-sicht entgegen ihrer beschränkten Zielsetzung zu weit gefasst. Bei wortlautge-mäßer Anwendung würde Art. 10 Abs. 2 der Schutzdauerrichtlinie die Mitglied-staaten verpflichten, auch verwandte Schutzrechte anzuerkennen, die gemein-schaftsweit noch nicht harmonisiert sind. Dies kann jedoch nicht Sinn der Har-monisierung der Schutzfristen sein.((BGH, Beschl. v. 29. März 2007 - I ZR 80/04 - Tonträger aus Drittstaaten; m.w.N.)) **Vorlagefragen**((BGH, Beschl. v. 29. März 2007 - I ZR 80/04 - Tonträger aus Drittstaaten)) Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zur Auslegung der Richtlinie 2006/116/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über die Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte (Schutzdauerrichtlinie) folgende Fragen zur Vorabent-scheidung vorgelegt: - Findet die in der Schutzdauerrichtlinie vorgesehene Schutzfrist unter den Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie auch dann Anwendung, wenn der betreffende Gegenstand in dem Mitgliedstaat, in dem Schutz be-ansprucht wird, zu keiner Zeit geschützt war? - Falls die Frage 1 zu bejahen ist: \\ a) Sind nationale Bestimmungen im Sinne des Art. 10 Abs. 2 der Schutzdauerrichtlinie auch die Bestimmungen der Mitgliedstaaten über den Schutz von Rechtsinhabern, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaates der Gemeinschaft sind? \\ b) Findet die in der Schutzdauerrichtlinie vorgesehene Schutzfrist gemäß Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie auch auf Gegenstände Anwendung, die zu dem in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie genannten Zeitpunkt zwar die Schutzkriterien der Richtlinie 92/100/EWG des Rates zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums vom 19. November 1992 erfüllt haben, deren Rechtsinhaber aber nicht Angehörige eines Mitgliedstaates der Gemeinschaft sind? ==== Art. 7 Abs. 2 ==== Die Schutzdauerrichtlinie überlässt gemäß ihrem Art. 7 Abs. 2 den Mitgliedstaaten die Entscheidung, ob sie Rechtsinhabern, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaates sind, die verwandten Schutzrechte, die in Art. 3 der Richt-linie genannt sind, überhaupt gewähren wollen((vgl. Walter aaO Art. 7 Schutzdauer-RL Rdn. 3, 19; Schricker/Katzenberger aaO § 64 UrhG Rdn. 34; Reindl in Koppensteiner [Hrsg.], Österreichisches und europäisches Wirtschaftsprivatrecht, Teil 2, 1996, S. 249, 400; von Lewinski in UrhQuellen, Europ. GemeinschaftsR/II/4, S. 14; Juranek in Dittrich [Hrsg.], Beiträge zum Urheberrecht V, 1997, S. 41, 44)). Dies hat - wie der in Art. 7 Abs. 2 Satz 2 der Schutzdauerrichtlinie zwingend vorgeschriebene Schutzfristenvergleich - seinen Grund darin, dass Drittstaaten ein erweiterter Schutz der Leistungen ihrer Angehörigen grundsätzlich nur bei materieller Gegenseitigkeit gewährt werden soll. Die Schutzdauerrichtlinie nimmt dabei in Kauf, dass in den Mitgliedstaaten Rechtsunterschiede beim Schutz von Drittstaatsangehörigen bestehen, die auch den innergemeinschaftlichen Handel beeinträchtigen und zu Wettbewerbsverzerrungen führen können.((BGH, Beschl. v. 29. März 2007 - I ZR 80/04 - Tonträger aus Drittstaaten; m.V.a. Schricker/Katzenberger aaO § 64 UrhG Rdn. 34; vgl. weiter Juranek aaO S. 41, 44; von Lewinski, GRUR Int. 1992, 724, 732)) ===== siehe auch ===== * [[Urheberrecht]]