====== Sampling ====== § 51a UrhG -> [[Pastiches]] Die Technik des elektronischen Kopierens von Audiofragmenten (Sampling), bei der ein Nutzer - zumeist mit Hilfe elektronischer Geräte - einem Tonträger ein Audiofragment entnimmt und dieses zur Schaffung eines neuen Werks nutzt, ist eine künstlerische Ausdrucksform, die unter die durch Art. 13 der EU-Grundrechtecharta geschützte Freiheit der Kunst [-> [[Grundrecht:Kunstfreiheit]]] fällt.((BGH, Urteil vom 30. April 2020 - I ZR 115/16 - Metall auf Metall IV)) In Ausübung dieser Freiheit kann der Nutzer eines Audiofragments bei der Schaffung eines neuen Werks das dem Tonträger entnommene Fragment so ändern, dass es im neuen Werk __nicht wiedererkennbar__ ist.((BGH, Urteil vom 30. April 2020 - I ZR 115/16 - Metall auf Metall IV; m.V.a. EuGH, GRUR 2019, 929 Rn. 35 bis 38 - Pelham u.a.)) Die Annahme, dass ein Audiofragment, das für das eigene künstlerische Schaffen einem Tonträger entnommen und in einem neuen Werk in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form genutzt wird, eine Vervielfältigung dieses Tonträgers im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG [-> [[Vervielfältigungsrecht der Urheberrechtsrichtlinie]]] darstellt, widerspräche nicht nur dem Sinn dieses Begriffs nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch, sondern missachtete auch das Erfordernis eines angemessenen Ausgleichs zwischen den Interessen der Inhaber von Urheber- und verwandten Schutzrechten und den Interessen der Nutzer sowie dem Allgemeininteresse. Eine solche Auslegung würde es dem Tonträgerhersteller insbesondere ermöglichen, sich dagegen zu wehren, dass ein Dritter zum Zweck des künstlerischen Schaffens ein - auch nur sehr kurzes - Audiofragment aus seinem Tonträger entnimmt, obwohl eine solche Entnahme ihm nicht die Möglichkeit nimmt, einen zufriedenstellenden Ertrag aus seinen Investitionen zu erzielen.((BGH, Urteil vom 30. April 2020 - I ZR 115/16 - Metall auf Metall IV; m.V.a. EuGH, GRUR 2019, 929 Rn. 35 bis 38 - Pelham u.a.)) Die Übernahme eines im Wege des elektronischen Kopierens (Sampling) entnommenen Audiofragments in ein neues Werk stellt eine Vervielfältigung im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG und des nach dieser Vorschrift richtlinienkonform auszulegenden § 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UrhG [-> [[Verwertungsrechte des Tonträgerherstellers]]] dar, wenn das Audiofragment nach dem Hörverständnis eines durchschnittlichen Musikhörers in __wiedererkennbarer__ Form übernommen wird.((BGH, Urteil vom 30. April 2020 - I ZR 115/16 - Metall auf Metall IV)) Im Hinblick darauf, dass es nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts dem künstlerischen Schaffensprozess nicht hinreichend Rechnung tragen würde, wenn die Zulässigkeit der Verwendung von gleichwertig nachspielbaren Samples eines Tonträgers generell von der Erlaubnis des Tonträgerherstellers abhängig gemacht würde((vgl. BVerfGE 142, 74 Rn. 91 bis 108)), hält der Senat nicht an seiner Auffassung fest, dass eine entsprechende Anwendung des § 24 Abs. 1 UrhG [-> [[Freie Benutzung]]] ausscheidet, wenn es möglich ist, die auf dem Tonträger aufgezeichnete Tonfolge selbst einzuspielen.((BGH, Urteil vom 30. April 2020 - I ZR 115/16 - Metall auf Metall IV; m.V.a. BGH, GRUR 2009, 403 Rn. 23 - Metall auf Metall I; GRUR 2013, 614 Rn. 13 bis 24 - Metall auf Metall II)) Bei der Prüfung der Frage, ob ein von einem Tonträger entnommenes Audiofragment in einem neuen Werk in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form genutzt wird, ist auf das Hörverständnis eines durchschnittlichen Musikhörers abzustellen.((BGH, Urteil vom 30. April 2020 - I ZR 115/16 - Metall auf Metall IV; m.V.a. Apel, MMR 2019, 601, 602; Leistner, GRUR 2019, 1008, 1010; Wagner, MMR 2019, 727, 729)) Die Berücksichtigung dieses Hörerkreises entspricht dem mit der Einführung des Kriteriums der "geänderten und beim Hören nicht wiedererkennbaren Form" verfolgten Ziel, im Falle der im Rahmen künstlerischen Schaffens erfolgenden Übernahme von Audiofragmenten die Annahme einer Vervielfältigung an die Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Interessen des Tonträgerherstellers zu knüpfen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union folgt aus einer Abwägung der Freiheit der Kunst (Art. 13 EU-Grundrechtecharta) und der Gewährleistung des geistigen Eigentums (Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta), dass es an einer hinreichenden Beeinträchtigung der Interessen des Tonträgerherstellers fehlt, wenn die Übernahme des Audiofragments in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbaren Form erfolgt.