====== Auskunftsanspruch gegen Dritte ====== **§ 101 (2) UrhG** In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Verletzte gegen den Verletzer Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von Absatz 1 auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß - rechtsverletzende Vervielfältigungsstücke in ihrem Besitz hatte, - rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch nahm, - für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte oder - nach den Angaben einer in Nummer 1, 2 oder Nummer 3 genannten Person an der Herstellung, Erzeugung oder am Vertrieb solcher Vervielfältigungsstücke, sonstigen Erzeugnisse oder Dienstleistungen beteiligt war, es sei denn, die Person wäre nach den §§ 383 bis 385 der Zivilprozessordnung im Prozess gegen den Verletzer zur Zeugnisverweigerung berechtigt. Im Fall der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs nach Satz 1 kann das Gericht den gegen den Verletzer anhängigen Rechtsstreit auf Antrag bis zur Erledigung des wegen des Auskunftsanspruchs geführten Rechtsstreits aussetzen. Der zur Auskunft Verpflichtete kann von dem Verletzten den Ersatz der für die Auskunftserteilung erforderlichen Aufwendungen verlangen. -> [[Erstattung der Kosten für die richterliche Anordnung der Auskunftserteilung]] \\ -> [[Sicherung der Drittauskunft]] \\ Nach § 101 UrhG kann der Verletzte Auskunft sowohl vom Verletzer als auch von Dritten verlangen. Während der Anspruch gegen den Verletzer gemäß § 101 Abs.1 UrhG regelmäßig gegeben ist, besteht der Anspruch in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzungen auch gegen denjenigen, der in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbringt und der nicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist. Offensichtlich ist die Rechtsverletzung dann, wenn sie so eindeutig ist, dass eine Fehlentscheidung und damit eine ungerechtfertigte Belastung der Beteiligten ausgeschlossen erscheint.((BGH, Urteil vom 2. Juni 2022 - I ZR 140/15 - YouTube II; m.w.N.)) Der Auskunftsanspruch gegen Dritte gemäß § 101 Abs. 2 UrhG ist ein Hilfsanspruch zur Vorbereitung von Unterlassungsansprüchen und Schadensersatzansprüchen gegen den Verletzer((BGHZ 195, 257 Rn. 20 - Alles kann besser werden)). Die Vorschrift soll dem Verletzten die Verfolgung von Rechtsverletzungen ermöglichen, die im Internet unter Nutzung der Möglichkeit vorgenommen werden, dort weitgehend anonym zu kommunizieren, insbesondere das unbefugte öffentliche Zugänglichmachen von Musikwerken und Filmwerken über Tauschbörsen. Bestünde kein Auskunftsanspruch gegen den Internet-Provider, könnte der Rechtsinhaber diese Rechtsverletzungen nicht verfolgen, weil er den Verletzer nicht ermitteln könnte((BGHZ 195, 257 Rn. 23 - Alles kann besser werden)).((BGH, Urteil vom 21. September 2017 - I ZR 58/16 - Sicherung der Drittauskunft)) Die Inanspruchnahme des zur Auskunft verpflichteten Dritten durch den Verletzten ist, wie § 101 Abs. 7 UrhG zeigt, eine bürgerlich-rechtliche Rechtsstreitigkeit.((BGH, Urteil vom 21. September 2017 - I ZR 58/16 - Sicherung der Drittauskunft)) Die Bestimmung des § 101 Abs. 1 und 2 UrhG gibt dem Verletzten einen Auskunftsanspruch sowohl gegen den Verletzer als auch gegen Dritte. Wer in gewerblichem Ausmaß das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann vom Verletzten auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Erzeugnisse in Anspruch genommen werden (§ 101 Abs. 1 Satz 1 UrhG).((BGH, Urteil vom 21. September 2017 - I ZR 58/16 - Sicherung der Drittauskunft)) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Verletzte gegen den Verletzer Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von § 101 Abs. 1 UrhG auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte, es sei denn, die Person wäre nach den §§ 383 bis 385 ZPO im Prozess gegen den Verletzer zur Zeugnisverweigerung berechtigt (§ 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG).((BGH, Urteil vom 21. September 2017 - I ZR 58/16 - Sicherung der Drittauskunft)) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung kann die Verpflichtung zur Erteilung der Auskunft im Wege der einstweiligen Verfügung nach den §§ 935 bis 945 der Zivilprozessordnung angeordnet werden (§ 101 Abs. 7 UrhG). Kann die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nr. 30 TKG) erteilt werden, ist für ihre Erteilung nach § 101 Abs. 9 UrhG eine vorherige richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten erforderlich, die von dem Verletzten zu beantragen ist. Der Antrag auf Erlass einer richterlichen Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten (§ 101 Abs. 9 UrhG) ist nur begründet, wenn ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskunft besteht.((BGH, Urteil vom 21. September 2017 - I ZR 58/16 - Sicherung der Drittauskunft; m.V.a. BGH, Beschluss vom 19. April 2012 - I ZB 80/11, BGHZ 195, 257 Rn. 10 - Alles kann besser werden)) Für den Erlass dieser Anordnung ist das Landgericht, in dessen Bezirk der zur Auskunft Verpflichtete seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder eine Niederlassung hat, ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zuständig (§ 101 Abs. 9 Satz 2 UrhG). Die Entscheidung trifft die Zivilkammer (§ 101 Abs. 9 Satz 3 UrhG). Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend (§ 101 Abs. 9 Satz 4 UrhG). Die Kosten der richterlichen Anordnung trägt der Verletzte (§ 101 Abs. 9 Satz 5 UrhG). Gegen die Entscheidung des Landgerichts ist die Beschwerde statthaft (§ 101 Abs. 9 Satz 6 UrhG).((BGH, Urteil vom 21. September 2017 - I ZR 58/16 - Sicherung der Drittauskunft)) Nach § 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG kann bei offensichtlicher Verletzung des Urheberrechts oder eines anderen nach dem UrhG geschützten Rechts ein Auskunftsanspruch gemäß Absatz 1 über Herkunft und Vertriebsweg der rechtsverletzenden Vervielfältigungsstücke gegen eine Person geltend gemacht werden, die für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht hat.((OLG Karlsruhe, Beschluß vom 1.9.2009, 6 W 47/09; dort: den von der Beteiligten als Internet-Provider ermöglichten Internet-Zugang)) Der Bundesgerichtshof hat - nachdem das Beschwerdegericht den angegriffenen Beschluss erlassen hat - entschieden, dass der in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung bestehende Anspruch aus § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG auf Auskunft gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte, nicht voraussetzt, dass die rechtsverletzenden Tätigkeiten das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht in gewerblichem Ausmaß verletzt haben((BGH, Beschluss vom 19. April 2012 - I ZB 80/11, GRUR 2012, 1026 Rn. 10 bis 30 = WRP 2012, 1250 - Alles kann besser werden)). Er hat ferner entschieden, dass auch die Begründetheit des Antrags nach § 101 Abs. 9 Satz 1 UrhG auf Gestattung der Verwendung von Verkehrsdaten zur Erteilung der Auskunft über den Namen und die Anschrift der Nutzer, denen zu bestimmten Zeitpunkten bestimmte (dynamische) IP-Adressen zugewiesen waren, jedenfalls in den Fällen, in denen ein Auskunftsanspruch nach § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG wegen einer offensichtlichen Rechtsverletzung gegen eine Person besteht, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht hat, grundsätzlich kein besonderes und ins-besondere kein gewerbliches Ausmaß der Rechtsverletzung voraussetzt((BGH, GRUR 2012, 1026 Rn. 40 bis 52 - Alles kann besser werden)).((BGH, Beschl. v. 16. Mai 2013 - I ZB 43/12)) ===== siehe auch ===== § 101 UrhG -> [[Auskunftsanspruch]] § 242 BGB -> [[Privatrecht:Auskunftsanspruch]]