((BGH, Urteil vom 30. April 2020 - I ZR 115/16 - Metall auf Metall IV; m.V.a. EuGH, GRUR 2019, 929 Rn. 37 f. - Pelham u.a.)) Nach diesem Verständnis sind die Interessen des Tonträgerherstellers jedenfalls hinreichend betroffen, wenn ein Audiofragment in beim Hören wiedererkennbarer Form übernommen wird.((BGH, Urteil vom 30. April 2020 - I ZR 115/16 - Metall auf Metall IV)) Schutzgegenstand des ausschließlichen Rechts des Tonträgerherstellers ist nicht der Tonträger oder die Tonfolge selbst, sondern die zur Festlegung der Tonfolge auf dem Tonträger erforderliche wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung des Tonträgerherstellers. Da der Tonträgerhersteller diese unternehmerische Leistung für den gesamten Tonträger erbringt, gibt es keinen Teil des Tonträgers, auf den nicht ein Teil dieses Aufwands entfiele und der daher nicht geschützt wäre. Die für die Aufnahme erforderlichen Mittel müssen für den kleinsten Teil der Aufnahme genauso bereitgestellt werden wie für die gesamte Aufnahme; selbst der kleinste Teil einer Tonfolge verdankt seine Festlegung auf dem Tonträger der unternehmerischen Leistung des Herstellers. In diese unternehmerische Leistung greift derjenige ein, der einem fremden Tonträger kleinste Tonfetzen entnimmt.((BGH, Beschluss vom 1. Juni 2017 - I ZR 115/16 - Metall auf Metall III; m.V.a. BGH, GRUR 2009, 403 Rn. 14 - Metall auf Metall I)) Dem Hersteller des Tonträgers wird durch die ungenehmigte Übernahme selbst kleinster Teile einer Tonaufnahme regelmäßig eine mit seiner unternehmerischen Leistung geschaffene Verwertungsmöglichkeit entzogen. Auch kleinste Teile von Tonaufnahmen haben - wie der Handel mit SoundSamples zeigt - einen wirtschaftlichen Wert.((BGH, GRUR 2009, 403 Rn. 15 - Metall auf Metall I)) Im Falle des Samplings kommen die Schranke des [[Zitatrecht|Zitatrechts]] (§ 51 Satz 1 und 2 Nr. 3 UrhG; Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG), sowie die Schranken für die Nutzung von [[unwesentliches Beiwerk|unwesentlichem Beiwerk]] (§ 57 UrhG; Art. 5 Abs. 3 Buchst. i der Richtlinie 2001/29/EG) oder zum Zwecke von [[Karikaturen und Parodien]] (§ 24 Abs. 1 UrhG; Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG) in Betracht.((vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2020 - I ZR 115/16 - Metall auf Metall IV)) ==== Sample als Musikzitat ==== Der Gerichtshof der Europäischen Union hat ausgeführt, die wesentlichen Merkmale eines [[Zitatrecht:Zitats]] bestünden darin, dass ein Werk oder ganz allgemein ein Auszug aus einem Werk von einem Nutzer, der nicht dessen Urheber sei, genutzt werde, um Aussagen zu erläutern, eine Meinung zu verteidigen oder eine geistige Auseinandersetzung zwischen dem Werk und den Aussagen des Nutzers zu ermöglichen. Der Nutzer eines geschützten Werks, der sich auf die Ausnahme für Zitate berufen wolle, müsse daher das Ziel verfolgen, mit diesem Werk zu interagieren.((BGH, Urteil vom 30. April 2020 - I ZR 115/16 - Metall auf Metall IV; m.V.a. EuGH, GRUR 2019, 929 Rn. 70 bis 73 - Pelham u.a.)) Insbesondere könne, wenn der Schöpfer eines neuen musikalischen Werks ein Audiofragment (Sample) nutze, das einem Tonträger entnommen und beim Hören des neuen Werks wiedererkennbar sei, die Nutzung dieses Audiofragments je nach den Umständen des Einzelfalls ein "Zitat" [-> [[Musikzitat]]] im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG unter Berücksichtigung von Art. 13 der EUGrundrechtecharta darstellen, sofern die Nutzung zum Ziel habe, mit dem Werk, dem das Audiofragment entnommen worden sei, zu interagieren, und sofern die Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG erfüllt seien. Eine solche Interaktion könne es jedoch nicht geben, wenn das zitierte Werk nicht zu erkennen sei.((BGH, Urteil vom 30. April 2020 - I ZR 115/16 - Metall auf Metall IV; m.V.a. EuGH, GRUR 2019, 929 Rn. 70 bis 73 - Pelham u.a.)) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat insoweit auf die Ausführungen des Generalanwalts in seinen Schlussanträgen verwiesen, der hervorgehoben hat, die Rechtmäßigkeit eines Zitats setze voraus, dass das Zitat so in das zitierende Werk eingefügt worden sei, dass es leicht als fremder Bestandteil erkannt werden könne.((BGH, Urteil vom 30. April 2020 - I ZR 115/16 - Metall auf Metall IV; m.V.a. auf die Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar vom 12. Dezember 2018 in der Rechtssache C-476/17, juris Rn. 65 - Pelham u.a.)) ===== siehe auch ===== § 85 (1) UrhG -> [[Verwertungsrechte des Tonträgerherstellers]] \\ § 51a UrhG -> [[Pastiches]] \\ -> [[Musikzitat]]